Autor: Jojo Moyes
Genre: Historienroman, Familiengeschichte
Verlag: rowohlt polaris
ISBN: 978-3499267338
Umfang: 505 Seiten
Jojo Moyes gelang 2013 der ganz große Coup. Mit ihrem Roman „Ein ganzes halbes Jahr“ wurde sie international bekannt und verkaufte alleine in Deutschland mehr als 2 Millionen Bücher. Dabei hat sich die gelernte Journalistin schon lange dem Schriftstellersein verschrieben. Erst jetzt nach ihrem gelungenen Durchbruch und fast zehn Jahre nach der Veröffentlichung im englischsprachigen Raum wird auch für deutsche Leser ein weiteres Werk der Autorin zugänglich.
Ein Schiff voller Bräute
„Über uns der Himmel, unter uns das Meer“ ist ein Historienroman, zu dem Moyes durch ihre eigene Familiengeschichte inspiriert wurde. Im zweiten Weltkrieg kämpften englische Soldaten in Seeschlachten gegen Japan. Als Stützpunkt diente das verbündete Australien. So kam es, dass sich englische Offiziere und Matrosen in australische Frauen verliebten, sich verlobten oder sogar heirateten. Dieser Umstand führte im Jahr 1946 zu einer ungewöhnlichen Mission für die Marine: Die australischen Ehefrauen sollten auf einem Flugzeugträger nach England gebracht werden. Und hier beginnt die Geschichte des Romans, das heißt: Nicht ganz. Moyes setzt die eigentlichen Ereignisse in eine unnötige Rahmenhandlung, in der nur Belanglosigkeiten ausgetauscht werden, was den Einstieg sowie Ausstieg aus der Geschichte holprig macht.
Doch dann betritt der Leser endlich das Schiff und mit ihm die verschiedensten Charaktere, welche er auf ihrer achtwöchigen Überfahrt begleiten wird. Da ist das verwöhnte Mädchen Avice, von ihrem Vater immer Prinzessin genannt, und die schwangere Margarete, die das Herz auf der Zunge trägt. Die Beiden teilen sich eine Kabine mit Jean, dem naiven Küken, und Frances der verschlossenen Krankenschwester. Auf den ersten Blick haben sie nicht viel gemeinsam, aber auf dem Schiff sind alle gleich, es herrscht Langweile und so nähern sie sich einander an.
Dabei gewährt die Autorin glaubhafte Einblicke in das Seelenleben ihrer Figuren und flechtet weitere Einzelschicksale in die Geschichte ein. Auch für den Kapitän, einem mürrischen Haudegen, ist die letzte Fahrt auf seinem Schiff besonders und auch ihn begleiten Ängste wie das Leben nach dem Krieg aussehen könnte. Zeitdokumente wie Zeitungsberichte und Tagebucheinträge von echten Bräuten der HMS Victoria lassen die Erzählung authentisch wirken. Außerdem beherrscht Moyes den Wechsel zwischen den Perspektiven, so dass der Leser wie ein Kameramann durch den Flugzeugträger läuft und einzelne Szenen einfängt. Der lebendige Schreibstil zeigt sich besonders in der häufig einsetzenden wörtlichen Rede, die den Humor durch die Interaktion der Figuren trägt. Eingestreute Briefe schaffen zudem Abwechslung im Lesefluss.
Zwar dringt Moyes nicht sonderlich detailreich in ihre Figuren ein – hierzu sind es vielleicht zu viele Einzelschicksale, die die Autorin erwähnen möchte – aber dafür überträgt sich ein Gesamtbild der Zeit. Der Geist des Aufbruchs in ein fremdes Land, die Ängste und Sehnsüchte nach den Jahren des Krieges, das Ausgebranntsein und die innere Leere nach dem Kampf sowie Wagemut und Hoffnung werden facettenreich dargestellt und regen zum Nachdenken an. Was hat für den Menschen Bedeutung, wenn er selbst doch nur „ein winziges, bedeutungsloses Nichts zwischen Himmel, Ozean und Sternen“ ist?
Bewertung: 6 Rubine von 10
Mehr zu Buch und Autorin:
„Über uns der Himmel, unter uns das Meer“ bei Rowohlt Polaris (inklusive Leseprobe)
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