Überforderung in Deutschlands Pflegeheimen – ein neues Konzept entsteht

Missstände in deutschen Pflegeheimen

Spätestens seit den Undercover-Recherchen und Enthüllungen des Journalisten Günter Wallraff, des gelernten Altenpflegers Markus Breitscheidel und anderen ähnlich schockierenden Publikationen ist einer breiteren Öffentlichkeit bekannt, dass viele deutsche Altenheime keine schönen Orte zum Altwerden und Verbringen des letzten Lebensabschnitts sind. Vernachlässigungen und Auswüchse wie stundenlanges Liegen im eigenen Urin, zu wenig Essen und Trinken, körperliche Misshandlungen, Zwangsfütterungen, Ruhigstellung von Dementen mit Medikamenten und ähnliche skandalöse Missstände sind weitaus häufiger an der Tagesordnung, als sie entdeckt werden und an die Öffentlichkeit gelangen. Die Erfahrung einiger weniger Betroffener hat gezeigt, dass oftmals sogar hinter allerschönsten Fassaden Altenheimbewohner bis zum völligen Dahinsiechen vernachlässigt und ihrer Menschenwürde beraubt werden.

Auf der anderen Seite werden die Altenpfleger als Arbeitskräfte ausgebeutet. Nur allzu häufig sind die meist viel zu wenigen Pflegekräfte zeitlich völlig überfordert und haben kaum jemals genügend Zeit, um sich ausreichend um die ihnen anvertrauten alten Menschen zu kümmern. Viele von ihnen arbeiten bis an den Rand der physischen und psychischen Erschöpfung und sind dabei völlig unterbezahlt. Menschenunwürdige Verhältnisse, Frustration und Resignation herrschen auf beiden Seiten – sowohl bei den Heimbewohnern wie bei deren Pflegern. Die meisten Pfleger sehen die Missstände durchaus realistisch. Sie würden liebend gerne vieles ändern und besser pflegen, aber ihnen sind die Hände gebunden. Durch viel zu enge Zeitvorgaben muss die Menschlichkeit zwangsläufig auf der Strecke bleiben. Die im System Gefangenen können gegen die finanziellen Interessen der verschiedenen beteiligten Akteure, die am längeren Hebel sitzen, nichts ausrichten. Wer den Knochenjob des Altenpflegers überleben will, braucht eine bärenstarke Physis und ein bärendickes Nervenkostüm.

Die Pflegebranche in Deutschland boomt schon seit Jahren in viel zu rasantem Tempo – und dabei bleiben die Alten und ihre Pfleger auf der Strecke, während die „Macher“ absahnen. Nahezu mafiöse Strukturen sorgen dafür, dass im Namen des Profits Verletzungen der Menschenwürde begangen werden, deren Eklatanz zum Himmel schreit, die man jedoch einfach in Kauf nimmt und die so gut wie nie juristisch geahndet werden. Ein unmenschliches System hat sich breit gemacht, dessen Strukturen marode sind und eigentlich seit langem dringend der Änderung bedürfen.

Nach offiziellen Angaben leiden rund 36.000 Menschen in Deutschlands Pflegeheimen häufig an Hunger oder Durst, weil kein Pfleger genügend Zeit findet, ihnen beim Essen und Trinken beizustehen. 14.000 Alte erleben täglich, dass sie ohne vorliegende Genehmigung an Bett oder Rollstuhl gefesselt werden wie Kettenhunde. Nahezu eine Viertelmillion Demenzkranker muss es tagtäglich über sich ergehen lassen, mittels Psychopharmaka ruhig gestellt zu werden. Der Alltag in den rund 11.000 in Deutschland registrierten Pflegeeinrichtungen ist weit entfernt von ideal, ganz besonders für die geistig verwirrten Menschen, die sich nicht dagegen wehren können.

Notwendigkeit von besseren Rahmenbedingungen

Nur mit besseren Rahmenbedingungen – allem voran der Einstellung von ausreichend Personal und angemessener Bezahlung der Pflegekräfte – wäre hier Abhilfe zu schaffen. Hinzu kommt, dass die Selbständigkeit älterer Menschen gefördert werden muss. Psychosoziale Betreuung ist deshalb eine weitere wichtige Forderung für Ältere, um in Würde alt werden zu können. Hier ist eine andere Politik gefragt, wenn die Deutschen weiterhin nicht nur eine extrem kinderfeindliche, sondern auch eine äußerst altenfeindliche Gesellschaft genannt werden wollen. Es muss einfach wesentlich mehr Geld zur Verfügung stehen, um die rund zweieinhalb Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland angemessen versorgen zu können.

Von den genannten Missständen ist auch die häusliche (ambulante, mobile) Krankenpflege nicht ausgenommen. Über eine Million alte Menschen werden in Deutschland daheim gepflegt. Auch hier herrschen Zeitdruck und Unterfinanzierung.

24-Stunden-Betreuung zuhause einzeln oder in Wohngemeinschaften als menschenwürdige Alternativen

Dabei gibt es schon seit Jahren eine Reihe von Ansätzen und Modellen für eine finanzierbare und menschenwürdige Altenpflege, wozu u.a. Senioren-WGs und Mehrgenerationenhäuser zählen, aber auch die 24-Stunden-rundum-Betreuung zuhause in der eigenen Wohnung.
Informationen und Angebote zur häuslichen Pflege finden Sie unter

Als geradezu ideal hat sich die 24-Stunden-Betreuung in den eigenen vier Wänden durch eine Betreuungsperson, die mit im Haus wohnt, erwiesen. Ähnlich ist auch die Alternative von Wohngemeinschaften mehrerer alter Menschen zu beurteilen, von denen bis zu drei von einer Pflegefachkraft betreut werden. Hier haben sich polnische Pflegehilfen und solche aus anderen Teilen Osteuropas besonders bewährt, nicht zuletzt weil sie zu preisgünstigen und somit leichter finanzierbaren finanziellen Bedingungen arbeiten. Aber auch, weil sie sehr viel persönliche Anteilnahme, Verständnis, Herzlichkeit und eine quasi-familiäre Atmosphäre schaffen und einbringen können und nicht unter so unmenschlichem Zeitdruck stehen wie die Altenpfleger in Altenheimen und bei öffentlichen Einrichtungen.

Die betreuende Person lebt mit dem bzw. den zu betreuenden Älteren unter einem Dach. Ihr steht ein separates Zimmer mit einer angemessenen Möblierung wie Bett, Schrank, Tisch und Sitzgelegenheit zur Verfügung. Eine solche Rückzugsmöglichkeit ist unabdingbar, sowohl für den Betreuer wie auch für den oder die Betreuten, um die Wahrung der Privatsphäre aller Beteiligten gewährleisten zu können. Es liegt auf der Hand, dass eine solche Aufgabe unter diesen Umständen viel persönlicher und intensiver gestaltet werden kann als in einem Heim oder bei der mobilen Krankenpflege.

Für eine Einzelbetreuung, wozu neben der Pflege oft auch die Haushaltshilfe gehört, fällt ein monatlicher Aufwand von mindestens 1.190,– bis 1.290,– Euro (Betreuungskräfte ohne Deutschkenntnisse) und bis zu 1.590,– Euro (Betreuungskräfte mit Deutschkenntnissen) an. Hierbei richtet sich das Honorar nach dem Leistungsaufwand und nicht nach der Pflegestufe. Die private polnische Pflegehilfe übernimmt neben der Grundpflege auch essenzielle Tätigkeiten im Haushalt wie beispielsweise Kochen und Putzen. Die polnischen oder anderen osteuropäischen Pflegekräfte werden hierbei über die EU-Regelungen vollkommen legal beschäftigt.
Die Agentur OST-PROFI vermittelt Pflegekräfte aus Polen.

24-Stunden-Betreeung in Wohngemeinschaften

Diese Art von Betreuung wird nicht von privaten oder öffentlichen Trägern geleistet. Die Verantwortung obliegt einzig und allein den Mitgliedern der betreffenden Wohngemeinschaft und eventuell noch deren Angehörigen. Bedürfnisse und Lebensgewohnheiten der Mitglieder der Wohngemeinschaft werden dabei vorrangig berücksichtigt. Jeder Mitbewohner und selbstverständlich auch die Pflegefachkraft besitzt ein eigenes Zimmer mit persönlichen Möbeln und Gegenständen. Wohn-, Ess- und Badezimmer sowie Küche werden gemeinsam benutzt. Sie dienen gleichzeitig als Orte des Austauschs und der gegenseitigen Unterstützung.
Die 24-Stunden-Betreeung samt Haushaltshilfe wird von der Pflegefachkraft gewährleistet, die als Hauptansprechpartnerin zur Verfügung steht und sich u.a. auch um gesellige und kulturelle Bedürfnisse der ihr Anvertrauten kümmert sowie sie in allen im Alltag anfallenden Problemen berät und unterstützt. Hierbei belaufen sich die Betreuungskosten beispielsweise bei drei Senioren pro Person auf 650,– Euro monatlich.


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