Nach dem viel diskutieren Xavas Projekt zusammen mit Xavier Naidoo veröffentlicht Kool Savas am kommenden Freitag, dem 14.11.2014, sein neues Solo Album Märtyrer. Wir durften nicht nur vorab in das neue Album reinhören, sondern hatten auch die Möglichkeit ein ausführliches Interview mit dem King of Rap zu führen. Und da haben wir uns natürlich nicht zwei Mal bitten lassen! Kein Klatsch, kein Tratsch, kein Trash und kein Bullshit. Ein Interview über HipHop & Rap:
Du hattest gestern deine Pre-Release Party und hast durchweg positives Feedback für die neuen Songs bekommen. Wie sieht das während der Entstehungsphase des Albums aus? Wie und von wem holst du dir da Feedback?
Überhaupt gar nicht. Das brauche ich nicht. Ich brauche niemand, der mir sagt was gut ist, weil ich viel intensiver und länger Musik mache als die Menschen, von denen ich mir Feedback holen könnte. Ich hatte noch nie das Gefühl, dass ich für ein Album einen Executive Producer brauche. Was ich brauche, sind Menschen, die meine Ideen verstehen und mir helfen dahin zukommen. Aber nicht durch Gerede, sondern tatsächlich durch das was sie machen. Darum habe ich so gerne mit DJ Smooth zusammengearbeitet, der einen ähnlichen musikalischen Background hat wie ich und weil wir – mit ihm Beats zu machen war super entspannt. Er hat mir geholfen, das Album zu dem zu machen, was es jetzt geworden ist. Deswegen brauche ich so etwas wie Feedback einfach nicht. Ich würde auch niemals etwas ändern, nur weil ein Feedback nicht positiv auffällt.
Gab es für diesen Sound von Märtyrer denn von Anfang an eine bestimme Idee oder Vorstellung?
Ich hatte eine gewisse Vorstellung von der ich dachte dass es interessant klingen könnte. Zum Beispiel der erste Beat den ich gepickt habe, war der Beat zu Märtyrer von KD Beatz. Das ist eigentlich ein Straßenbeat und ich fand es eine interessante Mischung relativ roughe, streetige Beats mit Battlelyrics zu vereinen. Jetzt am Ende klingt das Album nicht so Straße, sondern hat so einen Vibe zwischen BoomBap, Oldschool, ein paar modernen Elemente, rough aber immer dynamisch. Das hat sich aber wirklich erst ergeben. Das war nicht von Anfang an so. Ich habe auch im Laufe der Produktionsphase gemerkt, dass ich gar keine Lust habe konkrete Themen anzupacken, sondern einfach nur Rapsongs machen wollte – Hymnen sozusagen.
Wie der Track „Rap über Rap“? Ein viel diskutiertes Thema heutzutage…
Ja, das ist ehrlich gesagt auch so ein wenig Provokation. Ich weiß ja, dass es fresh klingt und wer behauptet „Rap über Rap“ ist nicht fresh, hat aus meiner Sicht HipHop und Rap nicht verstanden. Zu sagen, es ist nicht cool wenn man über Rap oder über HipHop spezifische Themen rappt und nicht genug Themen auf einem Album anspricht, dann hat man meiner Meinung nach das Ganze nicht verstanden. Ich mache Musik für die HipHop Kultur – innerhalb der HipHop Kultur – mit Menschen, die aus der HipHop Kultur kommen. Rap über Rap wird die Leute abfucken. Mit einem Song, der so heißt nehme ich ihnen ja die gesamte Argumentationsbasis, weil sie merken, dass ich ja weiß dass ich es machen – fertig.
In dem Song „Zweifel und Bestätigung“ rappst du mit zwei Stimmen – auch über Kritik an dir selbst und dass du früher ja viel besser gewesen sein sollst…
Das hat Laas gerappt. Der Auslöser zu diesem Song, war ein Song von Ras Kass und ich wollte so einen Song schon immer mal schreiben und mit verschiedenen Stimmen und Meinungen aufnehmen. Ich habe auch gemerkt, dass vor Matrix der Grundtenor war, ich wäre nicht mehr am Start. Und nachdem Matrix kam, hieß es ich war nie weg, ich bin brutal und der King of Rap. Das fand ich witzig. Für mich persönlich ist das nicht schlimm, die Leute können schreiben was sie wollen. Mich macht das überhaupt nicht fertig. Früher hat mich das schon viel mehr beschäftigt. Zweifel und Bestätigung liegen immer ganz dicht beieinander in dieser HipHop Szene.
Jetzt hast du ja immer wieder betont dass Märtyrer ein Battlerap Album ist. Trotzdem hast du genau für dieses Album ein sehr persönliches Cover gewählt? Wie passt das zusammen?
Wiedersprüche und Kontraste – wie auch immer du es nennen willst. Das passt weil man denkt, dass es nicht passen würde. Ich könnte jetzt auch wieder auf dem Cover sein und irgendwie in die Kamera zeigen. Aber ich glaube, dass wird es nicht viel interessanter machen. Für mich ist ja Rap eine persönliche Sache. Ich lasse da nicht so viel privates Zeug raus sondern es ist persönlich weil Rap Teil meiner Persönlichkeit ist und weil Rap mich immer beschäftigt seit über 20 Jahren. Deswegen kann ich das miteinander verbinden. Und das bin ja auch ich auf dieser Zeichnung. Und ich fand es auch schön diesen Geist dahinter zu verewigen.
Akutell ist es, außerhalb von Acapella Battles, in Deutschland sehr ruhig geworden um wirklichen Battlerap. Wie siehst du diese Entwicklung?
Man merkt ja, dass die Strömung ganz woanders hingeht. Entweder in Richtung Megakommerziell oder fast schon Crossover und Straßenrap. Ich fände es jetzt nicht authentisch wenn ich ein Gangstarap Album machen würde und die, die so etwas von mir erwarten haben sowieso keine Ahnung. Aber genau so geisteskrank fände ich es, wenn ich jetzt versuche Casper zu imitieren. Das hätte nicht viel mit mir zu tun. Ich werde weder in die eine noch in die andere Richtung gehen. Diese Art zu Rappen ist mein Metier und somit habe ich auch eine Stellung, wo ich relativ alleine für mich stehe. Es gibt natürlich ein paar andere Battlerapper, aber auf dem Level „kommerziell erfolgreich“ bin ich dann wahrscheinlich der Einzige und das gefällt mir auch ganz gut so.
Ein neues Album hat bei dir ja oft so einen circa einjährigen Entstehungsprozess. Setzt du dir dann selbst eine Deadline, sammelst du einfach Tracks oder wie fängt das Ganze bei dir an?
Ich wollte es wirklich so machen, dass ich so viele Tracks sammle bis ich sagen kann: „Ich bin fertig“. Dann habe ich mich allerdings nach den ersten sechs Songs wieder hinreissen lassen eine Deadline festzulegen. Ich habe dann auch auf diese Deadline hingearbeitet und am Ende hat mir das echt gut getan. So habe ich in den letzten Zügen noch einmal einen richtigen Motivationsschub bekommen und noch einmal Vollgas gegeben. Das fehlt mir manchmal, weil ich ein relativ bequemer Mensch bin, der selten mehr macht als er muss.
Für dieses Album gab es dann auch eine ganz besondere Aktion. Du hast öffentlich dazu aufgerufen Beats einzuschicken. Wieso diese Aktion?
Ich hatte schon die Beats von Smooth die zu mir gepasst haben verwertet und genauso die Beats auf meinem Rechner und dann wollte ich mal sehen was da draußen noch so rumschwirrt. Es hat sich gelohnt! Es war nie ein Plan und ein bisschen aus der Not geboren, aber es hat perfekt funktioniert. Für das nächste Album werde ich das auf jeden Fall nochmal machen, aber viel früher. Da lasse ich mir 3-4 Monate Zeit und dann sollen die alles schicken was sie haben.
Auch Figub Brazlevic hat es auch auf dein Album geschafft – er steht ja eher für den 90er Jahre BoomBap Sound. Wie kam diese Zusammenarbeit zustande?
Er hat einen schönen Remix zu Limit gemacht. Mein Album hat ja auch einen leichten BoomBap-Vibe und ich wollte gerne genauso einen Vibe haben. Iamnobodi ist zum Beispiel ja auch drauf. Ich bin da echt superoffen für alles. Beatmäßig habe ich da gar keine Beschränkung.
Gerade die Beatszene wird in Deutschland ja immer größer und erfährt fast schon einen Hype. Setzt du dich da intensiver mit auseinander?
So aktuelle Trapsachen interessieren mich gar nicht. Ich habe letztens mit Abaz und Jumpa zusammengesessen und habe ihnen einen kleinen Vortrag gehalten, warum sie sich nur an modernem Zeug orientieren und nicht einen eigenen Sound entwickeln. Deren Argumente verstehe ich natürlich auch, aber ich versuche die Leute einfach positiv zu beeinflussen und zu sagen: „Macht euer Ding, dreht am Zeiger!“. Namen sind unterm Strich nur Schall und Rauch für mich.
Du hast auch schon mehrfach gesagt, dass du manche Beats 1, 2 oder 3 Jahre bei dir liegen hast bevor du sie endgültig pickst. Was wenn der Beat in dieser Zeit schon längst vergeben wurde? Wie handelst du das?
Ich sage den Produzenten immer, sie sollen mir keine Beats schicken, die sie anderen schon geschickt haben. Und wenn sie dann nachfragen, ob der Beat noch aktuell ist, dann schaue ich ob der noch in meiner Liste ist und wenn nicht, kann er ihn gerne weitergeben. Oder auch wenn er noch in meiner Liste ist, sage ich sie können mit ihren Beats machen was sie wollen. Ich würde eventuell etwas drauf machen, aber ich will niemandem falsche Hoffnung machen. Wenn jemand kommt und einen Tausender auf den Tisch legt, dann nimm da keine Rücksicht auf mich. Aber wenn das ein Beat ist, wo ich zu 100% weiß, den nehme ich, dann wird natürlich sofort gesafed.
Du hast ja einmal auf den gleichen Beat wie Nas gerappt…
Ja, da wurden Azad und ich angerufen und freundlich gefragt: „Nas hat den Beat gehört und der findet den voll geil!“. Und schon allein aus Respekt Nas gegenüber konnten wir da nicht Nein sagen.
Zur Überraschung vieler ist auch Masta Ace auf deinem Album gelandet? Wieso ausgerechnet er?
Ein Freund von mir ist mit einem Freund von ihm cool. Ich bin auch mit seiner Mucke aufgewachsen. Der ist ein echter Oldschool MC, der auch eine geile Liveshow rockt. Dann habe ich ihn angerufen und er hat mir versprochen, dass er auf den Track was macht und er war echt ein sehr unkomplizierter Featuregast. Er hat das auch direkt auf seiner Seite beworben. Er sieht ja auch, dass da eine Resonanz kommt, die er für seine Sachen vermutlich nicht mehr so hat. Für mich war das so ein bisschen Kindheitstraum.
Es gibt auf dem Album einen einzigen Skit. Kannst du den bitte kurz erklären ohne zu viel zu verraten?
Da spricht die Mutter meine Mutter aka meine Oma aus Aachen. Die erzählt da eine Anekdote, die sie mir schon sehr häufig erzählt hat und deswegen habe ich sie gebeten, dass dann auch für das Album zu machen. Mein Cousin ist zu ihr gefahren und hat das mit dem Handy aufgenommen und wir haben dann diesen Beat von Smooth drunter gelegt. Das ist ein Teil von mir.
Für die Märtyrer Promo gab es auch einen „Black Twitter“ Account. Du bist der erste Künstler weltweit mit einem solchen Account. Wie kamst du dazu?
Mein Manager, unsere Promoterin und ich saßen da bei Twitter im Office und haben diese Idee erarbeitet, die dann von Twitter selbst auch als eine der drei besten Aktionen des Jahres gekürt wurde. Damit haben wir, glaube ich, etwas ins Rollen gebracht und viele internationale Künstler werden da bestimmt bald nachziehen.
Allgemein bist du außerhalb der Promophasen sehr inaktiv in den sozialen Medien. Interessiert dich das auch privat nicht?
Wenn ich was will, dann gehe ich direkt auf die jeweiligen Seiten. Mich interessiert eh nur Amirap, Autos und so komische Vine Compilations. Sowas schaue ich mir oft an und da weiß ich auf welche Seiten ich dafür muss. Ich bin auch so super ignorant in den sozialen Medien, ich folge niemandem. (lacht)
Wenn es dann große Diskussionen über deine Person gibt, bekommst du das auch gar nicht mit?
Überhaupt nicht. Das interessiert mich auch gar nicht. Ich bin aber täglich auf Rapupdate, das ist immer sehr amüsant.
Schon in der ersten Single hast du gesagt „Du bist diese Mucke!“. Kann man sagen, dass du, auch über das komplette Album, viele dafür kritisierst, dass sie einfach nur noch Kunstfiguren der Industrie sind?
Mit Sicherheit. Wenn ich einen Rapper feiere, dann will ich auch seine Persönlichkeit feiern. Und dann will ich auch das feiern, wofür er steht. Das muss dann auch nicht in jedem Fall das sein, was ich auch bin. Aber wenn einer echt ist, dann hat das für mich einen ganz anderen Wert. Ich bin schon jemand, der definitiv mit „Keep it Real“ aufgewachsen ist und der das auch ernst nimmt. Wie viel Gewicht kann das Wort von jemandem haben wenn er ständig lügt? So ist das für mich. Dann soll man klar sagen: „Ey, ich bin nur ein Clown, das ist nur Unsinn.“ Und wenn sie das total überspitzt machen, dann sollen sie halt alle eine Maske tragen. Ist ja auch in Ordnung. Aber warum soll ich denn jemanden ernst nehmen, von dem ich weiß dass alles ausgedacht ist? Für mich gibt es da keine Basis, das interessiert mich dann auch nicht mehr.
Du sagt in einem Song auch „Ihr seid austauschbar, irgendwann vergessen…“. Ist das so ein Eindruck, den du von der aktuellen Szene hast?
Das ist gut möglich. Ich glaube die Leute orientieren sich gerne an etwas erfolgreichem. Da kam ein Casper und war mit seinem Sound erfolgreich und dann wollten sie alle so Grunge/Emo sein. Ihr habt doch gerade noch gerappt, warum? Ich kann es auch nicht ernst nehmen, wenn jemand sich von einem auf den andern Tag komplett ändert. Klar, ich habe mich auch ein wenig verändert. Meine Hosen hängen nicht mehr bis zu den Kniekehlen und die T-Shirts sind XL statt 3xl. Aber meiner Meinung nach habe ich immer noch diesen Grundswag von früher. Aber die sind von einem auf den anderen Tag ganz neue Persönlichkeiten und ich weiß gar nicht mehr, wer die überhaupt sind. Die einen wollen alle unbedingt Bushido sein und erzählen die gleichen Sachen, obwohl sie gar nichts mit der Story zu tun haben, die anderen wollen Casper sein, die nächsten wollen Cro sein und ich kann mir das nicht geben – ich finde das anstrengend. Mir ist es lieber, jemand ist seltsam aber irgendwie eigen.
Das Album vermittelt auch diese Message „Ich mache seit 20 Jahren genau mein Ding und bin damit erfolgreich während ihr euch alle dauernd anpasst oder nicht mehr relevant seid“…
Ist ja auch so. Ich habe alle überdauert. Es gab eine Eiszeit, die Dinos sind ausgestorben und ich bin der Metal-Tyranosauros Rex oder so etwas, der es geschafft hat sich dem entgegenzusetzen. Nicht weil ich mich so supergeil finde, aber in irgendeiner Form ist es ja wirklich so. Man hat mir oft gesagt meine Zeit ist vorbei. Als Aggro Berlin kam zum Beispiel – oder auch jetzt mit Cro. Ich will mir gar keine Maske anziehen und auch keine Croartige Mucke machen. Wenn ich wüsste, das ist der einzige Weg wie man erfolgreich sein kann, dann würde ich es lieber lassen und hier aus dem Fenster springen. Bis jetzt hat es keiner geschafft mir einen Strich durch die Rechnung zu machen. Jeder soll sein Geld verdienen, soll sein Leben leben, nur sie sollen sich nicht bei mir einmischen.
Hast du jemals bei diesem Album daran gedacht auch mal konkrete Namen zu nennen?
Nein, damit würde ich Leute auch nur sinnlos abfucken. So gebe ich den meisten auch noch die Möglichkeit zu sagen oder zu spüren „es trifft auf mich zu, aber der meint ja gar nicht mich“. Und das dann als konstruktive Kritik anzunehmen und dann vielleicht doch zu überdenken, dass es echt gar nicht so geil ist, was man hier abzieht. Und vielleicht dann sogar doch die Musik ins positive zu ändern. Es ist so eine erzieherische Maßnahme gewissermaßen.
Also willst du deutschen Rap mit diesem Album auch irgendwie zum positiven verändern?
Ich komme ja aus einer Pädagogenfamilie und es gibt da so eine Art, wie man mit Problemkindern im Kindergarten umgehen soll. Da soll man täglich Protokoll führen nur die positiven Sachen am Tag aufschreiben. Wenn das nur eine positive Sache ist, musst du dafür sorgen, dass die herauskristallisiert wird. Das machst du ein paar Tage lang und es hat sich gezeigt, dass die Kinder dann immer mehr anfangen sich korrekter zu benehmen weil sie dieses Erfolgserlebnis, dass sie etwas gut machen, immer wieder haben wollen. Das funktioniert. Ich bin noch nicht an diesem Punkt, aber vielleicht wird das nächste Album so sein, dass ich bei Rappern besonders die kleinen positiven Elemente herausfiltere und sie dann dazu bringe mehr gute Sachen zu machen. Aber jetzt ist es erstmal so ein bisschen wie der strenge türkische Vater, der ein paar Ohrfeigen hinter verschlossenen Türen verteilt.
Wir freuen uns darauf. Vielen Dank für deine Zeit und viel Erfolg mit deinem Album!