Man sollte wissen, dass es zahllose Chöd-Praktiken gibt. Grundsätzlich ist in jedem Terma eine zu finden. Ebenso sollte man zur Kenntnis nehmen, dass das Chöd zu zwei Linien gehört und zwar jene, die in der Schule der ursprünglichen Überlieferung – der Kama-Linie – gegründet ist, wie auch jene der Terma-Linie. Die Kama-Linie ist die ursprüngliche Linie von Buddhas Belehrungen, die nach Tibet gebracht wurden. Chöd begann mit der zweiten Drehung des Dharma-Rades, als Buddha die Transzendentale Weisheit – Prajnaparamita – lehrte. Der Hauptschüler, der die zweite Drehung des Dharma-Rades kommentierte, war Nagarjuna. Er schrieb viele Kommentare über die Natur der Leerheit. Sein Hauptschüler war Aryadeva und aus dieser Linie kam Padampa Sangye, der nach Tibet reiste und seine Hauptschülerin, Machig Lapdrön – eine Frau und berühmte Emantation von Tara – traf. Er gab ihr alle Chöd-Übertragungen und sie verbreitete diese in ganz Tibet. Bis heute ist die Kama-Linie eine ungebrochene Linie vom Lehrer zum Schüler. Zuerst vollendete der Schüler die Belehrung und dann, als Lehrer, gab dieser sie weiter an den nächsten Schüler und so fort. Es ist eine lange Linie, aber sie stammt vom Buddha ab.
Die Terma-Linie wurde von Guru Rinpoche nach Tibet gebracht. Dennoch ist Guru Rinpoche auch mit der Kama-Linie verbunden, weil er in Indien studierte ein indischer Heiliger war, der mit Arya Nagarjuna und Aryadeva studierte. Später brachte er das Wissen nach Tibet, wo er zu dieser Zeit die Terma-Linie, die Linie der geoffenbarten und wiederentdeckten Schätze, schuf. Er lehrte seine Hauptschüler und gab ihnen Praktiken, durch die sie selbst die Verwirklichung erlangten. Zu dieser Zeit wurden die Ritualtexte, die er ihnen gab, entweder in ihrem Geist oder in Tibet in der Erde, den Felsen, den Flüssen, Seen oder sonst wo verscharrt. Dann prophezeite er, dass jeder von diesen Schülern über Jahrhunderte wiedergeboren werden würde und spezielle Termas offenbaren würde, die für passend für die fühlenden Wesen zu dieser Zeit sein würden.
Diese Termas beinhalten viele verschiedene Chöd-Praktiken und sie wurden entsprechend der Prophezeiungen gehoben. Im Laufe der Zeit wurden viele Terma-Chöd-Linien gegründet, wie die Chakgong, die Nyingthig usw. Jetzt stehen den Nyingmapas diese Terma-Linien etwas näher als die Kama-Linie, aufgrund von Guru Rinpoche und seinen Schülern, die diese Termas gehoben hatten und sie direkt weitergegeben haben. Daher gibt es in der Terma-Linie keine lange Lehrer-Schüler-Linie, wie sie in der Kama-Linie vorgefunden wird. Die Terma-Linie wird als sehr rasch und sehr nahe angesehen. Ihr Segen ist sehr frisch und wurde nicht verwässert. Mit welcher Linie aber man auch zusammentrifft, sie gehört immer zu den Kama- und Terma-Linien.
Die wichtigste Sache ist zu wissen, dass die Belehrungen vom Buddha herkommen. Darüber braucht man keinen Zweifel haben. Manchmal mag man denken: „Oh, dies ist eine Praxis, die irgendein Lama erfunden hat.“ Oder: „Das ist Lamaistisch.“ Oder: „Das wurde in Tibet entwickelt und hierher gebracht.“ Dies ist jedoch nicht der Fall. Wenn der Lama ein reiner Linienhalter ist, kann man sicher sein, dass die Praxis, die er/sie gibt, eine reine Praxis ist, die vom Buddha verkündet wurde, und dass dies auch vollständig dokumentiert ist. Im Chöd ist die Hauptgottheit Yeshe Tsogyal oder Tröma Nakmo. Die schwarze Dakini als weibliche Weisheitsenergie ist in diese Praxis eingebunden. In einigen Texten ist die Dakini rot oder schwarz oder zuerst rot und dann schwarz. Manchmal hält sie eine geschwungene Klinge in ihrer rechten Hand, manchmal hat sie ein Damaru in der rechten und eine Schenkelknochentrompete in der linken Hand. Manchmal hält sie eine gebogene Klinge in der rechten Hand und eine Schädelschale in der linken. Als eine Dakini ist sie Ausdruck der göttlichen Weisheit. Wenn sie in rot erscheint, dann ist sie friedvoller. Wenn sie in schwarz erscheint, ist sie mehr zornvoll. Wie auch immer ist das Zornvolle die Intensität ihres Mitgefühls und ist kein Ärger. Sie ist die Mutter oder Quelle aller Buddhas, genannt Prajnaparamita oder Transzendente Weisheit.