scheint schwerer zu sein als es auf den ersten Blick scheint und ich komme irgendwie nicht umhin - vielleicht auch als Reflex auf zahlreiche Einträge in einem Parfumforum - über die damit verbundenen Eindrücke nachzudenken. Kant (1724-1804) unterscheidet zwischen den objektiven Sinnen - Betastung, Gesicht und Gehör - und den subjektiven Sinnen riechen und schmecken. Als wichtigsten Sinn benennt er den Tastsinn, weil er der einzige ist, der dem Menschen eine unmittelbare äußere Wahrnehmung ermöglicht. Mittelbare Sinne sind demnach das Gehör und der Gesichtssinn und von geringster Wichtigkeit sind die Sinne des Geruchs und des Geschmacks. Nur warum dann so streiten und abfällige Worte über den Geschmack des anderen finden, wenn der Geruchssinn nicht so wichtig ist? Warum nehmen wir unsere Nase so ernst? Seinen Königsberger Studenten jedenfalls hat Kant in seiner Vorlesung ANTHROPOLOGIE IN PRAGMATISCHER HINSICHT beide Fähigkeiten erläutert und die Unterteilung und Wertigkeit erklärt. Irrt hier der große Philosoph?
Ist es nötig, und das erlebe ich leider sehr oft, den eigenen Geschmack am Parfum durch die Abwertung des anderen hervorzuheben? Bei Wein, Kaffee und Schokolade ist es ja ganz ähnlich - also beim anderen subjektiven Sinn, dem schmecken. Kaum hat man erwähnt, daß man gerne Amarone-Weine trinkt, kontert das Gegenüber mit Barolo, der wenigstens 65 Euro kosten muß und das man Vollmilchschokolade liebt, sollte man auch tunlichst nicht erwähnen, weil unter 72% Kakaogehalt bekanntlich alles Schrott ist. Was überspitzt formuliert bedeutet, das jeder, der nicht wenigstens einen Serge Lutons-Duft im Schrank hat, von Parfum keine Ahnung hat.
Ein gutes Bsp. für parfumistisches Fachwissen sind z.B. die zahlreichen Duftfamilien. Davon weiß die echte Kennerin/ der echte Kenner jede Menge zu berichten. Im Grunde genommen hat nur Ahnung, wer wenigstens zu jeder Hauptkategorie drei weitere Unterteilungen parat hat. Was die Leute selten zugeben - wenn sie die Quelle überhaupt kennen - ist der Ursprung dieser Auflistung. Das Buch PARFUM von Elisabeth Barillé und Catherine Laroze (Christian Verlag). Es gibt ja nicht nur Fougere und Chypre, nein, dieses ist dem Profi viel zu ungenau. Die feine Nase unterscheidet sofort zwischen Fougere-Ambra, Blumig Ambriert Fougere, Würzig Fougere, Aromatisch Fougere und Fruchtig Fougere. Bei Chypre geht das Spielchen so weiter und was glauben sie, was man zu Zitrusnoten alles sagen kann?
Dabei soll gar nicht in Abrede gestellt werden, daß so eine Unterteilung durchaus sinnvoll sein kann, wenn man die Leidenschaft irgendwie klassifizieren möchte. Mit Tee, Rotwein und Schokolade sieht es bestimmt ganz ähnlich aus. Nur selbst die 1990 von Jean Kerléo gegründete Sociéte Francaise des Parfumeurs unterteilt nicht derart genau. Haben die nun auch keine Ahnung? Muß man den anderen mit einer solchen Feineinteilung übertrumpfen, wo es doch um eine gemeinsame Leidenschaft geht? Es ist doch kein Wettkampf, den man gewinnen muß. Warum geht mit der Wertschätzung für ein und dieselbe Sache oft die Geringschätzung anderer Vorstellungen, Wünsche und Leistungen einher? Würde es nicht reichen, einfach zu sagen, dieses oder jenes gefällt mir nicht? Meine Vermutung ist, daß dies zugleich bedeuten würde, auf einen wichtigen Teil der Selbstdarstellung zu verzichten. Die Selbstinszenierung als Fachfrau/ Fachmann, als Kritikerin und Kritiker könnte wichtiger sein als die Sache selbst. Was bedeutet, daß Kant am Ende doch richtig lag.