Ulrike Ottinger in Hannover, Steve McCurry in Wolfsburg, nur noch bis 20. Mai 2013
Ulrike Ottinger und Steve McCurry: Nur noch bis zum 20. Mai können die beiden Ausstellungen besichtigt werden, über die ich hier berichtet habe - heute noch einmal der aktuelle Hinweis!
Es hatte mich fasziniert, wie sehr die beiden Persönlichkeiten miteinander in Verbindung stehen (geistig - künstlerisch). Beide sind sie durch die Welt gereist und haben das vorurteilsfreie Wahrnehmen geübt - sie sind aufmerksame Beobachter mit großem Respekt vor dem Anderssein.
Sie setzen ihre Wahrnehmung auf unterschiedliche Weise in künstlerisches Schaffen um: Ulrike Ottinger gestaltet Filme, arbeitet aber auch als Objektkünstlerin, wie gerade in dieser Ausstellung in der Kestnergesellschaft Hannover deutlich wird; Steve McCurry arbeitet seit Jahrzehnten als Fotograf - im Wolfsburger Kunstmuseum werden seine Fotografien aus Asien aus den Jahren 1980 bis 2010 gezeigt.
" ... mehr angesprochen hat mich der Ausstellungsteil über und von Ulrike Ottinger (geb. 1942 in Konstanz, in Berlin lebend) mit der Überschrift "Weltbilder".
Wie mensch eine Filmkünstlerin in einer Ausstellung präsentieren kann
(über das bloße Zeigen der Filme hinaus) ist ja die Frage - die hier
aber hervorragend gelöst ist. Die Ausstellung ist eine grandiose
Inszenierung, die die Raumstrukturen der Kestnergesellschaft nutzt und
an der die Künstlerin kräftig mitgewirkt hat. (Auf den Vorsatzseiten des
Kataloges findet sich eine Planskizze Ulrike Ottingers, die zu
studieren sich lohnt.) Dabei hat sie Gesammeltes (von den Reisen
Mitgebrachtes) mit Selbst Geschaffenem raffiniert verbunden. Mehrere
Blickachsen sind geschaffen; die Möglichkeiten für Durchblicke in dem
ehemaligen Goseriede-Bad werden geschickt genutzt ("das gefällt mir hier
in dem Haus", sagt die Künstlerin) ...
(Zitiert aus den Pressetexten:) 'Die verschiedenen Aspekte ihres Oeuvres – Film, Oper- und Theaterinszenierung, Bühnenbild, Fotografie sowie von ihren Reisen inspirierte rituelle Objekte – fließen in eine großangelegte, sich über mehrere Räume erstreckende Installation ...
In der kestnergesellschaft verbindet die Künstlerin in einer einzigartigen Inszenierung, was sonst unverbunden bleibt, wodurch sie die Grenzen und Unterschiede zwischen den Kulturen zugleich verwischt, als auch klarer hervortreten lässt....
Thematisch verknüpfte Objekte, Wandarbeiten und bearbeitete Fotografien verwebt die Künstlerin im Ausstellungsraum zu einem dichten Netz der Bilder und Geschichten. Ergänzt wird die Inszenierung mit der Präsentation eines Ausschnitts aus »Taiga« (1992) – ein Film Ottingers, der ihre Reise zu den Yak- und Rentier-Nomaden im nördlichen Teil der Mongolei sowie zu der eigenen Geschichte dieser beiden Völker beschreibt – und mit der raumfüllenden Dia-Installation »Bildarchive«. Die Ausstellung ermöglicht eine faszinierende Begegnung mit den einfühlsamen bis schrillen, offenen bis persönlichen Blicken Ottingers auf die Welt, Geschichte und Kultur.'"
"Steve
McCurry, längst weltberühmt, in Deutschland noch zu wenig bekannt:
Diese Ausstellung im Kunstmuseum Wolfsburg in der ersten Jahreshälfte
2013 wird das ändern. Zum ersten Mal wird in Deutschland im musealen
Rahmen ein Überblick über das Werk des US-amerikanischen Fotografen
(geb. 1950 in Philadelphia) gezeigt - in weiser Beschränkung auf die
Fotografien aus Asien 1980 bis 2011....
Was
mich am meisten fasziniert hat bei meiner Besichtigung: dass Steve
McCurry es sowohl versteht, das Spirituelle eines Ortes zum Ausdruck zu
bringen, als auch den spirituellen Untergrund in einem menschlichen
Gesicht....
Steve
McCurry war aus Anlass der Eröffnung am 19. Januar in Wolfsburg
anwesend. Wie er es macht, wurde er natürlich gefragt. Mensch braucht
ihn nur persönlich zu erleben, dann versteht mensch es. Mit freundlicher
Ausstrahlung hat er in den Gesprächen auf jede Frage ruhig geantwortet,
und wenn ihm eine nicht so gefiel, auf humorvolle Weise mit einem
längeren Umweg seine Sicht vermittelt. Steve McCurry inszeniert (fast)
nicht, er wartet auf den richtigen Moment. Er arbeitet nicht nach einem
festen Schema: "Ich komme aus der Tür und fange an zu arbeiten". Er
beginnt mit ruhiger Freude, die oft einen meditativen Charakter hat. Es
gibt keine tägliche Routine, höchstens einen Rhythmus: Günstig ist es,
früh zu beginnen, damit noch das weiche Licht da ist ("so wie jetzt in
Wolfsburg, das wäre ein perfektes Licht"). Er spricht die Menschen nicht
verbal an, aber nimmt doch mit ihnen Kontakt auf: "Ich begegne ihnen
mit Respekt, normalerweise warte ich einfach ab, sie bekommen ein Gespür
von dem, der da steht und wartet, und ich wäge ihre Empfindung und
bringe sie mit meinem Gespür ins Gleichgewicht (Versuch einer
sinngemäßen Übersetzung "I usually wait, they have a sense, I can weigh
the sense")"
Mein Rat: Versäumen Sie diese Ausstellungen nicht! Am kommenden Wochenende, Freitag bis Sonntag, ist noch Gelegenheit die beiden Ausstellungen zu besuchen.
Und noch eine Bemerkung aus persönlicher Sicht: Während einer Lesung in Hannover konnte mensch einer dritten Persönlichkeit begegnen, die das vorurteilslose Wahrnehmen geübt hat und in ihrer künstlerischen Arbeit zum Ausdruck bringt:
Christoph Ransmayr, geb. 1954 in Wels/Oberösterreich. Am 23. Januar 2013 hat er sein Buch mit dem scheinbar widersprechenden Titel "Atlas eines ängstlichen Mannes" im Literaturhaus Hannover vorgestellt. Weitere Informationen gibt es auf der Seite des Literaturhauses.Dieses Buch können Sie auch nach Ende der Ausstellungen beliebig lange lesen. Ich empfehle es!
Fotos, von oben: (C) Anne Selders, 2010; eigenes Foto von der Pressekonferenz, (C) Helge Mücke, Hannover