Über meine nun offenbar öffentlichen Brüste

Ich dachte immer, meine Brust in der Öffentlichkeit zu entblößen würde sich seltsam anfühlen. Viel komischer kommen mir jetzt die Unterhaltungen, die ich darüber führen muss, vor.

„Stillen Sie?“, fragte mich eine weißhaarige, kleine und nette Dame an der Käsetheke neben mir. Auch die Verkäuferin beim Bäcker wollte wissen, ob ich meinem Kind die Brust gebe, bevor sie das Brot rüberreichte. Schon vor der Geburt erkundigte sich ein Freund, ob ich vorhabe zu stillen und selbst die Nachbarin meiner Eltern interessierte sich für die Ernährung meines Babys. „Stillst du?“, scheint das neue „Hallo“ zu sein, seit ich ein Kind dabeihabe.

Würde man mich damit konfrontieren, wenn mir gerade der Busen aus dem Shirt hängt, wäre es ja okay. Dann wäre es eine freundliche Nachfrage in Richtung: „Haben sie nicht was vergessen? Haben sie mit der Brust noch was vor heute oder hängt die da nur so?“ Ob ich gerade stille und nicht gestört werden möchte, wäre auch noch passabel. Aber sich während der Kleine im Kinderwagen liegt und schlummert zu erkundigen, was ich so den Tag über mit meinen Titten tue, überschreitet die Grenze zu meiner Intimsphäre.

Die Nachfragen allein wären vielleicht noch zu ertragen, hätte sie nicht eine implizierte Aufforderung und folgte nicht IMMER die Belehrungen, wie gut Muttermilch sei, dass es das allerallerbesteste für’s Baby ist und JAJAJAJAJAJA…. weiß ich alles, habe ich alles vorher schon gehört und 1000 mal gelesen. Wenn man 10 Monate Schwanger war, dann ist dieses Thema nicht gerade Big News. Dann hat man schon parallel zum Wehenabständemessen, ausgerechnet wie viele Portionen Eis und Gummibärchen man dank Stillernährung zukünftig extra essen kann (- fünf Kugeln oder eine Tüte, mindestens…wenn das Kind viel trinkt sogar noch mehr. Yeah!). Dann findet man Stillen längst selbst super, weil man auf einmal doppelt soviel Holz vor der Hütte hat, wie zuvor, weil man im Bett liegen und abnehmen kann, weil man keine Fläschchen spülen muss und weil man, solange man das Baby nicht zu Hause vergisst, für sein Wohl eigentlich schon alles eingepackt hat. Zur Sicherheit schaue ich bei jedem Aus-dem-Haus-gehen, aber nochmal nach, ob die Brüste wirklich da sind.

Wir sind uns also alle einig, dass Stillen super ist. Warum muss ich mich der Frage dann ständig wieder stellen? Weil es in dieser neuen Welt, in der ich mich nun bewege, der Welt als Mutter, nur schwarz und weiß gibt, nur richtig oder falsch. Es ist nur ein schmaler Grad zum Rabenmuttertum und wer sein Kind nur in die Nähe einer Flasche bringt, als handele es sich um einen trockenen Alkoholiker statt eines Neugeborenen, der steht schon mit einem Fuß auf der dunklen Seite.

Der Druck zur Brust ist nur eins der Dogmen, die mir derzeit begegnen. Über Schnuller reden wir ein andermal und das Fass über’s Impfen machen wir lieber gar nicht erst hier auf. Aber es ist sehr seltsam, dass so viele Babys zu gesunden Erwachsenen Menschen werden, die ihre Zeit dann mit Diskussionen über’s Stillen verschwenden können, wenn man doch so leicht alles falsch macht als Mutter.



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