Umsorgt und beworben dank NSA?

Jeder weiß ja, dass die NSA nur Terroristen fangen will mit ihrer Datenschnüffelei. Das kostet allerdings eine Menge Geld. Und dieses muss irgendwie rein kommen. Warum nicht durch die Daten selbst? Denn Datensätze bringen richtig viel Geld

Schlaft und träumt schön, gute Nacht. Ihr werdet ständig überwacht

dees nsa

Ein Auge auf uns werfen

Riesige Gebäudekomplexe beherbergen die Standorte der amerikanischen National Security Agency NSA. Gigantische Computerzentren, die noch gigantischere Datenmengen verarbeiten. Jedem muss klar sein, dass es das nicht zum Nulltarif gibt. Woher also nehmen, wenn nicht stehlen? Geht nicht, also stehlen. Und zwar straflos in digitaler Form. Diese Datensätze können dann Cent für Cent für Cent vergoldet werden. Natürlich lassen sich durch gesniffte Informationen trefflich Menschen in wichtiger Position erpressen. Merkels Friseurtermine werden es wohl nicht gewesen sein, welche die NSA beim Kanzlerhandy interessiert haben. Das große Geld machen lässt sich hingegen mit den Datensätzen von Otto Normalverbraucher.

Was sind Datensätze wert?

Den Wert der Privatsphäre in Heller und Pfennig aufzurechnen, wird nicht möglich sein. Gut, es ließe sich beispielsweise der Kaufpreis, den Facebook für Whatsapp aufbringen musste, herunterbrechen auf den Einzelkunden. Der Wert dieser Daten betrüge dann in etwa 27 Dollar. Dieser Schritt ist letztlich jedoch wenig zielführend, da er nicht berücksichtigt, wie der Markt auf die Kunden reagiert. So orientieren sich manche britischen Banken als Kriterium der Kreditwürdigkeit eines Kunden an der Zahl seiner Facebook- Freunde. Kunden, die ihren Datensätzen zufolge angeregtes Kaufinteresse mit hoher Kaufkraft verbinden, werden bereits heute bevorzugt behandelt, wenn sie sich an ein Call Center wenden. Jemand mit Schufa- Eintrag hingegen dürfte für die Industrie wohl eher zur Kategorie ‘Unnützes’ zählen.

Einzeldaten sind so gut wie wertlos. Lohnenswert werden sie erst in Kombination mit weiteren Daten. Solche Datensätze sind äußerst begehrt bei Unternehmen aller Art, da sie eine gezieltere Bewerbung der Kundschaft ermöglichen. Dies beginnt zunächst mit unseren Daten bei den Einwohnermeldeämter, die unsere Daten fröhlich an jeden verkaufen, der dafür Geld bietet. Angefangen mit Vor- und Nachnamen, der aktuellen Meldeadresse und, falls vorhanden, dem akademischem Titel. Dabei bringt jeder einzelne Datensatz der jeweiligen Gemeinde zwischen fünf und fünfzehn Euro ein. Katharina Nocun vom Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) wittert dahinter ein Riesengeschäft: „Wenn man sich überlegt, dass manche Adresshändler mit einer Anfrage gleich tausend Datensätze abfragen, kommen auf diese Weise schnell hohen Summen zusammen.“ Gegen diese Weitergabe persönlicher Daten an Dritte kann man sich allerdings zur Wehr setzen. So kann man bei dem jeweiligen Meldeamt Auskunft darüber verlangen, an welche Firmen diese Daten verkauft worden sind und diesen Unternehmen die weitere Verwendung der Daten durch Widerspruch untersagen. Ein entsprechendes Musterschreiben kann man sich auf der Seite des VZBV herunterladen.

Mehr als 1000 Firmen verdienen sich allein hierzulande ihr Geld mit legalem Adresshandel. Diese sind allerdings nicht so unklug, sich die Daten für viel Geld von den Meldeämtern zu holen, wie Andreas Kneiphoff vom Deutschen Dialogmarketing Verband (DDV) zu berichten weiß: „Das ist viel zu aufwändig und nicht wirtschaftlich“, so der Marketingprofi. „Es ist einfach zu mühsam, sich mit jedem einzelnen Meldeamt auseinanderzusetzen. Stattdessen verwenden die Firmen oft bestehende Datensätze, die untereinander weitergegeben werden.“

Etwas anders funktioniert der Datenhandel in den USA. Die Firma RapLeaf Inc. mit Sitz in Evanston/Illinois bevorzugt beispielsweise die Salamitaktik, um Preisangebote für Kunden zusammenzustellen. Zum Anködern gibt es zunächst einmal Daten wie Alter, Wohnort und Geschlecht zum Nulltarif. Für jeweils einen Cent gibt es dazu auch noch die Höhe des Haushaltseinkommens und den Ehestand der Zielperson. Für jeweils einen weiteren Cent gesellen sich Informationen hinzu über den Wert des Wohnhauses, die Höhe aufgenommener Kredite in Relation zum eigenen Vermögen sowie die Anzahl vorhandener Kreditkarten und Fahrzeuge in besagtem Haushalt. Dann beginnen die Preise langsam zu klettern. So kosten Informationen über Beruf und Ausbildung jeweils zwei Cent. Auskünfte über den Besitz eines Smartphones schlagen mit drei Cent zu Buche. Ebenso wie Hinweise darauf, ob ein potentieller Kunde gerne Bücher ließt, oder lieber Zeitung. Ob er bereits durch wohltätige Spenden aufgefallen ist, ein Blog betreibt, ob er gerne reist, kocht, Outdoor- Aktionen startet, sich aus den aktuellen Nachrichten informiert oder ob er sogar einer der heiß begehrten Powershopper ist. Bei jeder einzelnen dieser Informationen klingeln erneut drei weitere Cent in der Kasse. Auf diese Weise bringt ein solch vollständiger Datensatz schnell mal 15 Dollar und mehr ein.

Der Kunde als Mensch ist dabei völlig uninteressant. Von Interesse ist lediglich sein Geld, an welches man am besten gelangt, indem man seine Kaufinteressen bedient. Daher das große Interesse an seinem Kaufverhalten. So dienen die Datensätze vor allem der Gewinnung von Neukunden und der Bewerbung von Bestandskunden unter Einbeziehung möglichst vieler persönlichen Informationen zu dieser Person, bezeichnet als ‘Direktmarketing’. Einer Studie der Deutschen Post zufolge ließen sich Firmen im vergangenen Jahr all die vielen voll adressierten Werbesendungen 9,5 Milliarden Euro kosten. Dabei sind das alles noch vergleichsweise harmlose Daten. Da kann man sich in etwa vorstellen, was all die abgeschnorchelten Datensätze in den Rechnern der NSA wert sein müssen. So gibt es beispielsweise die Firma Datacoup, die ihren Datenschafen acht Dollar monatlich alleine dafür bietet, dass diese ihre Facebook- und Twitter- Account- Daten an sie weiterreichen, gemeinsam mit ihren Kreditkartenabrechnungen. Wie viel Geld Datacoup mit diesen Daten verdient, ist nicht bekannt. Es werden jedoch mit Sicherheit mehr sein, als die investierten acht Dollar monatlich pro Datenquelle.

Richtig interessant wird es, wenn es sich um den Verkauf von Kontaktdaten zu Politikern und weiteren Personen in öffentlichen Ämtern handelt. Die Firma Politikkontakte Kürschner zum Beispiel handelt mit Datensätzen im Bereich Parlamente, Regierungen und Politiker. Sie beginnt zunächst moderat mit 95 Cent pro Datensatz. Ein Datenpaket enthält dann 100 solcher Datensätze. Da sind wir bereits bei 95 Euro pro Paket. Jedes weitere Datenpaket spült zusätzliche 65 Euro in die Kassen. Eine entsprechende Rechnung könnte laut Beispiel dieser Firma dann folgendermaßen aussehen

Datenpaket mit 134 Datensätzen:
100 x 0,95 EUR = 95,00 EUR
+ 34 x 0,65 EUR = 22,10 EUR
Gesamtpreis = 117,10 EUR (inkl. 19% MwSt.)

Inwieweit nun illegal erworbene Daten in diesen regen Handel mit hineinspielen, weiß vermutlich nur die Nationale Spionage Agentur selbst. Fest steht jedoch, dass man mit Datensätzen eine Menge Geld verdienen kann, dass die NSA Unmengen davon besitzt und eine Menge Geld braucht für ihre Schnüffelaktivitäten. Leider hat Snowden sich hierzu noch nicht geäußert. Es wäre sicher interessant, seine Meinung hierüber zu erfahren.

Und nun? Was tun?

Sie wollen unser Bestes, aber wir müssen es ihnen nicht geben. So wirbt Freeman von ‘Alles Schall und Rauch’ für die Enigma Box. Dieses Gerät verschlüsselt Daten zuverlässig und scheint von außen unknackbar zu sein. Geheimdienste mögen so etwas nicht und können dabei ganz schön ruppig werden, wie im Falle des damals 38 jährigen Hackers Boris Floricic (Tron) aus Berlin. Dieser hatte 1997 ein Verfahren entwickelt, mit dem Daten nicht über die Software, sondern mittels der Hardware verschlüsselt werden konnten. Dieses Gerät mit dem Namen Cryptophone war absolut abhörsicher. Ein Jahr später, am 22.Oktober 1998, war er tot. Man fand ihn in einem Park, erhängt mit seinem eigenen Gürtel. Zuvor war er noch am Geldautomaten gewesen und hatte 300 D- Mark abgehoben. Er wollte offenbar nicht unvorbereitet in den Freitod gehen. Seine Rechner zuhause liefen noch, als man ihn fand. Mittlerweile wird die Erfindung des nach Meinung des CCC ermordeten Clubmitglieds in großem Stil von der Industrie vermarktet.

Den Geheimdiensten ganz direkt eine lange Nase zu drehen, kann also gefährlich sein. Eines jedoch kann und sollte jeder tun, genauer gesagt, unterlassen. Nämlich sein echtes Leben eins zu eins digital abzubilden. Wer stets mit der gleichen Rabattkarte bezahlt, braucht sich nicht zu wundern, wenn die Schlapphüte irgendwann auf all die vielen, virtuellen Doubles aufmerksam werden. Dasselbe gilt für die Nutzung des Internets. Wer stets ein und dieselbe Suchmaschine benutzt, ist wesentlich einfacher zu überwachen, als wenn er diese ständig wechselt. Dies gilt auch für soziale Netzwerke. Wer solche Plattformen ständig mit persönlichen Daten füttert, ist selber schuld, wenn er anschließend inflationär mit Spam zugeschi**en wird. Kurzum, jeder, der heute noch an die Sicherheit seiner Daten glaubt, muss dran glauben.

Quellennachweis und weiterführende Links:



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