Die Arbeitnehmerin wurde von der Arbeitgeberin zum 15. Februar 2018 als kaufmännische Angestellte eingestellt. Eine Probezeit von 6 Monaten wurde vereinbart.
Nur 2 Tage später wurde der Arbeitnehmerin in einer Bar von entfernten Bekannten gegenüber geäußert, dass ein Mitarbeiter der Arbeitgeberin, nämlich der Herr S. (Vater des Geschäftsführers), angeblich ein verurteilter Vergewaltiger sein soll. Diese Behauptung war aber falsch, was die Arbeitnehmerin nicht wusste.
Im Anschluss an diese Unterhaltung hatte die Klägerin nichts besseres zu Tun als den erfahrenen Klatsch und Tratsch zu sofort verbreiten.
Dazu schrieb Sie eine Arbeitskollegin per Whatsup an, die sie erst seit 2 Tagen kannte (!), und schrieb u.a. :
„Ich weiß nicht, ob es stimmt, aber er [Herr S) soll ein verurteilter Vergewaltiger sein, deswegen will ganz L. nichts mehr mit ihm zu tun haben.“
„Ja gibt’s da irgendein Urteil oder so und wann soll das denn gewesen sein ?“
„Keine Ahnung, das haben die Leute nicht dazu gesagt, aber ganz EHRLICH für so jemanden werde ich nicht arbeiten.“
„So was ist schon eine krasse Behauptung.“
„Das haben mir mehrere Leute unabhängig von einander erzählt.“
„Ich weiß es auch nicht, aber die Leute, die mir das erzählt haben, haben noch nie Mist erzählt. Bin auch schockiert gewesen, als ich das gehört habe. Hab sogar kurzzeitig überlegt, ihn mit den Behauptungen zu konfrontieren.“
Und es kam, wie es kommen musste …
Die Arbeitskollegin nahm noch an dem Tag, an dem sie von der Arbeitnehmerin von den falschen Behauptungen Kenntnis erhielt, telefonisch Kontakt zum Geschäftsführer der Beklagten auf und führte dann unter Anwesenheit des Vaters des Geschäftsführers ein Gespräch, in welchem Sie die Behauptungen der Arbeitnehmerin offenbarte.
Der Geschäftsführer der Arbeitgeberin kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis mit der Arbeitnehmerin außerordentlich am Montag, den 19. Februar 2018, und hilfsweise ordentlich zum 6. März 2018.
Die Arbeitnehmerin/ Klägerin wehrte sich gegen die außerordentliche Kündigung mittels Kündigungsschutzklage und trug vor, dass diese Anlass zur Sorge gehabt hätte und zudem habe sie auf die Vertraulichkeit des Wortes vertraut.
Das Arbeitsgericht gab der Kündigungsschutzklage statt, soweit sie sich gegen die außerordentliche Kündigung richtete. Nach Ansicht des Arbeitsgerichts läge kein Kündigungsgrund vor.
In der Berufungsinstanz – Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Urteil vom 14.3.2019, 17 Sa 52/18 – verlor dann die Arbeitnehmerin.
Das LAG Baden-Württemberg führte dazu aus:
…..
Ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung kann insbesondere vorliegen, wenn der Arbeitnehmer zu Lasten eines Vorgesetzten den Tatbestand der üblen Nachrede (§ 186 StGB) erfüllt. Die Begehung von (Ehr-)Delikten zu Lasten des Arbeitgebers oder zu Lasten von Vorgesetzten ist grundsätzlich geeignet, einen die fristlose Kündigung „an sich“ rechtfertigenden Grund darzustellen. Dabei kommt es nicht auf die strafrechtliche Wertung an, sondern darauf, ob dem Arbeitgeber deswegen nach dem gesamten Sachverhalt die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses noch zuzumuten ist (BAG, 21. April 2005 – 2 AZR 255/04). Mit der Begehung einer Straftat verletzt der Arbeitnehmer zugleich in schwerwiegender Weise seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) und missbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen. Ein solches Verhalten kann auch dann einen wichtigen Grund im Sinn des § 626 Abs. 1 BGB darstellen, wenn die rechtswidrige Handlung zu einem nur geringfügigen, möglicherweise zu gar keinem Schaden geführt hat (BAG, 10. Juni 2010 – 2 AZR 541/09; Rn. 26).
..
Gegenüber der einfachen Beleidigung ist die üble Nachrede zwar nur in den Fällen, in denen der Täter sie öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften begeht, mit höherer Strafe bedroht. Aber sie ist bei abstrakter Betrachtung das Delikt mit dem höheren Unrechtsgehalt (vgl. Hilgendorf in: Laufhütte u.a., StGB Leipziger Kommentar, 12. Aufl. 2009, Rn. 2 zu § 186 StGB): im Vergleich zum unsubstantiierten Werturteil (z.B. Bezeichnung als „Idiot“) hat die gegenüber einem Dritten abgegebene Tatsachenäußerung als motiviertes Urteil mehr Gewicht. Das Werturteil ist in seiner Suggestivkraft vom Prestige des Täters abhängig. Tatsachen hingegen sprechen für sich. Deshalb ist es stärker als das Werturteil oder die Meinungsäußerung geeignet, den Kundgabeempfänger gegen den Betroffenen einzunehmen (vgl. Hilgendorf in: Laufhütte u.a., StGB Leipziger Kommentar, 12. Aufl. 2009, Rn. 2 zu § 186 StGB). Im Interesse eines wirksamen Ehrenschutzes bedroht das Gesetz in § 186 StGB die ehrenrührige Tatsachenbehauptung nicht erst mit Strafe, wenn sie unwahr ist, sondern schon dann, wenn sie „nicht erweislich wahr“ ist.
..
Die Klägerin verbreitete über WhatsApp die objektiv unzutreffende Behauptung, Herr R. S. sei ein verurteilter Vergewaltiger. Diese Behauptung stellt eine ehrenrührige Behauptung dar, die zudem geeignet ist, den Betroffenen in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. Dass es sich bei der Behauptung um eine ehrenrührige Behauptung handelte, war der Klägerin bewusst. Dies ergibt sich bereits aus ihrer Formulierung „und deshalb will ganz L. mit ihm nichts mehr zu tun haben.“, dem gesamten Verlauf der Chat-Unterredung und aus ihrer Entscheidung heraus, wegen dieses Umstandes nicht mehr für die Beklagte arbeiten zu wollen.
…
Nicht der Wahrnehmung berechtigter Interessen dienen Äußerungen, die lediglich der Freude am Klatsch, der Befriedigung menschlicher Neugier und der Erregung von Sensationen dienen (Schönke/Schröder/Eisele/Schittenhelm, 30. Aufl. 2019, StGB § 193 Rn. 9). Zugunsten der Klägerin kann unterstellt werden, dass sie in Sorge um ihr eigenes Wohl war und sich als Frau an ihrem Arbeitsplatz in der Firma nicht mehr sicher fühlte, nachdem sie von der Behauptung gehört hatte, Herr R. S. sei ein verurteilter Vergewaltiger. Sie könnte mit der Weitergabe der Behauptung gegenüber ihrer Kollegin, Frau S. D., versucht haben, sich Klarheit über den Wahrheitsgehalt der Behauptung zu verschaffen. Für eine derartige Klärung der Faktenlage ist jedoch eine Kollegin nicht unbedingt die geeignete Ansprechpartnerin. Darüber hinaus hatte sich die Klägerin zum Zeitpunkt des Chats mit ihrer Kollegin bereits entschieden, nicht mehr weiter für die Beklagte arbeiten zu wollen. Stand ihr Entschluss fest, ist kein berechtigtes Interesse mehr erkennbar, weshalb die Klägerin das Gerücht in Wahrnehmung berechtigter Interessen verbreiten können soll. Die Sorge um das eigene Wohl und das Wohl einer Kollegin rechtfertigt nicht das Verbreiten des Gerüchtes, denn das Verbreiten des Gerüchts ist per se nicht geeignet, die eigene Sicherheit oder auch nur das von ihr empfundene Sicherheitsgefühl zu verbessern. Außerdem versuchte sie, auch die Kollegin dazu zu bringen, die Arbeit im Betrieb der Beklagten zu beenden.
Fazit: Auch Klatsch kann bestraft werden, was hier richtigerweise erfolgt ist. Wer nichts besseres zu tun hat als 2 Tage nach Arbeitsaufnahme – ohne jeglichen Nachweise – Behauptungen über Arbeitskollegen zu verbreiten, muss mit einer außerordentlichen Kündigung seines Arbeitsverhältnisses rechnen.
Rechtsanwalt Andreas Martin – Fachanwalt für Arbeitsrecht