Und der legale Flügel des Rechtsextremismus?

Von Robertodelapuente @adsinistram
Jetzt wagen sie wahrscheinlich den Schritt, wollen den parteilich organisierten Rassismus und Chauvinismus einschränken und ausdünnen. Problematisch ist dabei lediglich, dass beides nicht einzig und alleine in der NPD organisiert ist. Auch in anderen Parteien gedeiht rassistischer Unsinn und Nationaldünkel.
Und die Rechtsextremen, die nicht in der NPD organisiert sind?
Es ist aller Ehren wert, dass man der NPD die Legalität entziehen möchte. Es darf nicht legal sein, die Ausweisung von Menschen zu fordern. Und es darf nicht legal sein, ausländische Menschen als Schmarotzer am deutschen Wohlstand zu diffamieren und sie so der Lächerlichkeit preis zu geben. Haken an der Sache ist, dass das nicht nur in der NPD Weltbild ist. Man nehme nur mal die Sozialdemokratie, die Leute wie Sarrazin und Buschkowsky in ihren Reihen gedeihen läßt, das ganze dann aber unter dem Label der Meinungsfreiheit subsumiert. Und dann ist da natürlich noch die CSU, die den europäischen Süden zur mediterranen Bummelzone zusammenschiss, die die dort um sich greifenden Effekte der Krise mit der phlegmatischen Bequemlichkeit und Arbeitsscheue der Menschen dort erklärte. In der CDU ist man indessen stolz darauf, dass Europa wieder mal in Deutschland aufgehe. Und die FDP strampelt sich an anderen Erscheinungen des Faschismus ab, weniger am Nationalismus oder Rassismus. Sie lehrt von Ballastexistenzen, von unnützen Essern, von der Unterstützung falscher Personen und reduziert Gesellschaft auf die Funktionalität des jeweiligen Bürgers im Produktionsablauf. Sie sagt es nur nicht immer in diesem Jargon.

Rechtsextreme Attribute
Natürlich ist diese Denkweise nicht nur in der FDP vorzufinden. Auch der Konservatismus, zu dem sich mittlerweile die Grünen ganz offen bekennen, tut das. Und die SPD spricht auch davon und hat in Regierungszeiten nach dieser Maxime gehandelt und gearbeitet. Die FDP ist vielleicht nur insofern ein Sonderfall, als dass sie keine Parteiflügel zu haben scheint, in denen gleichsam andere Ansichten liberaler Natur vertreten werden könnten. Der Alt-Liberale Baum äußerte sich ähnlich vor einiger Zeit.
Wenn wir in diesem Lande über Rechtsextremismus reden, meinen wir die obligat bekannten Attribute. Es geht um Rassismus, Antisemitismus und Nationalismus. Auch um Gewaltbereitschaft und um organisierte Trupps und Brachialgewalt. Mit Rechtsextremismus verbinden wir gedanklich das, was sich einst in diesem Lande ereignete: den Nationalsozialismus. Und die genannten Attribute sind jene, die man auch ohne historische Vorbildung kennt und aufzählt, wenn nach "nationalsozialistischen Werten" gefragt wird. Komischerweise werden das Effizienzdenken, die Ausbeutung menschlicher Ressourcen bis hin zum Gedanken, dass Menschen, die nicht durch Arbeit ausbeutbar sind, wertlos seien, eher selten genannt. Dass sich der Mensch im Nationalsozialismus als Verfügungsmasse zur verdingen hatte, dass er seinen Wert für die Allgemeinheit durch seine Nützlichkeit und seine Produktivität begründete und nicht qua seiner bloßen Existenz, vernimmt man leider viel zu selten. Es ist, als sei diese Seite des Nationalsozialismus und jeder faschistischen Bewegung gänzlich unbekannt. Vielleicht passt es nicht in unsere Zeit, vielleicht assoziierte man dann nicht nur die NPD mit dem Rechtsextremismus.
Wenn wir aber beim Rechtsextremismus meinen, was üblicherweise nationalsozialistisch war, dann müssen auch die Ansichten gemeint sein, die heute vor allem in der FDP und im parteilich arrangierten Neoliberalismus vertreten werden.
Der legale Flügel des Rechtsextremismus
Die Grünen und ausgerechnet die FDP haben gemahnt vor dem Verbotsverfahren gegen die NPD. Der Rechtsextremismus ist nicht gebannt, wenn man die Legalität aufhebt, meinten sie. Denn dann gehe er eben in die Illegalität. Der Legalität beraubte Menschen fühlen sich, egal ob zu recht oder nicht, meist als moralischer Sieger - der Weg in den Untergrund erscheint da als standhaft und zwanghaft auferlegt. Das ist nicht selten die Geburtsstunde von Märtyrern. Die beiden Mahner hatten allerdings noch auf andere Weise recht. Freilich so, wie sie es nicht gemeint haben werden. Der Rechtsextremismus ist nicht aufgehoben, wenn die NPD verboten wird. Er darf legal weiterbrüten im Schutz etablierter Parteien, die nicht anständig und aufrichtig genug sind, die Mitglieder in ihren Reihen auszufiltern, die Gedankengut vertreten, das als rechtsextrem bezeichnet werden muss.
Es hat nichts mit Meinungsfreiheit zu tun, Menschen mit laienhafter Genetik zu verblöden. Rassismus ist keine Meinung, sondern ein begrenzter Horizont - vor allem in einer Welt, in der die Horizonte sich kontinuierlich weiten. Und Chauvinismus und nationalistischer Dünkel sind Brandbeschleuniger, die nicht hinnehmbar sind. Noch gibt es Menschenrechte, noch haben wir Grundrechte. In beiden ist die Würde des Menschen zentraler Gegenstand. Sie rekrutiert sich aus dem bloßen Dasein eines Menschen. Weil er ist, hat er unveräußerliche Rechte. Er muss sich nicht beweisen, er muss nicht brauchbar und belastbar sein. Es reicht völlig, dass es ihn gibt. Wer aber fortwährend das Existenzrecht von Menschen anzapft, indem er individuelle Leistungsfähigkeit und Produktivität, Nutzen und Kosten aufwiegt, der steht nicht mehr zur grundsätzlichen Menschenwürde. Menschen als Ballast oder Leistungsträger zu kategorisieren ist insofern rechtsextrem, weil es ähnlich schon mal gängige Lehrmeinung war.
Verlogener Traditionalismus
Die Verlogenheit im Umgang mit dem Rechtsextremismus ist eine Konstante. Die deutsche Gesellschaft arbeitet seit einigen Jahrzehnten ihre Geschichte auf. Sie tat das manchmal exzessiv. Die Ansätze waren zwar manchmal hysterisch, aber grundsätzlich vernünftig. Die Gegenwart verlor man hierbei aber aus dem Blick. In der gab es rechtsextreme Parteien, die in vielen von der Politik wissentlich im Stich gelassenen Regionen zu Kümmerern wurden, in ein sozio-ökonomisches Vakuum stießen. Später stützte man die bekannteste dieser Parteien dadurch, dass man sie durchdrang mit vom Staat finanzierten Mitgliedern, was ihr Verbot verunmöglichte. Und dann geschahen rassistisch motivierte Morde und keiner wollte es sehen. Stattdessen gab man der Mordserie einen verächtlichen Namen und tat so, als sei das ein tragischer Einzelfall. Der Innenminister hat indessen nichts anderes im Sinn, als diese rechte Brachialgewalt, die Leib und Leben nicht nur gefährdet, sondern auslöscht, mit linken Straftaten, die vornehmlich gegen Autos und Mülltonnen geschieht, gleichzusetzen.
Man kann das Blindheit nennen. Oder Verlogenheit. Man log sich selbst an und man log die Öffentlichkeit an. Insofern ist der Umgang mit dem Rechtsextremismus der Gegenwart die Lebenslüge dieser Berliner Republik. Jetzt die NPD verbieten zu wollen, während synchron dazu die legalen Rechtsextremen in den eigenen Reihen weitermachen dürfen, ist nur konsequent, denn ist die übliche verlogene Tradition, in der der Umgang mit dem Rechtextremismus steht. Aber es keimt ja Widerstand in der Politik auf, die NPD verbieten zu wollen. Vielleicht schreckt da mancher von seiner eigenen Verlogenheit zurück ...