Mein liebstes Zeilenende hat sich – wie so oft – Gedanken über alles gemacht und auch über Vorbilder. So landete er bei Genies und Malcolm Gladwell. Der kanadische Journalist, Autor und Unternehmensberater hat ein Buch mit dem langatmigen Titel „Überflieger. Warum manche Menschen erfolgreich sind – und andere nicht“ geschrieben. Was mein liebstes Zeilenende davon hält, lest ihr hier. Und nun bin ich mit meinem Senf dran.
Autor: Malcolm Gldwell
Genre: Sachbuch
Verlag: Piper
ISBN: 978-3-492-25819-7
Umfang: 251 Seiten
Was ist Erfolg?
Für Malcolm Gladwell ist Erfolg gleichzusetzten mit monitärem Reichtum und einem hohen gesellschaftlichen Bekanntheitsgrad (zumindest im jeweiligen Fachbereich). Oder nicht? Leider versäumt es der Autor den doch entscheidenden Begriff des Sachbuches zu definieren. Vielleicht hält er diesen Begriff auch für zu selbstverständlich und gerade diese Selbstverständlichkeit wird ihm noch das Genick brechen.
Wie bekomme ich Erfolg?
Nun… Es wird niemanden überraschen, aber die Antwort lautet: Übung. Gladwell greift das Beispiel der Violinen-Spieler heraus. Am Ende landet er bei der (doch schon sehr bekannten) 10.000er-Regel, die besagt: Wer einer Tätigkeit 10.000 Stunden nachgegangen ist, beherrscht sie überdurchschnittlich gut.
Die zweite Antwort hat da schon mehr Potential zu verblüffen. Ob wir Erfolg haben, hängt von unseren kulturellen Background ab. So ist es zum Beispiel eine nachvollziehbare Logik, wenn der Autor davon spricht, dass Asiaten in Mathematik besser sind, weil sie dort schon allein aus sprachlicher Sicht einen Vorteil haben. Im Deutschen sagen wir Dreiviertel, im Chinesischen heißt es buchstäblich ‚von vier Teilen, nimm drei‘. Aber ob es dann immer noch so viel Logik macht zu sagen: Asiaten haben mehr Ausdauer bei der Beschäftigung mit Matheaufgaben, weil sie das von ihren Reisfeldern kennen, sei mal dahin gestellt.
Die dritte Zutat für Erfolg heißt Chancen. Hier wird es spannend, weil Gladwell interessante Biographien herausgreift. Bill Gates und zahlreiche andere IT-Experten kommen immer wieder zur Sprache. Sie hatten Glück und Chancen. Sie stammen aus der richtigen Generation und sie hatten zufällig schon sehr früh in ihrem Leben Zugang zu Computern.
Was gefällt an Gladwells Theorie?
Er relativiert. Er entmystifiziert das Genietum. Und er stöbert in Biographien, die aufzeigen wie gewöhnlich wir doch alle sind. Besonders die Stichtag-Theorie finde ich gut, denn als zu früh eingeschultes Mädchen meine ich beschriebene Erfahrungen gemacht zu haben. Demographie spielt eine wichtige Rolle in unserem Leben, was wir allzu oft vergessen. Außerdem berichtet er von interessanten Studien und Ereignissen – aber zieht er immer die richtigen Schlüsse?
Was gefällt nicht an Gladwells Theorie?
Von Beginn an bekommt der Leser das Gefühl, der Autor vergleicht den Lottogewinn mit dem Unglück vom Blitz getroffen zu werden. Beides relativ unwahrscheinlich. Geholfen hätte mit Sicherheit eine etwas bodenständigere Definition von Erfolg – aber halt! Eine Definition gab es ja gar nicht…
Und dann spricht Gladwell also von Kultur und mein Kopf begann zu schmerzen, weil ich mir ständig mit der Hand dagegenschlug. Gladwell sieht die Kultur einer Nation als ein sehr starres Klischee und damit wären wir wieder bei der Selbstverständlichkeit. Selbstverständlich sind Asiaten so, Amerikaner so und Europäer so. Individuuen scheint es nicht zu geben. Aber wie gesagt, wer denkt, Asiaten hätten aufgrund der Arbeit ihrer Vorfahren auf den Reisfeldern mehr Ausdauer, der besitzt eine sehr einfache Perspektive um die Welt zu erklären – und zieht zu wenig Vergleiche. Es scheint so, als hätte Gladwell auf gut Glück eine Gesellschaftstheorie gefunden, die in sich logisch und nachvollziehbar ist, aber einem Vergleich nicht stand hält. Gesellschaftliche Tendenzen mögen stimmen, aber den indivduellen Charakter darf man gerade in unserer komplexen, globalen Welt nicht außer Acht lassen.
Meine Schlussworte?
Malcolm Gladwell hat keine neue Theorie erfunden, jedoch interessante Beispiele geliefert. Einige seiner Schlussfolgerungen könnten mit Sicherheit widerlegt werden. Und am Ende hätte ihm ein bisschen Bodenhaftung gut getan. Schließlich sind wir, seine Leser, keine Überflieger in seinem Sinne – aber wir können alle Überflieger werden, in unserem Sinne. Mit viel Übung, harter Arbeit und ein klein wenig Glück im Leben.