Und gleich noch eine Neiddebatte

Es ist ja nun wirklich keine Überraschung, dass die Reichen in Deutschland wieder reicher geworden sind und die Armen ärmer. Das ist ja der Witz am herrschenden System: Wer viel hat, kann investieren und hat am Ende mehr. Wer nichts oder wenig hat, muss sich Geld leihen, um über die Runden zu kommen und hat am Ende Schulden, also weniger als gar nichts. Und wem dann die Schulden über den Kopf gewachen sind, dem geht es erst richtig schlecht. Irgendwann wollen die Gläubiger ihre Kohle wieder haben und schicken einem mehr oder weniger seriöse Inkasso-Fachkräfte vorbei, die den Forderungen entsprechend Nachdruck verleihen. So ist das nun mal: Wer eh kein Geld hat, muss zu Wucherzinsen was leihen und darf sich dann den Rest seines Lebens krumm machen, um die Forderungen zu bedienen. Denn wer nicht zahlen kann, hat sein Recht auf Glück und Leben verwirkt, der muss sich am Ende nicht nur alles wegnehmen, sondern auch noch die Knochen brechen lassen.

Und gleich noch eine Neiddebatte

Reichtum und Armut in Deutschland: Wer viel Vermögen hat, wird immer reicher, wer wenig verdient, bleibt arm.


Das kann man übrigens auch in größerem Rahmen beobachten – nur wollen sich Griechen, Spanier und Portugiesen die Knochen nicht recht brechen lassen. Und noch hat die EU Moskau-Inkasso nicht angefordert, sondern lässt verbreiten, den Euro um jeden Preis retten zu wollen. Aber das war eigentlich gar nicht mein Thema.

Es ging ja eigentlich um den aktuellen Armuts- und Reichtumsbericht, zu dem allerlei Interessantes in den Medien verbreitet wird. Etwa, dass die Veröffentlichung desselben eine neue Neiddebatte auslösen würde. Nur weil ein paar dem linken Spektrum zugeordnete Politiker reflexhaft eine Vermögensabgabe, höhere Spitzensteuersätze und eine höhere Erbschaftssteuer fordern, heißt das dann gleich wieder Neiddebatte. Dabei sind die Leute doch bewunderswert wenig neidisch: Es gehen doch jetzt nicht die Massen auf die Straße, um ihren Anteil am Reichtum zu fordern. Nein, die Menschen sind müde und kaputt von ihrem Vollzeitjob zum Niedriglohn. Die schieben sich noch einen ökologisch und auch sonst bedenklichen Billigimbiss rein und setzen sich im Halbschlaf vor die Glotze, wo sie dann erklärt bekommen, dass es ja im oben genannten Bericht auch gute Nachrichten geben würde, etwa die, dass sich das Nettovermögen der deutschen Haushalte insgesamt deutlich erhöht habe (nur merken die meisten nichts davon, im Gegenteil) und mehr Menschen als zu vor Arbeit haben (aber eben schlecht bezahlte).

Und dann geht die Neiddebatte gleich in die andere Richtung los: Es werde doch bereits kräftig umverteilt, denn die oberen 25 Prozent der Einkommensbezieher trügen drei Viertel des gesamten Einkommensteueraufkommens, die unteren 50 Prozent hingegen lediglich 5,5 Prozent. Kunststück, wo kaum was verdient wird, kann man ja kaum Steuern zahlen, 100 Prozent von nichts sind eben auch nichts. Außerdem wird hier einmal mehr suggeriert, dass die Hungerleider, die es nicht auf die Reihe zu kriegen, von selbst zu Geld zu kommen und damit die Statistik versauen, überhaupt keine Steuern zahlen würden. Dabei zahlt jeder, ob nun Arbeitnehmer oder nicht, doch eh knapp 20 Prozent auf alles – außer auf Tiernahrung. Hier gilt, genau wie bei Grundnahrungsmitteln der ermäßigte Steuersatz von 7 Prozent. Für Babykost werden allerdings wieder 19 Prozent Mehrwertsteuer fällig. Das gilt für die knapp gehaltenen Hartz-IV-Mütter genauso wie für die gehätschelten Besserverdiener mit komfortabler Elterngeldregelung.

Überhaupt: Was wollen die Armen eigentlich noch?! Nicht genug Geld in der Tasche, um die deutsche Binnennachfrage ordentlich anzukurbeln und dann nicht zufrieden sein, wenn der Hartz-IV-Satz um 8 Euro monatlich angehoben wird! Denn inzwischen dämmert auch den ignorantesten Regierungspolitikern, dass angesichts der rasanten Steigerung der Lebenshaltungskosten eine symbolische Geste angesagt ist. Nein, mit den 8 Euro monatlich wird die Kluft zwischen arm und reich gewiss nicht überwunden. Aber selbst eine kräftige Erhöhung des Spitzensteuersatzes und eine ordentliche Vermögensabgabe – die ja teilweise von den Vermögenden selbst gefordert wird – und eine damit finanzierte Anhebung der Grundsicherung ändern ja nichts am System.

Und das besteht nun einmal darin, dass eine Mehrheit gezwungen wird, für den täglichen Unterhalt zu arbeiten, was nichts anderes heißt, als das Vermögen einer Minderheit zu mehren, derer nämlich, für die sie arbeiten. Selbst wenn sie formal für sich selbst arbeiten, weil sie “selbstständig” sind. Den Selbstständigen möchte ich mal sehen, der nicht auf der Jagd nach Auftraggebern wäre, auf deren Geld sein Geschäftsmodell beruht.

Aber egal, wie man diese Neiddebatten dreht und wendet – es kommt nie etwas richtiges dabei heraus. Weil gar nicht erst infrage gestellt wird, dass es überhaupt Reiche und Arme geben muss. Als sei es ein Naturgesetz: So wie die Sonne aufgeht, gibt es ein paar besonders Reiche und so wie sie untergeht, viele weniger reiche Menschen. Diskutiert wird höchstens, je nach politischer Ausrichtung, ob die Reichen wirklich dermaßen reich und die Armen dermaßen zahlreich sein müssten, oder ob es den meisten Leuten hierzulande am Ende nicht noch viel zu gut ginge, und dass die armen Reichen nicht ständig für das Versagen der Versager zur Verantwortung gezogen werden sollten. Und ganz außer Frage ist, dass Menschen halt arbeiten müssen, denn das steht schon in der Bibel, und wenn man daran nicht glaubt, dann weiß man halt aus Erfahrung, dass wer nicht arbeitet, auch nicht essen soll, oder zumindest nicht so viel und schon gar nicht so gut wie die anderen. Nur die Reichen, die dürfen den ganzen Tag in Sekt und Kaviar baden, ohne einen Finger dafür krumm zu machen.

Da wäre aber doch wirklich mal ein ganz anderes Kaliber von Neiddebatte fällig. Ganz jenseits von Steuer- oder Hartz-IV-Sätzen. Sondern mit ganz entscheidenden, grundsätzlichen Fragen: Warum ist Eigentum dermaßen heilig? Warum kann das, was alle brauchen, nicht einfach allen gehören? Warum braucht es Geld, das doch derzeit ganz eindeutig kein Verteilungs- und schon gar kein Umverteilungs-, sondern ein Macht- und vorallem ein Enteignungsmittel ist? Warum braucht es Märkte, die im entscheidenden Moment doch ohnehin immer versagen? Warum jagt man Regierungen, die dafür sorgen, dass es den meisten Leuten schlechter als nötig geht, nicht einfach zum Teufel?!



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