Überarbeiten! Aber wie? Andreas Eschbachs 10-Punkte-Text-ÜV

Von Mczarnetzki @m_cz

Was macht eigentlich ein Selfpublisher?
Überarbeiten! Aber wie? Andreas Eschbachs 10-Punkte-Text-ÜV

Wenn die fachliche Überarbeitung abgeschlossen ist – wenn also die Figuren die richtige Tiefe und Lebendigkeit haben, Dialog nicht mehr stolpern, alle Handlungsstränge logisch aufeinander folgen, alle Szenen eindrucksvoll choreografiert sind – dann wird es Zeit für den Feinschliff.

Die sprachlich-stilistische Überarbeitung ist der letzte Schritt, bevor dein Werk zum ersten Mal unter die Augen der Öffentlichkeit treten sollte. Warum? Ganz einfach: würdest du eine alte Konservendose aufwaschen, abtrocknen und polieren, bevor du sie wegwirfst? Bestimmt nicht. Viel mehr würdest du deine Aufmerksamkeit dem Tafelsilber widmen. Genauso ist es bei deinem Text: Mach die Feinarbeit nur bei den Stellen, die später auch im Buch bleiben.

Für eine methodische Herangehensweise hat Andreas Eschbach vor einigen Jahren die 10-Punkte-TextÜberarbeitungsVorbereitung entwickelt. Der ganze Text ist hier zu lesen – ich empfehle dir auch, ihn auszudrucken und über deinem Schreibtisch aufzuhängen.

Wie üblich beginnt die Arbeit mit einem frisch ausgedruckten Manuskript. Der Grundgedanke besteht nun darin, mögliche Schwachstellen des Manuskripts zu markieren, so dass sie bei der anschließenden Überarbeitung sofort ins Auge fallen. Zum Beispiel werden alle Adjektive und Adverbien durchgestrichen. Das heißt nicht, dass alle fehl am Platz sind, sondern dass du dir Gedanken machen solltest, ob sie wirklich notwendig sind. Nehmen wir an, ein Satz lautet:
Er lief langsam.
Langsam wäre bei der Markierung durchgestrichen worden. Bevor du die Markierung entfernst und damit langsam in die Endfassung deiner Geschichte übernimmst, frage dich, ob es keine bessere Möglichkeit gibt, das Laufen zu beschreiben. Wie wäre es mit: Er schlich. Oder: Er schlenderte.? Hier wird statt eines Adverbs zum Allgemeinen laufen das treffende Verb verwendet – und das erzeugt beim Leser sofort das entsprechende Bild im Kopf. Denn schleichen und schlendern sind zwei komplett unterschiedliche Tätigkeiten.

Ein Tipp beim Überarbeiten gefiel mir in der Anleitung sehr gut: markiere nicht nur die Schwachstellen, sondern auch die “starken Stücke”. Das streichelt dein Ego und hält die Verzweiflung fern.

Folgende Markierungen werden vorgenommen:

  1. Ersten Absatz jeder Szene streichen
  2. Adjektive und Adverben (dünn) durchstreichen
  3. Sprecherkennzeichnungen (er sagte, sie sagte…) mit Wellenlinie kennzeichnen
  4. Füll- beziehungsweise. Giftwörter markieren
  5. Gleichzeitigkeitsanzeiger (als, während, gleichzeitig) auskreuzen
  6. Passivkonstrukte kennzeichnen
  7. Lange Sätze kennzeichnen (Daumenregel: ab 30 Wörter)
  8. Lange Dialoge kennzeichnen
  9. Indirekte Wahrnehmung kennzeichnen
  10. Doppelbeschreibungen suchen und kennzeichnen

Was genau unter den einzelnen Punkten zu verstehen ist und wie du sie eindeutig markieren kannst, steht in der Originalanleitung beschrieben; hier nochmal der Link: Andreas Eschbachs 10-Punkte-Text-ÜV

Nun beginnt die eigentliche Überarbeitung. Lass einfach die markierten Stellen weg. Wie klingt der Text? Wenn etwas fehlt, dann nimm langsam das eine oder andere wieder herein. Ersetze Passiv wenn möglich durch Aktiv. Brich lange Sätze in kürzere (und damit verständlichere) Teile. Wenn bei langen Dialogen die Übersicht verloren geht, wer gerade spricht, dann füge entsprechende Hinweise ein und die ein oder andere Beschreibung, die zeigt, wie sich der Sprecher gerade fühlt. Damit wird die Stimmung des Dialogs besser transportiert.

Wenn du mit einem Stück zufrieden bist, dann markiere es als abgeschlossen. Denn es gibt so etwas wie Überüberarbeitung. Wenn die Szene zu Tode korrigiert ist, hast du auch nichts davon.

Am Ende der Überarbeitung lies den Text. Laut. Vor Zuhörern. Das ist vielleicht hart für deinen Partner/Partnerin, aber warum mussten sie sich auch in einen Schriftsteller verlieben? Notfalls tut es auch ein Diktiergerät, aber von dem kannst du kein emotionales Feedback erwarten.

Das laute Lesen hat den Vorteil, dass du gezwungen bist, jedes einzelne Wort langsam und konzentriert wahrzunehmen, im Kopf zu verarbeiten und auszusprechen. Es gibt keine bessere Methode um sprachlichen Ungereimtheiten, Handlungsinkonsistenzen, Rechtschreibfehlern und vergessenen Wörtern auf die Spur zu kommen.

Wem das alles zu viel Papierverbrauch ist: Es gibt mit Papyrus Autor eine Software, die genau die 10-Punkte-TextÜberarbeitungsVorbereitung implementiert hat. Die Softwareschmiede arbeitet eng mit Eschbach zusammen, um seine Vorschläge umzusetzen – alle anderen Autoren haben den Vorteil, dass die ganze Markierungsarbeit auf einen Klick durch das Programm übernommen wird – nur überarbeiten muss jeder noch selbst. Die Website des Anbieters findest du hier: LINK Papyrus Autor. (Mir wurde von Heike Fröhling über Twitter mitgeteilt, dass Papyrus Autor noch einen weiteren Vorteil hat: es kann dein Manuskript gleich als mobi-eBook abspeichern und erspart technikmüden Autoren die Konvertierung.)

Nun ist dein Manuskript sozusagen ausgehfein. Lass es auf die Menschheit los! Oder besser gesagt: auf einen kleinen, ausgewählten Teil der Menschheit. Wie du geeignete Testleser findest, das erfährst du im nächsten Artikel.

Bis dahin!