Über Ernährungswirrwarr im Kopf

Am Silvesterabend hatte ich mein Baby im Arm, schrieb einige gute Wünsche mit Freunden und der Familie hin und her und las dann eine Leser-Mail in meiner Inbox. Ich machte mir mit meinem Mann einen Tee (nicht ganz, er trank Wein), setzte mich zu ihm aufs Sofa und dachte über die Mail nach.

baby-im-arm

„Hallo Veronika,
ich habe den absoluten Ernährungswahn seit an mir vor 3 Jahren eine Hormonkrankheit diagnostiziert wurde. (…) In den letzten 2 ½ Jahren habe ich Stunden im Internet verbracht und nach der perfekten Ernährungsform gesucht, die das Hormonproblem löst. Außerdem finde ich mich dick, obwohl ich es nicht bin. Ich bin 165 cm groß und wiege 62 kg (58 kg wären toll).

Neben dem Verzicht auf Zucker habe ich wochenlang auf Milch- und Milchprodukte verzichtet. Dann auf Gluten, ich habe Paleo ausprobiert, dann vegan. Ich habe mich psychisch nie gut gefühlt. Dann habe ich diverse Bücher über natürliche Hormontherapien gelesen. Im einen Buch wird geschrieben, man soll viele Milchprodukte essen, im anderen wird es wieder verhöhnt. Im Fitnessstudio beriet man mich, ich solle Kohlenhydrate, Fette und Eiweiß im Verhältnis 50 % – 20 % – 30 % zu mir nehmen. Das ist ohne Proteinpulver einfach nicht zu schaffen, denn dann müsste man haufenweise Fleisch essen um auf die Proteinmenge zu kommen und nimmt trotzdem viel Fett zu sich. Das wiederrum entspricht dann nicht dem perfekten Säure-Basen-Haushalt von 20 % zu 80 %.

Ich hoffe, du erkennst das Problem: Ich habe zahlreiche Ernährungsformen ausprobiert und wenn ich alles einhalten würde, was beratschlagt und empfohlen wird, dann dürfte ich fast gar nichts mehr essen. Und dann habe ich noch angefangen mit einer Kalorienapp Kalorien zu zählen. Ich denke nur noch von Essen zu Essen. Ich weiß nicht mehr, was ich denken soll.

Dich hat die Ernährungsumstellung glücklich gemacht, mich vereinnahmt die Sache zu sehr. Du kennst dich mit der ganzen Ernährung besser aus als ich und hast auch schon mal unter Unzufriedenheit gelitten. Hast du nicht einen Tipp, wie ich aus dieser Falle wieder rauskomme?
Liebe unbekannte Grüße
A.“

Liebe A.,

ohne dich zu kennen erlaube ich mir, dir so zu schreiben, als wärst du meine Freundin. Das bedeutet vielleicht auch, dass du im ersten Moment stutzig bist, was ich dir schreibe. Aber es kommt von Herzen.

Ich verstehe deine immense Unzufriedenheit mit deiner Hormonkrankheit und deine Suche nach einer Lösung sehr gut und wünsche dir, dass du dich medizinisch gut beraten fühlst.

Was dein Gewicht betrifft, so lass dir eines gesagt sein: 4 Kilo sind in deinem Kopf sehr ausschlaggebend. In Wahrheit sind sie einfach nur egal. Wirklich egal. Niemand sieht sie außer dir. Du wirst sie wahrscheinlich auch nicht dort abnehmen, wo du willst. Und in ein paar Jahren wirst du dir Fotos von jetzt ansehen und denken: „Was war ich kleinlich, da haben doch wirklich keine 4 Kilo gestört!“ Wir sind einfach viel zu streng mit uns! Schönheit strahlt von innen nach außen. Wirklich.

Zu deinem Essverhalten: Ich kenne diesen Gedankenstrudel und er macht einen fertig. Einfach nur unglücklich. Ratlos. Hilflos.

Bitte vergiss alles, was du gelesen hast. Und lies nichts mehr davon. Keine Kalorientabellen. Keine Ernährungsweisheiten. Sie mögen für manche Menschen funktionieren, aber offenbar nicht für dich (und auch nicht für mich). Nichts ist ungesünder als ein unglücklicher Geist. Gegen ein unglückliches Inneres ist die Menge an Kohlehydraten, Proteinen etc. und sogar an Zucker völlig egal.

Avocadobrot

Was es für dich zu tun gibt: Lerne, dich zu lieben. Erst vielleicht nur etwas an dir, Teile von dir. Mit der Zeit kannst du immer mehr von dir annehmen, dann schätzen, dann lieben. Sei gut zu dir, wie mit einer Freundin, als wärst du dein (imaginäres) Kind, dein Partner oder dein Hund…was auch immer du liebst und gerne umsorgst. Und finde eine Aufgabe in deinem Leben, die dich auf andere Gedanken bringt und ausfüllt. Das ist beides nicht leicht und viel leichter gesagt. Aber das ist dein Ziel, dann entspannt sich der Rest. Du musst ausbrechen aus deinem Gedankenstrudel. Den Fokus verlegen, Dankbarkeit für das, was gut ist üben, auch wenn es jeden Tag nur ein Moment ist. Dankbarkeit lässt sich erlernen. Sie führt zum Glück. Tatsächlich ist Dankbarkeit der Schlüssel zum Glück. Ich wünsche dir ein fantastisch anderes Jahr 2017!“

Damit ihr mich nicht falsch versteht: Natürlich denke auch ich darüber nach, wann ich nach dieser Schwangerschaft mein Wohlfühlgewicht wiedererlangen werde. Aber ich lasse mich davon heute nicht mehr verrückt machen. Nie mehr.

Ich wünsche uns allen ein tolles Jahr! Und nicht, dass Avocadobrot hier hinpassen würde… aber wann passt Avocadobrot eigentlich nicht?!

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