übler Gluxgi

Die 19 jährige junge Frau, legt mir etwas apathisch das Rezept hin. Es ist für Tegretol.

Sie ist das erste Mal bei uns, weshalb ich ein paar Sachen frage (“Nehmen Sie noch andere Medikamente, haben Sie Allergien …?”)

Die Reaktion darauf ist … seltsam: Blick weiter ins Leere und keine Antwort. Sie gluckst nur fast regelmässig vor sich hin. Tegretol (Carbamazepin) ist ein Medikamente gegen Epilepsie. Epilepsie kann Wesensveränderungen machen, aber irgendwie …?

Da kommt ihre Mutter dazu und die redet mit mir.

Normalerweise ist die Tochter nicht so. Aber sie ist offenbar sehr erschöpft. Die Tochter braucht das Tegretol nicht gegen Epilepsie, sondern gegen unbehandelbaren Gluxgi. (Schluckauf für meine deutschen Leser)

Die Welt macht wieder Sinn.

Singultus ist übrigens der Fachausdruck für Schluckauf. Den kennt ja wohl jeder von uns aus eigener Erfahrung. Meist ist das auch nicht schlimm, hört er doch von selber wieder auf. Den längsten Gluxgi den ich hatte, war etwa 4 Stunden. Das war schon anstrengend. So ist vorstellbar, wie das ist, länger als 48 Stunden Schluckauf zu haben – dann sollte man zur Abklärung zu einem Arzt. Chronisch kann er auch werden – der längste dokumentierte Hixgi dauerte laut Guiness-Buch der Rekorde 70 Jahre! Vom Alter 29 bis 1 Jahr vor dem Tod des Patienten.

Ausgelöst werden kann der Singultus durch Magenüberdehnung (zu rasches Essen, Trinken von Blöterliwasser), zu kalte oder zu warme Speisen und Getränke, Alkoholeinnahme. Psychische Einflüsse wir Erschrecken, Angst, Lachen, Aufregung begünstigen das Auftreten.

Es können aber – vor allem bei chronischem Schluckauf auch Störungen des Zentralnervensystems vorliegen: Tumor oder Verletzung im Hirnstamm, Gefässveränderungen, Infektionen. Auch Fremdkörper im Ohr beim Trommelfell oder Halsentzündungen sind mögliche Ursachen. Medikamente können das auslösen (Diazepam, Alpha-Methyldopa, Barbiturate, Dexamethason).

Wenn man auch nachts beim Schlafen Schluckauf hat, deutet dies auf eine organische, nicht eine psychische Ursache hin.

Wenn man eine Ursache findet, dann sollte man diese natürlich zuerst behandeln. Oft bleibt er aber idiopathisch: das heisst, man findet keine Ursache.

Dazu gibt es eine Vielzahl von überlieferten nicht-medikamentösen Therapien …  Gelegentlich scheinen diese dazu angetan, wenn schon nicht den Glucksger zu heilen, so doch die Umgebung zu amüsieren:

  • Gurgeln mit (Salz-)Wasser.
  • Trinken von der gegenüberliegenden Seite eines Glases.
  • Einnahme eines mit Essig oder Zitronensaft getränkten Würfelzuckers.
  • Niesen
  • 3x leer Schlucken
  • Atem anhalten,
  • Rückatmung in einen Beutel
  • Mit den Fingern in den Ohren wackeln

… (kennt ihr noch mehr, das hilft?)

Wenn das nichts nützt und der Glucksgi ist schon länger, gibt es Medikamente, die man versuchen kann (hauptsächlich „Off label use“ – in der Packungsbeilage findet man das nicht.) Z. Bsp. Chlorpromazin, Metoclopramid, Baclofen, Haloperdiol, und die Antiepileptika: Valproat, Gabapentin und Carbamazepin (eben das Tegretol).

Da das alle ziemlich … heftig wirkende Sachen sind, ist es wichtig, dass man vorher alle nötigen Abklärungen macht.

Die Mutter der jungen Frau meinte nur: “Wir versuchen alles, was helfen kann.”


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