Ultralauf – Wie kommt man auf so was?
5. September 2014 Gerd Dietrich-Rosenbrock Hinterlasse einen KommentarAls ich 2007 mit dem Laufen begann, waren meine allerersten durchgelaufenen 5 Kilometer mein absoluter Stolz. An Strecken die jenseits der 10 Kilometer lagen, dachte ich damals noch gar nicht. Das es Dinge gibt die jenseits des Marathons liegen ahnte ich noch nicht einmal.
Durch das Laufen habe ich sehr viel Gewicht verloren, und nach und nach wurden die Strecken immer länger. Es machte Freude zu laufen und die Wälder zu erforschen. Das Gewicht wurde weniger und der Drang nach Bewegung mehr.
Irgendwann packt einen die Lust nach einem Wettkampf. Was habe ich wirklich drauf und wie schneide ich gegenüber anderen ab?
Entsprechend hatte ich 2008 meinen allerersten Wettkampf. Einen Halbmarathon, den ich nach über zwei Stunden mit der Erkenntnis abschloss, „Mehr geht absolut nicht“! Nie mehr wieder!
Der Kampf und das Gegeneinander hatten mich auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Für die meisten ist das Wort Wett“kampf“ nicht nur eine Worthülse. Hier geht es Mann gegen Mann und Frau gegen Frau. Und ich hatte für solch einen Kampf nicht die geeigneten Waffen. Schnell würde ich wohl nie laufen können. Dazu fehlten mir neben dem Talent auch noch die körperlichen Voraussetzungen. Den Rest erledigte mein Asthma. Also richtig Spaß machte es nicht.
Im Januar 2009 traf ich mich mit einem Bekannten den ich vom Bloggen her kannte. Er war bei uns in der Nachbarschaft bei einem 50km Ultralauf. Eine für mich unvorstellbare Distanz. Und die Vorstellung diese 50 Kilometer auch noch auf einer 5km Runde im Kreis zu absolvieren, produzierte noch mehr Kopfschütteln! Entsprechend aufgeregt und mit den Aussichten auf ein Volk voller eigenartiger und verrückter Menschen begab ich mich zum Veranstaltungsort.
Als ich jedoch erlebte was Ultralauf für die meisten wirklich bedeutet, musste ich meine Meinung dazu schnell revidieren. Und zwar in Bezug auf das Laufen selbst UND auf die vielen Verrückten die es mit Begeisterung praktizieren. Es war eine tolle Begegnung mit lauter „positiv verrückten“ Läufern.
Rodgau 2011
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Und eine Entscheidung reifte in mir, die letztendlich weitreichende Folgen auf mein Laufen und meine Einstellung zum Laufen hatte.
Ich wollte Teil dieser „positiv verrückten Laufgemeinde“ werden.
Plötzlich war nicht mehr das Ergebnis des Laufens das wichtige, sondern das Laufen selbst. Nicht schnell ist bei den meisten die Devise, sondern lang heißt das Zauberwort. Die Kräfte einteilen und den Schweinehund besiegen. Nicht die Beine sondern der Kopf wird eines der wichtigsten Dinge beim Ultralauf.
Ich hatte „mein Laufen“ entdeckt. Auf einmal waren die fehlenden Voraussetzungen kein Thema mehr. Geduld und Ausdauer waren gefragt um Dinge zu erreichen bei denen einem früher schon alleine die Vorstellungskraft fehlte.
Dies bedeutet aber auch ein völlig anderes Training. Lange, langsame Läufe prägen den Alltag. Die Basis wird mit den Umfängen gesetzt. Nicht immer ganz einfach zwischen Familie und Beruf die erforderlichen Trainingseinheiten zu platzieren. Die langen Läufe finden an den Wochenenden statt, und der Weg zur Arbeit wird ab und an auch als Trainingseinheit laufend absolviert. Irgendwie kriegt man die nötige Grundlage zusammen. Und auf Grund des geringen Tempos kam mir die Sache sehr entgegen.
Trotzdem kamen Rückschläge und Verletzungen. Die Folge wenn man keine Geduld aufbringt. Eigentlich klar, dass man für eine Sportart deren Hauptbestandteil Geduld ist, auch im Training entsprechende Geduld üben sollte. Mein Körper war nach vielen Jahren ohne Sport überhaupt nicht in der Lage die großen Umfänge zu verarbeiten.
Das Herz- Kreislaufsystem stellt sich relativ schnell auf die Veränderungen ein. Die Muskulatur braucht das schon wesentlich länger.
Aber der entscheidende Punkt sind die Bänder und Sehnen. Bis sich diese an die Belastungen gewöhnt haben braucht es teilweise Jahre an regelmäßigem Training. Und so war die Zeit des Einstiegs in den Ultralauf auch eine schmerzhafte Lehrzeit. Aber nach und nach gewöhnte sich der Körper an die Belastungen. Man lernte sich und seinen Körper besser kennen und gab ihm dann auch die Zeit sich zwischen den Belastungen zu erholen. Eine Zeit des Lernens, dass man auf seinen Körper hören muss und sich nicht an anderen Sportlern orientieren sollte. Dazu sind Menschen einfach zu individuell um hier gleiche Voraussetzungen zu haben.
Und die Zeit des Lernens sollte beim Ultralaufen nie aufhören!
Als ich meinen allerersten 50km-Lauf in 5 Stunden und 42 Minuten absolviert hatte war ich der stolzeste Mensch auf diesem Planeten. Ich hatte das große Glück von einem erfahrenen Ultraläufer begleitet zu werden. Diese mentale Hilfe war für meinen ersten Ultra einfach unbezahlbar. Hier spürte ich das erste Mal was der Satz bedeutet „Ultralaufen läuft im Kopf ab“! Es waren viele Läufe in einem Lauf. Abschnitte in denen ich fest davon überzeugt war, es geht nicht mehr. Um wenige Kilometer später zu erfahren es läuft wieder richtig gut.
Zu lernen dem inneren Schweinehund nicht sofort nachzugeben. Zu lernen, dass nach einem Tief doch noch ein Hoch kommt. Eine Erfahrung die nicht nur auf das Laufen zu beschränken ist.
Ich konnte zwar keinen Meter mehr laufen und der Muskelkater war unbeschreiblich, aber das Gefühl war es gleichfalls.
Wenn man dieses Gefühl und dieses Erlebnis einmal genossen hat, gibt es kaum noch Grenzen nach oben. Die Sucht nach immer längeren Strecken ist geboren und teilweise schwer zu stillen.
Ultralauf beim ChurfrankenlaufAus einem anfänglichen Sport wird eine Lebenseinstellung. Eine Lebensphilosophie die sich auf den Alltag überträgt. Man geht Dinge an die man früher für unmöglich hielt. Man überlegt sich Strategien und denkt ein wenig über den Tellerrand hinweg.
Man gewinnt an Selbstsicherheit und an Selbstwertgefühl. Man wird gelassener und ruhiger.
Zeit definiert sich nicht nur auf den Augenblick.
Man lernt Weitblick und Muse.
Für mich ist das lange Laufen, das Absolvieren von langen Etappen, egal ob durchweg laufend oder wenn´s die Umstände erfordern auch wandernd, ein phantastischer Ausgleich zum stressigen Berufsleben. Man hat unendlich viel Zeit nachzudenken und zu philosophieren. Man kann Grenzen ausloten und sich immer wieder überraschen. Und man kann die Natur in Ihrer vollen Schönheit genießen.
Endlich am Ziel – 100 km Ultralauf bei der TTdR2014Ultralauf bedeutet für mich das Leben zu genießen!
Nicht mehr aber auch nicht weniger!