Über meine Kindererfahrungen, Elternschaft und Erziehung in der DDR

Mama Notes hat zu einer Blogparade über Elternschaft und Kindererziehung in der DDR aufgerufen. Schon der auslösende Text von Sarah von Mamaskind nötigte mich, einen längeren Kommentar zu verfassen, weil meine Erfahrungen in einigen Bereichen anders waren als die in Sarahs Familie. Verständlich, handelt es sich doch schon um eine etwas andere Zeit, von der Sarah berichtet, und die individuellen Familienumstände sind auch nicht außer Acht zu lassen. Aber ich denke, verschiedene Berichte sind gerade interessant und bereichern die Blogparade. Meine Rückschau wird umfangreich, ich hab den Text aber zur besseren Lesbarkeit gegliedert. Es ist ein persönlicher Ausschnitt aus meinem Leben in der DDR und erhebt weder Anspruch auf Vollständigkeit noch auf Objektivität.
Meine Laufbahn:
Ich bin 1974 geboren und war zur Wende 15 1/2 Jahre alt, habe also fast das gesamte Bildungssystem der DDR durchlaufen. Ich möchte hier eine Mischung aus eigenen Erfahrungen, Erinnerungen und Gedanken und Berichten meiner Eltern erzählen, zu denen mir auch einige Unterlagen vorliegen. 1981 bin ich in die Schule (Polytechnische Oberschule, die für 10 Jahre angelegt war) gekommen. Die ersten 4 Jahre war man Mitglied der Jungpioniere, dann wechselte man zu den Thälmannpionieren und mit 14 Jahren in die FDJ (Freie Deutsche Jugend) mit dem blauen Hemd. Es gab nur wenige Kinder, die aus religiösen Gründen die Mitgliedschaft verweigerten. Unsere Familie kam übrigens aus dem evangelischen Kontext und ich war getauft. Ebenfalls mit 14 Jahren fand die Jugendweihe statt, ein Übergangsritual ins Erwachsenenalter. Das war bei mir 1989. In unserer Klasse gab es, wenn ich mich richtig erinnere, 2 Jugendliche, die die Jugendweihe verweigerten. Ich entschied mich sowohl für die Jugendweihe als auch für die christliche Konfirmation, die im darauffolgenden Jahr, also kurz nach der Wende, durchgeführt wurde. Meine Eltern haben mir da freie Hand gegeben. Von Kind an bin ich in die Christenlehre und später den Konfirmationsunterricht gegangen. Ich erinnere mich, dass unsere Staatsbürgerkundelehrerin, die in der Nähe wohnte, immer beobachtete, welche Kinder ins Gemeindehaus gingen. Es gab auch in der Schule bis zur Wende ab und zu Gespräche mit meinen Eltern, aber da wir zumindest halbwegs systemkonform waren, erfuhren wir da keine Benachteiligungen.
Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, als ich mich in der 8. Klasse für die Erweiterte Oberschule (Vorbereitung für das Abitur) bewarb. Diese durften die Besten eines Jahrgangs von der 9. bis zur 12. Klasse besuchen und die Hochschulreife erwerben. Soweit ich mich erinnere, gab es davon nur einige wenige Schulen in unserer Stadt von 300.000 Einwohnern. Notenmäßig hätte ich eigentlich akzeptiert werden müssen, wurde aber abgelehnt. Es war klar, dass dies eine Schikane wegen unseres christlichen Hintergrundes war. Ich war schon ziemlich frustriert darüber, hatte ich doch alles, was möglich war gemacht, war immer im Gruppenrat (Klassenvertretung) aktiv gewesen, hatte Russisch-Nachhilfe gegeben, hatte eine Brieffreundschaft mit zwei Mädchen aus der Sowjetunion und war bis zur Wende  grundsätzlich vom Sozialismus überzeugt. Da ich sehr idealistisch war, wusste ich schon, dass in dem System vieles schief lief und wollte deshalb für einen "besseren Sozialismus" kämpfen. Allerdings verweigerte ich zum Beispiel die Mitgliedschaft in mir überflüssig erscheinenden Organisationen wie der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft. Dafür musste ich zum Gespräch bei der Direktorin antreten, was sehr unangenehm war.
Ab der 5. Klasse hatte man obligatorischen Russisch-Unterricht, ab der 7. Klasse konnte man eine zweite Fremdsprache wählen. Bei uns gab es nur die Wahl zwischen Englisch und Französisch (ich entschied mich für Englisch), in wenigen Schulen waren auch andere Sprachen möglich. Ab der 7. Klasse musste man in einem Betrieb am Unterricht ESP (Einführung in die sozialistische Produktion) und PA (Produktive Arbeit) sowie TZ (Technisches Zeichnen) teilnehmen. ESP war furchtbar langweilig, in PA mussten wir Schüler tatsächlich bei der Produktion des Betriebes mithelfen und TZ lag mir wenigstens etwas. Wenn ich mit Fragen nach meinem Berufswunsch konfrontiert wurde, was im betrieblichen Unterricht immer wieder der Fall war, fühlte ich mich völlig überfragt. Noch heute weiß ich nicht, welchen Berufsweg ich in der DDR eingeschlagen  hätte. In der 10. Klasse gab es Astronomieunterricht, an den ich mich positiv erinnere. Wir hatten sogar eine kleine Sternwarte auf dem Dach unserer Schule.
Zurück zur Erweiterten Oberschule, die ich eigentlich ab Herbst 1989 besuchen wollte. Ich wurde also aus fadenscheinigen Gründen abgelehnt. Zum Glück kam die Wende dazwischen, die auch im Schulsystem sofortige Änderungen mit sich brachte. Relativ schnell nach dem Zusammenbruch der DDR wurden zusätzliche "Leistungsklassen" auf den Erweiterten Oberschulen eingerichtet. Ich bewarb mich sofort und bekam als eine der ersten eine Zusage. Die letzten 3 Schuljahre (10.-12. Klasse) verbrachte ich dann auf der bald in Gymnasium umbenannten Erweiterten Oberschule. Das war eine sehr harte Zeit mit langen Schultagen. Der neue Stoff des West-Abiturs musste mit dem alten Lehrpersonal aufgearbeitet und in ein Jahr weniger Abiturszeit hineingepresst werden. Ich war heilfroh, als ich die Schulzeit 1993 hinter mich ließ. Die letzten Jahre waren sehr merkwürdig, die Lehrer unsicher und überfordert, die Eltern arbeitslos oder von Existenzängsten geplagt, es war ein Schwebezustand zwischen Osten und Westen, den ich 1993 endgültig hinter mich ließ, als ich als Au Pair-Mädchen nach London zog. Dort lernte ich die westliche Welt erst so richtig kennen und entfernte mich mental weit von meiner Familie, meiner Geburtsstadt und meinem bisherigen Leben. Es war die beste Entscheidung, die ich hätte treffen können. Nach einem Jahr ging ich zum Studium nach Berlin, wo ich Ost und West perfekt vereinen kann und was meine Heimat geworden ist. Wir leben übrigens in einer Wohnung direkt mit Blick auf den früheren Mauerstreifen, wo jedes Jahr im April die japanischen Kirschbäume, die in Erinnerung an den Mauerfall gepflanzt wurden, blühen und die mein Blogheader zeigt.
Meine Erinnerungen:
Vieles sind naturgemäß nur Erinnerungsfetzen, die aus meiner individuellen Empfindung und unserer Familiensituation herrühren. Ich erinnere mich an Samstagsunterricht, den ich als ungerecht empfand, weil meine Eltern "frei" hatten. Wir Kinder kamen nach Hause und meine Eltern waren in den letzten Zügen des Haushaltsputzes, was kein schöner Empfang ins Wochenende war. Der Samstagsunterricht wurde erst in der Wendezeit abgeschafft. Ich erinnere mich an Ferienlager, in denen ich vor Heimweh fast verging. Ich erinnere mich an Unterricht zur Nullten Stunde (Beginn 6:35 Uhr), was für mich eine Qual war. Ich erinnere mich daran, dass ich mich nach der Schule stundenlang beim Obstladen anstellen musste, weil Südfrüchte angekündigt waren. Ich erinnere mich daran, dass eine Bekannte uns Kindern Forumschecks (Bezahlmittel im Intershop) schenkte. Meine Großeltern durften auch ab und an zu Familie nach West-Berlin und Hamburg reisen und brachten einige Kleinigkeiten mit. Ich erinnere mich an 1. Mai-Demonstrationen und den Streit um das Raushängen der Fahnen am 7. Oktober. Ich erinnere mich an unseren Urlaub im Sommer 1989 in der Tschechoslowakei, in dem uns westdeutsche Urlauber prophezeiten, dass es nicht mehr lange mit der DDR weitergehen würde. Völlig utopisch! Einmal fuhren wir soweit wie möglich an die Grenze zur BRD heran (Sperrgebiet) und ich empfand sowohl Angst als auch Neugier. Ich bekam auch mit, dass über Ungarn schon eine rege Fluchtwelle erfolgte. An die Ausreiseerlaubnis für die in der Prager Botschaft wartenden Menschen durch den berühmten Genscher-Auftritt am 30. September 1989 kann ich mich aber nicht erinnern.
Am 7. Oktober 1989, dem Nationalfeiertag der DDR, nahmen wir wie immer an Demonstrationen teil. Die Stimmung war schon sehr aufgeheizt und rebellisch. Nach Auflösung der Demonstrationen kam es zu Tumulten und zu Übergriffen der Polizei mit Schlagstöcken. Ich war als 15-jähriges Mädchen keine 10 Meter davon entfernt, kam völlig aufgelöst und verwirrt nach Hause und verlor ein großes Stück des Vertrauens in meinen Staat. Ich erinnere mich gut an den Machtwechsel im Oktober 1989, als Honecker von Krenz abgelöst wurde. Wir waren gerade im Urlaub. Ich erinnere mich nicht an den 9. November 1989, wohl, weil wir die Pressekonferenz mit Schabowski gar nicht live im Fernsehen verfolgten. Ich erinnere mich aber dann an den Samstag, 11. November 1989, als wir dem Unterricht unentschuldigt fernblieben und uns in eine kilometerlange Autoschlange auf dem Weg zur Grenze einreihten. Nachdem wir schon den halben Tag im Stau verbracht hatten und keine Aussicht auf Weiterkommen war, entschieden meine Eltern, dass wir umkehren würden. Ich weiß noch, wie sauer und enttäuscht ich war. Am folgenden Montag musste ich mich zusammen mit einem anderen Schüler unserer Klasse wegen unseres Fehlens rechtfertigen. Wir logen beide, wussten aber gleichzeitig, dass der Lehrer ahnte, wo wir (nicht) gewesen waren. Ich erinnere mich an den Samstag, 18. November 1989, wo wir einen erneuten Versuch unternahmen und noch in der Nacht nach Berlin fuhren. Diesmal klappte es und die U-Bahn brachte uns nach West-Berlin. Meine Eltern holten das Begrüßungsgeld ab. Wir bestaunten Supermärkte und Obststände. Ich weiß noch, wie mein Bruder an einem Süßigkeitenstand, der nach Gewicht abrechnete, soviel Süßkram in seine Tüte schaufelte, dass fast sein gesamtes Begrüßungsgeld weg gewesen wäre. Natürlich schütteten meine Eltern das wieder aus;). Ich erinnere mich nicht, was ich mir kaufte; vermutlich nur Kleinigkeiten, ich wollte lieber sparen. Ich weiß auch nicht mehr, wann wir das nächste Mal in den Westen fuhren, nachdem wir tief in der Nacht aus Berlin zurückgekehrt waren.
Ich nahm im Winter 1989 zusammen mit meinem Papa an vielen Montagsdemonstrationen teil, die anfangs noch an einer Verbesserung des Sozialismus interessiert waren. Vereinzelte Parolen wie Wiedervereinigung, Einführung der D-Mark etc. waren auch zu diesem Zeitpunkt noch völlig utopisch. Sie liefen immer sehr friedlich ab, eine gewisse Unsicherheit war aber immer vorhanden. Nach und nach wandelten sich die Ziele der Montagsdemos und ich nahm nicht mehr teil. Im März 1990 flogen wir mit der Klasse nach Moskau und besichtigten die einschlägigen Tagesordnungspunkte (Lenin-Mausoleum etc.). Das war so ein merkwürdiger Zwischenzustand zwischen der alten und der neuen Zeit, keiner wusste, was noch galt und was man sich schon erlauben durfte, und ich habe das als starke Verunsicherung empfunden. Bei der Einführung der D-Mark am 1. Juli 1990 ärgerte ich mich wahnsinnig darüber, dass ein Teil meines kindlichen Sparguthabens verloren ging. Ich hatte jedes Geburtstagsgeld gespart, auch schon als Schülerin gearbeitet und empfand es als sehr ungerecht, dass ich nun soviel weniger hatte. An meine Eltern dachte ich nicht;). Meine Mutter war 1990 arbeitslos geworden, weil ihre Firma abgewickelt wurde, wir waren in eine größere Wohnung gezogen, die Preise und Mieten explodierten und der Job meines Vaters stand auch zeitweise auf der Kippe.
Die Wiedervereinigung selbst kann ich kaum rekapitulieren, man sieht daran, wie das kindliche/jugendliche Gehirn filtert. Ich erinnere mich an viele Wahlkampfplakate im Jahr 1990. Die äußeren Umstände veränderten sich drastisch, die Menschen blieben dieselben, auch wenn sie plötzlich anders klangen. Unsere Direktorin wurde abgesetzt und neuer Direktor wurde ein unbelasteter Mathematiklehrer, ein Einzelgänger, vor dem wir immer Angst gehabt hatten. Insgesamt denke ich, dass die Wende gerade rechtzeitig für mich kam, um mich gut umstellen und meinen eigenen Weg gehen zu können, was in der DDR sicherlich so nicht möglich gewesen wäre.
Kindererziehung und Familie:
Nun zu dem, was ich über die Kindererziehung weiß. Meine Mutter war 26, als ich 1974 geboren wurde, was für damalige Verhältnisse relativ spät war. Meine Eltern wohnten in einer Ein-Zimmer-Wohnung und zogen kurz nach meiner Geburt in eine Zwei-Zimmer-Wohnung, wo wir später dann zu viert bis 1990 wohnten. Meine Geburt musste eingeleitet werden und wird von meiner Mutter als schrecklich beschrieben. Im Kreißsaal lagen mehrere Gebärende, mit Stofftrennwänden getrennt. Im Wochenstationszimmer waren 6 frisch entbundene Frauen. Die Babys wurden immer zum Stillen alle 4 Stunden gebracht und sicherlich auch schon mit Säuglingsmilch gefüttert. Nach einer Woche wurden wir nach Hause entlassen. Der Entlassungsschein des Krankenhauses (siehe Bild) erwähnt als Nahrung "Muttermilch und Milasan". Für die darauffolgenden Tage wurden genaue Dosierungen der Säuglingsmilch vorgegeben, die, wenn man den empfohlenen Fütterrhythmus berücksichtigt, fast schon den ganzen Tag umfassten.
Über meine Kindererfahrungen, Elternschaft und Erziehung in der DDR
Viel gestillt wurde ich wahrscheinlich nicht, und vor allem nicht lange. Schon früh wurde Tee gegeben und ab ca. 3-4 Monate zugefüttert. Allerdings wurde das Stillen bis zum Alter von 6 Monaten mit 10 Mark pro Monat gefördert. Da noch zwei unbenutzte Auszahlungsanweisungen in der Mütter- und Stillkarte meiner Mama enthalten sind, gehe ich davon aus, dass ich maximal bis zum 4. Monat ergänzend (nicht voll) gestillt wurde. Die Vorsorge und Überwachung war ausgezeichnet: im gesamten ersten Lebensjahr sollten Mütter einmal im Monat die Mütterberatungsstelle aufsuchen, wo sie unterstützt und die Kinder geimpft wurden.
Über meine Kindererfahrungen, Elternschaft und Erziehung in der DDR
Ging man regelmäßig zu den Schwangerschafts- und Säuglingsuntersuchungen, erwarb man den Anspruch auf eine staatliche Geburtenbeihilfe von 1000 Mark pro Kind (große Summe!). Daneben gab es Kindergeld, einen Mutterschutz von 18 Wochen und zinslose Kredite, deren Summe sich bei der Geburt von Kindern nach und nach reduzierte (alles Stand 1974). Ab dem zweiten Kind wurde ein ganzes Jahr Erziehungszeit bei voller Lohnfortzahlung garantiert. Für berufstätige Mütter gab es einen bezahlten "Haushaltstag" im Monat. Der Urlaubsanspruch war mit Kindern etwas höher.
Über meine Kindererfahrungen, Elternschaft und Erziehung in der DDR
Die meisten Kinder kamen tatsächlich relativ früh in eine Krippe. Meine Mutter blieb insgesamt 5 Jahre mit uns beiden Kindern (mein Bruder wurde 1976 geboren) zuhause. Als wir zum 1. Geburtstag keinen Krippenplatz im Wunschkindergarten erhielten, ließ sie mich zuhause und ich kam erst mit 3 Jahren in Betreuung. Da hatte sie zwischenzeitlich schon meinen Bruder geboren. Ihn gab sie dann auch mit 3 Jahren in den gleichen Kindergarten. Man sieht also, dass es nicht nur möglich, sondern auch praktiziert wurde, länger mit Kind zuhause zu bleiben. Ein gleichaltriger Freund von uns ging bis zur Schule in gar keine Betreuungseinrichtung. Mag sein, dass ein christliches Milieu dafür prädestinierter war; es wurde aber nie religiös begründet. Meine Mutter hatte in dieser Zeit keinen festen Arbeitgeber, arbeitete zeitweise etwas von zuhause aus, aber im Grunde kam die Familie mit einem Gehalt aus. Nachdem beide Kinder im Kindergarten waren, stieg meine Mutter wieder Vollzeit in einen neuen Job ein. Beides, die lange Kinderbetreuung zuhause als auch eine Vollzeittätigkeit mit kleinen Kindern, kann ich mir für mich selbst nicht vorstellen. Nachdem wir 3 Jahre zuhause waren, bedeutete das Arbeiten meiner Mutter, dass wir dann mindestens 9 Stunden im Kindergarten waren. Meine Mutter brachte uns zu 6:45 Uhr und holte uns um 16 Uhr ab, dazwischen lagen mindestens 8,5 Stunden Arbeit. Eine Eingewöhnung gab es nicht, und ich habe wohl viel geweint. An die Kindergartenzeit habe ich kaum Erinnerungen.
Das Töpfchentraining kenne ich auch, habe es aber, als ich selbst Mama wurde, trotz der Ost-Prägung nie angewandt. Wahrscheinlich war ich einfach schon lange genug aus meiner Geburtsstadt weg. Meine Schwägerin allerdings, die zwar 10 Jahre jünger ist als ich, aber in der prägenden Umgebung geblieben ist, wendet dieses Töpfchentraining tatsächlich schon länger bei ihrem einjährigen Sohn an. Ich habe das für völlig überholt gehalten. Sie praktiziert aber auch andere Einschlafmethoden als ich, was sicherlich unter anderem mit dem Einfluss des Umfelds zusammenhängt.
Bis zur 4. Klasse wurden wir nach dem Unterricht im Schulhort betreut, ab dann gingen wir allein nach Hause und beschäftigten uns, bis die Eltern von der Arbeit kamen. Das war gar kein Problem. In den Ferien (u.a. 3 Wochen Winterferien und 8 Wochen Sommerferien) waren wir nach der 4. Klasse meist allein zuhause. Da meine Großeltern nur ein paar Häuser weiter wohnten, hielten wir uns oft dort auf bzw. mit ihnen in unserem Garten. Auch spielten wir oft selbstständig in unserem Wohngebiet mit den vielen anderen Kindern. Wir hatten nur eine Zwei-Zimmer-Wohnung und schliefen lange im Schlafzimmer meiner Eltern, bis mein Vater ein Dachzimmer ausbaute und zum Schlafen herrichtete. Erst 1990, im Alter von 15 Jahren, bekam ich durch unseren Umzug ein eigenes Kinder- bzw. Jugendzimmer. Mit 19 bin ich dann ausgezogen. Da meine Eltern nicht ins Plattenbaugebiet ziehen wollten, mussten wir so lange auf eine große Altbauwohnung warten. Die Vier-Zimmer-Wohnung erhielten wir nur durch ein Tauschgeschäft, Telefon hatten wir ebenfalls erst ab 1990, ein Auto dagegen schon immer.
Nach der Wende machten wir die ersten Urlaubsreisen in den Westen, nach Griechenland, London und Paris. Meine Mutter hatte eine mehrmonatige Umschulung absolviert und bekam dann wieder einen guten Job. Mein Vater hatte bis zu seiner Rente immer Existenzsorgen, aber sein Betrieb bestand weiter und er hatte Glück. Ich arbeitete zeitweise in der anstrengenden Gymnasiumszeit noch nebenher und in den Ferien, so dass ich für mein Leben nach der Schulzeit einen kleinen Grundstock hatte. 1993, mit 19 Jahren, kehrte ich meiner Geburtsstadt den Rücken, ging nach London und dann nach Berlin. Mein Bruder blieb dort, machte eine Ausbildung und wohnt bis heute in der Nähe meiner Eltern. So unterschiedlich können auch DDR-Lebensläufe sein.
Das war ein kleiner Ausschnitt aus meinem Leben als Kind in der DDR. Es ist immer wieder interessant, wie verschieden die Erfahrungen zum Teil sind und deshalb natürlich nur einen kleinen, individuellen Ausschnitt repräsentieren können. Das muss man immer im Hinterkopf behalten. Freunde und Verwandte, auch mein Mann, haben andere Erfahrungen gemacht. Die Vielfalt verschiedener Beiträge ergibt das Gesamtbild.
Dies war mein Beitrag zur Blogparade von Mama notes .

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