Überleben in der Wildnis Alaskas: ‘The Grey’

Von Denis Sasse @filmtogo

© Universum - Wölfe machen es den Überlebenden in der Wildnis Alaskas nicht unbedingt einfach

Es sind die unterschiedlichsten Bedingungen, unter denen sich diverse Hollywood-Stars bereits in den Survival-Mode begeben haben um, entweder auf sich allein gestellt oder in der Gruppe, den Grausamkeiten von Mutter Natur zu trotzen. Gerne erinnern wir uns zurück an die einseitigen Gespräche von Tom Hanks mit seinem Volleyball „Wilson“ in ‘Cast Away – Verschollen’. Einsame Inseln, das weite Meer (‘Open Water’ von 2003) oder die Sahara (‘Der Flug der Phoenix’ von 1965) wurden alle schon als beliebtes Reiseziel für den Survival-Film gewählt. Aber als Favorit der Filmemacher gilt immer noch die Wildnis Alaskas. Hier durften sich schon Emile Hirsch in Sean Penns viel gelobter Regiearbeit ‘Into the Wild’ sowie Alec Baldwin und Anthony Hopkins in dem 1997er Film ‘Auf Messers Schneide’ austoben. Basierend auf der Kurzgeschichte „Ghost Walker“ von Ian MacKenzie Jeffers, muss in ‘The Grey’ nun auch Liam Neeson unter der Regie von Joe Carnahan die unschöne Bekanntschaft mit der Wildnis Alaskas machen und stößt dabei auf ein erbarmungsloses Rudel Wölfe.

John Ottway ist in Alaska bei einem Ölunternehmen angestellt und soll dort die Bohrarbeiter vor wilden Tieren schützen. Er und sein Trupp Männer befinden sich auf dem Rückflug in die Heimat, als ihr Flugzeug in einen heftigen Sturm gerät und in der Wildnis abstürzt. Eisige Kälte empfängt die Männer in einer scheinbar unendlichen Schnee-Hölle. Die acht Überlebenden versuchen sich in Richtung Süden durchzuschlagen. Neben Hunger und Kälte wird ein Rudel Wölfe zu ihrem größten Problem, in dessen Jagdrevier das Flugzeug abgestürzt ist.

Liam Neeson als Ottway und Ben Bray als Hernandez

Wie gut, dass Liam Neeson an Bord des Flugzeugs war. Mit ihm haben die in der Wildnis gestrandeten Männer einen rauen Überlebenskünstler an ihrer Seite, der sich von dem ständigen Wolfsgeheul nicht so schnell aus der Ruhe bringen lässt. Bereits in den ersten Szenen von ‘The Grey’ erfahren wir allerdings, dass der Jäger ein zurückgezogen lebender Einzelgänger ist, der am Tage wie auch in der Nacht von Träumen geplagt wird, in denen er weiterhin an der Seite seiner verstorbenen Frau weilt. Die ruhige Konzentrationsfähigkeit, die Ottway an den Tag legt, kommt ihm später sehr zu Gute. Er gerät nicht in Panik, sondern ist der Analytiker der Gruppe, der nach Plan vorgeht um die eigene Rettung möglichst effektiv zu gestalten. Das seine Weggefährten, bestehend aus ehemaligen Verbrechern, Herumtreibern und Arschlöchern, sich dabei weniger geschickt anstellen, dafür kann er nichts. Innerhalb ihrer aussichtslosen Situation wird der zu Beginn noch von Selbstmordgedanken geplagte Mann zum Überlebenskünstler. Liam Neeson beweist mal wieder, dass er mit grimmiger Miene und harter Gangart nicht nur die Idealbesetzung für historische Figuren wie Alfred Kinsey, Michael Collins oder Oskar Schindler ist.

Ottway stellt sich nicht nur dem Kampf mit den Wölfen, sondern auch seiner Umwelt. Ganz gleich ob in finsterer Nacht oder bei durch den Schnee entstehendes grell-weißes Tageslicht, die Sichtverhältnisse in dieser Umgebung bleiben oftmals höchst gering. Hier dann auch noch die jagenden Wölfe auszumachen gestaltet sich als fast unmöglich. Die einzige Wärme die in diesen Bildern liegt, kommt aus den Rückblenden Ottways, in denen er im Bett liegend neben seiner Frau gezeigt wird. Aber auch hier geht die Wärme mehr aus den Gefühlen hervor, als aus den Farben. Denn der Film, so dezent blutig er auch ist, nutzt vor allem die rote Farbe des Blutes um markante Bilder zu erzeugen. Zu diesen Bildern gesellt sich ebenso unterkühlte Musik von Marc Streitenfeld, der bereits mehrmals für Regisseur Ridley Scott einen einprägsamen Score komponiert hat (für ‘American Gangster’, ‘Der Mann, der niemals lebte’, ‘Robin Hood’ sowie ‘Prometheus’). Umso auffallender ist es, wenn die Musik dann mal verstummt, kein Wolfsgeheul und keine Sturmgeräusche mehr zu hören sind und wir in die dumpfe Wahrnehmung der Überlebenden getaucht werden. Ein leichtes Dröhnen, welches seine Wirkung in Zusammenarbeit mit der Ödnis der Landschaft zum Höhepunkt der Verzweiflung treibt.

Liam Neeson

Die menschenfressenden Wölfe, so sehr sie auch eine reale Bedrohung darstellen, entwickeln so manches Mal allerdings eine fast übernatürliche Präsenz, bei der die Zuschauer sich wie in einem Werwolf-Film fühlen werden. Damit stellt Regisseur Joe Carnahan, der bereits in ‘The A-Team’ mit Liam Neeson zusammen arbeitete, zwei Rudel fast identisch gegenüber. Auf der einen Seite hat er die jagenden Wölfe, deren Verhaltensmuster sich gar nicht so sehr von einer Gruppe jagenden Menschen unterscheidet. Auf der anderen Seite sehen wir Ottway mit seinen Männern, wie sich nach anfänglicher Verzweiflung den Wölfen den Krieg erklären und damit selbst ihren Jagdinstinkten nachgehen. Wolf versus Mensch wird hier fast ebenbürtig in Szene gesetzt, wobei die jeweiligen Rudel sogar beim gegenseitigen fressen der Feinde gezeigt werden – nach dem ersten erlegten Wolf wird dieser über dem Lagerfeuer zum Siegesmahl gebraten. Und am Ende, wenn bereits eine lange, zermürbende Odyssee hinter Liam Neeson liegt, mobilisiert der Rudelführer der Menschen noch einmal seine letzten Kräfte, bevor er die Konfrontation mit dem Rudelführer der Wölfe sucht.

‘The Grey’ zeigt endlich wieder einen Liam Neeson, der sich nicht nur für Kurzauftritte in Filmen wie ‘Battleship’ oder ‘Zorn der Götter’ hergibt, sondern all seine schauspielerische Kraft entfaltet. Im Kampf mit der Natur schlägt er sich außerordentlich gut, auch wenn seine Begleiter nur als blasses Beiwerk und Opfer herhalten mussten. Aber sie alle eint die stets präsente, ganz menschliche Angst, selbst vom Jäger zum Gejagten zu werden und nicht mehr am oberen Ende der Nahrungskette zu stehen. Die Manifestation dieser Angst ist es, die ‘The Grey’ so sehenswert macht.

Denis Sasse


‘The Grey‘