Auch Körperschmuck kann Ausdruck alternativer Lebens- und Liebesweisen sein.
Ein kleiner allgemeiner Überblick
In der westlichen Welt hat sich Piercing jedoch erst im Laufe der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts zu einem gesellschaftsfähigen Phänomen entwickelt. Das Piercen war zunächst eine illegale Untergrundaktivität, die im wesentlichen der Schwulen-, Fetisch-, Gothic- und Modern-Primitive-Szene vorbehalten war.
Unter der englischen Bezeichnung “Piercing” ist das Durchstechen von Körperteilen zum Anbringen von Schmuck zu verstehen: Vom Bauchnabelring bis zur Perle in der Nase, vom Stab in der Zunge bis zum Ring in der Augenbraue oder gar den Schmuck der Geschlechtsorgane, kein Körperteil ist für die Piercer der Neuzeit tabu. So hat sich das Piercing zu einem neuen Trend entwickelt und ist hierzulande schon fast zur Normalität geworden.
Die Entdeckungsreisen von Tasman, Bougainville und Cook im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts und ihre schillernden Beschreibungen des “irdischen Paradieses” wie auch die tätowierten Polynesier Aotoru (1768 in Paris) und Omai (1775 in London) faszinierten die gehobene Gesellschaft in Europa und waren der Ausgangspunkt für die Tätowiertradition in Europa und Amerika.
Das Tätowieren war zwar schon seit Urzeiten bekannt, wurde aber erst durch die Einführung des Wortes in europäische Sprachen greifbar und beschreibbar.
Das Wort “Tätowieren” hat seinen Ursprung in Polynesien. Für Tätowierungen galten strenge Regeln, denn es ging nicht um irgendwelchen Körperschmuck, sondern die Tattoos dienten rituellen Zwecken und drückten nicht zuletzt den sozialen Status ihrer Träger aus.
Polynesien kam Mitte des 19. Jahrhunderts unter französische Herrschaft. Genau wie die Indianer Nordamerikas wurden auch sie von den europäischen “Zivilisationsbringern” bekämpft und ihres Landes beraubt. Kulturelle Traditionen wurden durch christliche Missionierung als “Teufelszeug” verboten, dafür wurde neben der Bibel vor allem der Alkohol verbreitet.
Tätowierungen galten den Missionaren und den christlichen Kolonialherren als verdammenswerte heidnische Symbole, so dass das Wissen darüber im Laufe der Fremdherrschaft in Vergessenheit geriet… Und außerdem galten Tätowierungen auch als unseriös, denn damit schmückten sich zunächst nur Seeleute, Fremdenlegionäre und Schwerkriminelle. Erst die jüngste Vergangenheit führte zu einem Wertewechsel und zu einer Verbreitung dieser Körperkunst in allen Gesellschaftsschichten rund um den Erdball.
Körperschmuck ist für mich keine modische Masche
Tattoos und Piercings sind für viele Menschen heutzutage daher einfach nur etwas “modisches”. Für mich hingegen hat der eigene Körperschmuck sehr viel mit dem Verarbeiten von Ereignissen in meinem Leben zu tun.
Ich habe mir bei meinem ersten Tattoo lange überlegt, ob ich “es” machen soll. Das ganze war schließlich ein Prozeß von mehr als einem Jahr. Nach einem Urlaub mit meinem damaligen Freund in der Dominikanischen Republik stand für mich dann fest: “Jetzt muß es sein und so schnell als möglich!” Ich weiß heute gar nicht mehr, wie ich auf meinen Tätowierer kam. Nach einem Anruf fuhr ich hin, um ein Motiv und einen Termin auszumachen. Die Motivsuche fiel mir nicht leicht, da ich ein “Tribal” haben wollte und die Auswahl da riesig war. Heute ärgert es mich etwas, ein Motiv aus dem Katalog ausgesucht zu haben und keines, was irgendeine bestimmte Bedeutung hat, die mir am Herzen liegt. Aber das werde ich noch nachholen.
Als der Termin heran gekommen war, hatte ich zunächst ein sehr mulmiges Gefühl. Doch der Tätowierer war sehr nett und erklärte mir alles. Dennoch dachte ich bei seinen ersten Handgriffen nur “Oh, weia!” Ja, es schmerzte schon sehr, aber mit der Zeit gewöhnte ich mich an den Schmerz und ich empfand es auch nicht mehr als sehr unangenehm. Das Surren der Maschine hatte sogar etwas beruhigendes an sich… An manchen Stellen biss ich jedoch die Zähne ganz schön zusammen. Nach zwei Stunden war er mit seinem Werk fertig und ich strahlte über das ganze Gesicht.
Das zweite Tattoo entstand, als ich mich von meinem Freund auch räumlich getrennt habe – als eine Art Freiheitssymbol. Es ist nicht so groß wie das erste und bedeutet mir heute auch nicht soviel wie das erste.
Ich lernte dann einen neuen Mann kennen, doch nach einem Jahr trennte er sich von mir. Da beschloß ich, mir das Bauchnabelpiercing machen zu lassen. Schmerz sollte mit Schmerz bekämpft werden. Und tatsächlich, danach ging es mir irgendwie besser.
Der Nachteil beim Piercen ist nur, daß der Schmerz zwar stärker, aber dafür und kürzer ist. Doch das Bauchnabelpiercing war harmlos gegen das in der Brustwarze. Auch dieses entstand wegen eines Mannes, in den ich sehr verliebt war – Liebe auf den ersten Blick!
Im Nachhinein kann ich nicht mehr sagen, welcher Schmerz größer war. Als die Nadel sich durch meine Brustwarze bohrte, vergaß ich fast zu atmen: Solch eine Art von Schmerz hatte ich nie zuvor gespürt. Zum Glück war das Piercen schnell vorbei, dennoch schmerzte es nach einigen Stunden nochmals heftig.
Das Zungenpiercing geschah dagegen unspektakulär. Da spürte ich nur einen Druck beim Durchstechen. Allerdings waren die Nachwehen größer, weil die Zunge zwei Wochen lang sehr dick ist und man solange mit Salzwasser und Kamillentee spülen muß.
Mit den Piercings kann man als Frau viel Spaß haben. Die meisten Männer sind freudig erregt, wenn sie davon erfahren. Obwohl ich immer denke, daß das heute schon fast etwas normales ist.