... und der Pauperismus entwickelt sich noch rascher...

... schrieb 1848 der Bärtige in seinem Manifest. Der Arbeiter würde zum Pauper, bemeisterte er außerdem. Und der Pauperismus entwickle sich rascher. Er meinte damals materielle Pauper, arme Schlucker also - der Pauperismus im Zeitalter scheindemokratischen Theaters meint jedoch auch die Armut an kritischem Verstand. Der wird dann Pau-perismus geschrieben.
Sie hat ja lediglich ihre Funktion erfüllt - als Vizepräses des Bundestages. Da ist kritische Gabe nicht verlangt, wohl aber Abhandeln nach Hausordnung und Gepflogenheiten des Hauses. Nicht die geschlagenen 57 Sekunden erstaunen; jene Sekunden also, die das Meldegesetz brauchte, um als Gesetzesentwurf das Licht jener Unterwelt zu erblicken, die wir Regierung nennen - das ist normal in einer Postdemokratie; denn in einer Postdemokratie gibt es auch keine Vizepräsidentinnen, es gibt ritualisierte Vorsitzer, spiritistische Zeremoniellmeister, geistige Begleiter, die dem allgemeinen Abgesang ein demokratisches Gepränge verleihen - sie sind, kurz gesagt, nichts weiter als Präses; sie sind Bundespräses oder Bundestagspräses, sind für das Ritual abbestellte Scheindemokratievorsteher.

Eine solche Präses ist jene Pau, die als Mitglied von Die Linke die Geschäftsordnung abspulte und dem Meldegesetz den ersten Schritt zur Verwirklichung schenkte. Im wirklichen Leben ist sie als Linke für Datenschutz - als Präses hat sie ihre Privatmeinung allerdings vom Geschäft zu scheiden. Der Dienst erforderte, eine anrüchige Inszenierung, in der ein anrüchiges Vorhaben beatmet werden sollte, rituell scheindemokratisch zu adeln - Der Gesetzesentwurf ist angenommen!, beschloss sie hierzu. Aber was hätte sie denn machen sollen? Das wird doch von einer Präses erwartet - Ja sagen und Gepflogenheiten wahren und Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps!, auch wenn der Schnaps persönliche politische Anschauung oder eben Datenschutz heißt.
Das ist strukturell bedingte Armut an Kritikfreude - Pau-perismus nennt man das etwas geschwollener ausgedrückt. Verklärt mal wieder einer die deutsche Vergangenheit, schwingt sich ein Filbinger-Lobredner auf oder grassiert es mal wieder, macht man die Bonner Republik rückwirkend globkerein oder meint jemand, Kiesinger und Lübke dürften nicht vor ihrer Vergangenheit besehen werden, dann sind es ausgerechnet die Pau-peristis, die aufbegehren und Wehret den Anfängen! rufen und kopfschüttelnd über die Mitmacher der damaligen Zeit herziehen. Genau die Pau-peristis, die auch Mitmacher sind, wenn es dieses postdemokratische Konstrukt von ihnen verlangt. Ich habe nur meinen Dienst getan!, riefen einst welche empört, als man sie persönlich moralisch haftbar machen wollte. Nur ihren Dienst hat auch jene Frau getan. Gut, vergleiche man nicht, was so unvergleichlich war - und stelle man den Gesetzesentwurf nicht mit dem gleich, was die anderen Mitmacher einst mitmachten; aber die Tendenz, die ist dieselbe, die Dienstblindheit gleicht sich.
Gibt es in einer Postdemokratie überhaupt Befehlsnotstand? Der ist ja eine Sonderstellung, ein sich ergebender Spezialfall - aber Postdemokratie ist doch andauernder Befehlsnotstand, nicht rar, nicht nur ab und zu. Und wenn dem so ist, dann sind die ausführenden Werkzeuge, all die Hämmer und Schrauberdreher, all die Zangen und Feilen, nicht nur zufällig in Dilemmasituationen gefallene Charaktere, sondern vom System garantierte Wetterfähnchen, Opportunisten und Präses eben. Pau bezieht im Postdemokratismus Stellung, bezieht Posten - manche werfen das ihrer Partei vor, träumen von einer APO, die von ihr angeführt werden soll. Dass sie Stellung bezieht, dass sie sich Posten sichert, um die postdemokratischen Rituale aufzuweichen und lächerlich zu machen, hätte man gut finden können - aber so?
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