Ein gleichmäßiger Strom durchzieht das Debütalbum „The Pier“ von The Cray Twins alias Paul Baran und Gordon Kennedy. Zähes Knistern, grelles Jaulen, schrilles Heulen – ein langsames Kabinett von Geräuschen, die sich mal künstlich, zumeist aber ungemein lebensnah und natürlich im Vorder-, Mittel- und Hintergrund abwechseln. Die Szenerien der einzelnen Stücke neigen zur Verschmelzung und trennen sich doch nach und nach voneinander ab. Nimmt „Torshavn“ noch die gegenständliche Hafenkulisse auf und lässt den Blick auf ein geschäftiges Treiben erahnen, wird es spätestens bei „Fianuis“ abstrakter. Vom Wind zerteilte Klagelaute könnten auf die Ahnen der inzwischen verlassenen Insel North Rona deuten, auf der sich besagtes Fianuis einstmals befand, das an- und abschwellende Brausen verstärkt den Eindruck noch und lässt ein Gefühl von Ferne und Abgeschiedenheit zu.
Auf „The Pier“ loten Baran und Kennedy die Grenzen von Langsamkeit, Unnahbarkeit und Endlichkeit aus, sie lassen gewaltige Naturdrones bis in die Unendlichkeit wiederholen und erweitern sie noch durch minimale Störfeuer aus Field Recordings oder artifiziell erzeugten Glitches. Pulse und Echos, denen häufig durch die Verfremdung der erzeugenden Instrumente ein völlig anderes Klangbild geschaffen wird, wechseln dazu wie im Titeltrack mit dem Sound schleifender Gläser, wirbelnder Gischt oder brechender Wellen. Texturen brechen auf „The Pier“ ausgetretene musikalische Pfade auf, in dem sie zum Beispiel im dreiteiligen „Duao“ zuächst ein simples Nebeneinander verursachen, dann aber im zweiten Teil Textfragmente hineinwinden und sich dann zuletzt in die schlichte und kathartische Repetition ergeben.
Nie ist sicher, ob sich die Klänge auf „The Pier“ nur rein zufällig der Stimmhaftigkeit annehmen, wie es „Harbour“ gleich zu Beginn weismachen will. Um so irritierender ist die unvermittelte „Song-“Orientierung in „Song From A Black House“, das mit einem Sacred Harp-Hymnus eröffnet und sich in einen winddurchzogenen Choral verwandelt. Zuweilen erinnert „The Pier“ hier an die deutlich weniger grenzenbefreite (aber nicht minder hervorragende) Landschaftsbetrachtung „Diamond Mine“ von King Creosote und Jon Hopkins, Baran und Kennedy gehen aber insgesamt gemeinsam mit ihren zahlreichen Gästen (u.a. BJ Nielsen, Ken Vandermark) deutlich konsequenter zu Werke und lassen ihre Sounds ohne Worte zu Landschaftsbestandteilen werden. So verpuppt sich „The Pier“, das am 21.03.2016 via Fang Bomb erschienen ist, zu einem ausgefallenen und originellen „Klang-“Bild, dessen tonale Erscheinung sich mühelos und mit beeindruckender Wirkung der Bildhaftigkeit seiner Titel unterordnet.