„Übermittelt" oder „Veröffentlicht"?

Erstellt am 27. Oktober 2010 von Simsinger

Im Gutachten "Modernisierung des Datenschutzrechts" im Auftrag des Bundesministeriums des Innern, verfasst im Jahr 2001 von Alexander Roßnagel, Andreas Pfitzmann und Hansjürgen Garstka, wurden erstmals umfassende Vorschläge zu einer Anpassung des Rechts an die neuen Gegebenheiten elektronischer Vernetzung gemacht, die mit den Begriffen Globalität, Virtualität, Konvergenz und Intransparenz beschrieben werden können. Die Vorschläge wurden aber über viele Jahre hinweg nicht weiterverfolgt.Nun liegen Vorschläge des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD) zur Regulierung personenbezogener Internetdatenveröffentlichungen vor:
Gesetz zur Regulierung von Internetveröffentlichungen im Bundesdatenschutzgesetz (Stand 27.10.2010)
https://www.datenschutzzentrum.de/internet/20101027-gesetzentwurf-internetveroeffentlichungen.html
Der Entwurf formuliert die wichtigsten Leitlinien, die bei einer spezifischen Konkretisierung, etwa über eine regulierte Selbstregulierung, beachtet und konkretisiert werden können und müssen. Insofern greift er die Eckpunkte des Bundesministeriums des Innern anlässlich des Spitzengesprächs "Digitalisierung von Stadt und Land" vom 20.09.2010 auf.
Ich greife hier mal nur zwei Änderungen heraus, ich empfehle aber den gesamten Text unter dem Link weiter oben zu lesen.

Zu 2. Änderung des § 3 Abs. 1 (Sachbezogene Daten)
Durch die verstärkte Erfassung von Sachdaten, zu denen ein Personenbezug hergestellt werden kann, z. B. über das "Internet der Dinge" (z. B. Smartphones, "intelligenter Haushalt") oder über die Erfassung von Sachen (z. B. auch Kfz, Häuser, Grundstücke) als Inhaltsdaten von Internetveröffentlichungen, ist eine Unsicherheit bei der Abgrenzung von Personen- zu reinen Sachdaten entstanden. Die Art.-29-Datenschutzgruppe der Europäischen Union hat hierzu eine Stellungnahme erarbeitet, bei der nicht auf die theoretische Personenbeziehbarkeit eines Sachdatums abgestellt wird, sondern darauf, ob das Sachdatum in einem Kontext zu einer natürlichen Person steht bzw. funktionell gestellt werden kann und dadurch eine persönlichkeitsrechtliche Relevanz besteht. Die Art.-29-Gruppe stellt ab auf den 1. Ergebniskontext, 2. Zweckkontext oder 3. Inhaltskontext (Art. 29-Datenschutzgruppe, Stellungnahme 4/2007 v. 20.06.2007, WP 136). Der Gesetzestext setzt diese Erwägungen gesetzlich um.
Zu 3. Ergänzung des § 3 Abs. 4 (Begriff des Veröffentlichens)
Bisher wird die Bereitstellung von personenbezogenen Daten an eine unbestimmte Zahl von Empfängern unter den Begriff des "Übermittelns" subsumiert (BVerfG NJW 1988, 2031; weitere Nachweise bei Weichert in Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, BDSG, 3. Aufl. § 3 Fn. 46). Die Anwendung dieses Übermittlungsbegriffs hatte zur Folge, dass mit der Praxis der Veröffentlichung personenbezogener Daten in elektronischen Netzen, insbesondere im Internet, eine Vielzahl von Übermittlungsregelungen praktisch nicht mehr anwendbar sind, will man nicht diese Veröffentlichung rechtlich vollständig ausschließen. Die gilt insbesondere für die Einrichtung automatisierter Abrufverfahren (§ 10) sowie die materielle Regelung des § 29 Abs. 2 zur Datenverarbeitung zum Zweck der Übermittlung. Der BGH zog unter Berufung auf Art. 5 GG in seinem Spickmich-Urteil diese Konsequenz und begründete aus Grundrechtserwägungen die praktische Nichtanwendbarkeit des § 29 Abs. 2 in dem praktisch äußerst relevanten Bereich der Meinungsäußerung im Internet (BGH NJW 2009, 2888 – Spickmich). Diese Nichtanwendbarkeit stellt letztlich die Übermittlungsregelungen generell in Frage. Durch die Einführung des Begriffs des Veröffentlichens wird diese Form der Datenverarbeitung nun einem eigenständigen Regime unterworfen und begrifflich vom "Übermitteln" getrennt. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) löste das Problem der praktischen Nichtdurchsetzbarkeit der Übermittlungsregeln dadurch, dass er bei Internet-Veröffentlichungen die Anwendungen des Begriffs Übermittlung leugnete, ohne aber eine eigenständige Regelung abzuleiten (EuGH RDV 2004, 16). Mit der Schaffung des neuen § 29a wird diese Lücke gefüllt.