Überzahlung durch den Arbeitgeber – muss der Arbeitnehmer dies mitteilen, sonst Strafbarkeit (Betrug)?

Der Fall der Lehrerin aus NRW, welche über Überzahlung von € 237.000 erhalten hatte, macht derzeit Schlagzeilen. Die Medien berichteten hier über das Strafverfahren, dass von der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts des Betruges gegen die Beamtin eingeleitet wurde. Die Staatsanwaltschaft und wohl auch das Amtsgericht Düsseldorf sahen hier einen möglichen Betrug, da  die Lehrerin gegenüber ihren Dienstherrn (NRW) verpflichtet gewesen wäre, die Überzahlung anzuzeigen.

Betrug – Überzahlung nicht angezeigt?

Es stellt sich die Frage, ob auch ein „normaler“ Arbeitnehmer bei einer Überzahlung durch seinen Arbeitgeber dazu verpflichtet ist, diese anzuzeigen oder nicht? Macht sich der Arbeitnehmer dann strafbar, wenn er dies nicht tut?

Betrug durch aktives Handeln des Arbeitnehmers

Täuscht der Arbeitnehmer den Arbeitgeber (z.B. über die Arbeitszeit / geleistete Überstunden) und kommt es dann zu einer Auszahlung aufgrund dieser Täuschung an den Arbeitnehmer, dann liegt ein Betrug im Sinne des § 263 I StGB vor. Hier handelt der Arbeitnehmer aktiv. In der Regel liegt damit auch ein außerordentlicher Kündigungsgrund (§ 626 I BGB) vor.

Betrug durch ein Unterlassen des Arbeitnehmers

Die häufigsten Fälle der Überzahlung durch den Arbeitgeber sind aber durch einen Fehler im Bereich des Arbeitgebers bedingt. Seitens der Arbeitgebers wird z.B. durch ein Fehler der Buchhaltung eine Überzahlung des Lohnes veranlasst. Hier hat der Arbeitnehmer die Überzahlung nicht veranlasst und auch nicht den Arbeitgeber getäuscht. Ein Betrug kommt nur dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer verpflichtet ist auf die Überzahlung des Lohnes hinzuweisen und dies nicht macht.

Aufklärungspflicht des Arbeitnehmers besteht im Normalfall nicht

Zu einer solchen Aufklärung gegenüber dem Arbeitgeber ist der normale Arbeitnehmer nicht verpflichtet, es sei denn das eine entsprechende Vereinbarung vorliegt. Eine solche Verpflichtung ergibt sich im Normalfall auch nicht aus dem Arbeitsvertrag. Allenfalls, wenn eine Vermögensschutzpflicht sich aus dem Arbeitsverhältnis ergibt, muss der Arbeitnehmer die Überzahlung aufklären.

Dazu führt das OLG Celle (Beschluss vom 09.02.2010, 32 Ss 205/09 ) aus:

Das Landgericht hat seine Feststellungen rechtsfehlerfrei erschöpfend getroffen und ist im Ausgangspunkt zutreffend zu der rechtlichen Bewertung gelangt, dass eine Betrugsstrafbarkeit des Angeklagten durch positives Tun ausscheidet und allenfalls ein Betrug durch Unterlassen in Betracht kommt, der gemäß §§ 263 Abs. 1, 13 Abs. 1 StGB aber voraussetzt, dass dem Angeklagten eine Einstandspflicht dafür trifft, dass ein Vermögensschaden bei dem Taubblindenwerk nicht eintritt (sogenannte Garantenpflicht).

Im Ausgangspunkt ist anerkannt, dass eine Garantenpflicht zur Aufklärung über Zuvielleistungen eines Vertragspartners nur ausnahmsweise bestehen kann. Denn grundsätzlich fällt es in den Risikobereich des Leistenden, ob die Schuld besteht und ob die Leistung einen bestehenden Anspruch übersteigt (siehe insbesondere BGH NJW 1994, 950, 951. für das Arbeitsverhältnis auch LAG München, Urteil vom 3. November 2006, 9 Sa 56/06, juris). Deshalb stellt das Schweigen nach Annahme der Leistung regelmäßig nur die Ausnutzung eines Irrtums dar und ist nicht strafbar (BGH a. a. O.).

Strafbar kann ein solches Schweigen oder Unterlassen nur sein, wenn der Unterlassende aufgrund einer besonders begründeten Einstandspflicht gerade für die vermögensrechtliche Entscheidungsfreiheit des anderen sozusagen auf Posten gestellt ist (BGH a. a. O.).

a) Eine solche Einstandspflicht kann insbesondere durch ausdrückliche vertragliche Vereinbarung von Schutzpflichten begründet werden. Das ist aber vorliegend nach den Feststellungen des Landgerichts gerade nicht der Fall. Auch aus der Art des Arbeitsverhältnisses lässt sich eine derartige Pflicht offensichtlich nicht herleiten. Denn der Angeklagte ist im Betreuungsdienst insbesondere als Nachtwache im Taubblindenzentrum F. tätig, womit besondere Vermögensschutzpflichten im Interesse des Arbeitgebers offensichtlich nicht verbunden sind.

Zusammenfassung:
Beruht die Überzahlung auf einen Irrtum des Arbeitgebers,den der   Arbeitnehmer nicht herbeigeführt hat, dann besteht in der Regel keine Verpflichtung des Arbeitnehmers die Überzahlung dem Arbeitgeber anzuzeigen und er macht sich von daher auch bei nicht vorgenommener Anzeige nicht strafbar. Ein Betrug liegt nicht vor, da keine Aufklärungspflicht besteht.

Rechtsanwalt Andreas Martin



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