Der Einsatzort klingt niedlicher, nicht so trocken orientalisch, so istanisch fern wie dereinst Afghanistan. Und 75 Prozent der Franzosen sind angeblich einverstanden mit dem Krieg, den sie militärischen Einsatz zu nennen pflegen. Kann ein solcher Zuspruch falsch sein? Was Mehrheit hat, das hat Vernunft. Und Kriege auf Grundlage von Mehrheiten, die die Funktionseliten des Staates moralisch unbelastet lassen, weil man nun die Verantwortung dem demoskopisch erfassten Volkswillen zuordnen kann, sollten geradezu exportiert werden, an denen sollte man teilnehmen.
Mit Afghanistan konnte man am Ende nicht mehr punkten. Die Basis fehlte, die Mehrheit wollte keinen Krieg mehr, den sie humanitären Einsatz zu nennen pflegten. Aber Mali! Das liest sich charmant, das scheint ganz possierlich. Unsere Jungs in Mali! Nett klingt das! Und auf die arbeitet das übliche und üble Feuilleton schon hin. Blome natürlich und einige FAZkes - und n-tv. Sogar der Bundestagspräses! Und sie nennen allesamt gute Gründe. Wenn es um Krieg geht, sind sie alle immer ganz innovativ im Begründen und Ergründen. Manche Gründe lesen sich sogar vernünftig. Menschenhandel zum Beispiel, der in Mali begünstigt wird, den will man ausmerzen. Aber dieser erzwungene Transfer von human ressources - um mal Neudeutsch zu bleiben - ist weder neu, noch ist er auf Mali beschränkt. Weshalb ausgerechnet jetzt intervenieren? Um Vertreibung und Flucht einzudämmen ist auch so ein Punkt, der so vernünftig und mitmenschlich klingt, wohl aber nur Lippenbekenntnis ist. Wo waren die Befürworter dieses Arguments im Sudan? Ist eine Intervention im Gaza-Streifen schon geplant?
Man sah schon Bilder im Fernsehen, da jubelten Malier (oder nun doch Malinesen?) den Franzosen zu, standen französischen Kettenfahrzeugen Spalier und tatsächlich: sie lachten, waren fröhlich, erleichtert ausgelassen. Immer wenn der weiße Mann kommt, freuen sie sich in Afrika, konnte man da meinen. Wer will da nicht auch als Held beteiligt sein? Freundlich empfangene Soldaten machen jeden Krieg, den sie Friedensmission zu nennen pflegen, zu einer mutmaßlich gerechten Sache. So war es immer. Als die Alliierten in Frankreich landeten und sogar als die Deutschen in Polen einmarschierten konnte man bewegte Bilder der Freude sehen. Blumenmädchen und senile Greise, die dem Tötungshandwerk auf Durchreise sentimental oder freudig erregt zuwinken, gab es zu allen Zeiten, in allen Kulturen. Jeder Krieg war noch ein gerechter und jeder einmarschierende Krieger war noch immer ein Vertreter dieser Gerechtigkeit auf Blutbasis.
Auch ohne Islamisten herrscht in Mali die Vielehe für Männer. Ein islamischer Synkretismus regelt das dortige Zusammenleben. Die Tuareg erleiden das traditionelle Schicksal aller Nomadenstämme, sie werden verfolgt, kriminalisiert und als Fremdkörper stigmatisiert. Alles ganz ohne radikale Moslems. Wielange wird es dauern, bis die ersten Experten Mali als durch und durch fundamentalistisch brandmarken werden? Immerhin gibt es da die Polygamie und die Vielweiberei ist, wir wissen das aus Expertisen, typisch mohammedanisch! Geschenkt, dass es die auch in anderen afrikanischen Ländern gibt, in denen auch christliche Afrikaner in der historisch hergebrachten und sozio-ökonomisch bedingten Vielehe leben! Wer nun Islamist ist und wer stinknormaler Malier (oder Malinese?): Wie wird die Unterscheidung vonstatten gehen? Wann kommen die ersten Berichte von Missverständnissen, von schwerer Differenzierung und Kollateralschäden ans Tageslicht? War denn die Unterscheidung von Taliban und Afghanen ohne fanatischen Hintergrund je möglich? Was hat man denn gelesen über Männer mit Bärten, die inhaftiert und gefoltert wurden, und die letztlich gar keine Taliban waren, sondern einfach nur bärtig! Haarwuchs im Gesicht war kein sicheres Anzeichen, hat man dann irgendwann gemerkt und festgestellt: Die Differenzierung ist so schwer, wir haben wenig Überblick und verlieren ihn täglich mehr. Wird all das in Mali leichter sein?
Vermutlich glauben die Kriegstrommler, die nun allerlei Motive zum Kriegseintritt, den sie logistische Unterstützung zu nennen pflegen, in die Waagschale werfen, dass die Islamisten dort aussehen wie jene Typen um Usama bin Ladin. Zottelgebartet, in weißer Kluft, berberisch gebräunt - und deswegen schön vom gemeinen Malier (Malinesen?), vom gemeinen Schwarzafrikaner zu unterscheiden. Das sind natürlich die imperialistischen frommen Sehnsüchte nach einer einfachen Welt und Landkarte, auf der man herummarschieren kann, nach Gut und Böse, nach Unterscheidungskriterien für den weißen Menschen in der Fremde absteckend. Aber genau so lief es nie, wenn der Eurozentrismus mal wieder die Welt beglücken wollte. Schon Amerikas Ureinwohner waren für die Europäer ununterscheidbar. Im Kolonialismus war es nicht anders. Nama, Griqua, Herero: Alles Hottentotten! Wir wissen ja nicht mal genau, ob die Leute aus Mali Malier oder Malinesen sind! Es ist ja für einen Europäer normalerweise schon schwer genug, asiatische oder afrikanische Gesichter zu unterscheiden - andersherum ist es übrigens nicht anders. Das hat nichts mit Rassismus zu tun, sondern mit der Vertrautheit der Wahrnehmung und Erkennung und der Physiognomie, der Symmetrie und so weiter von Gesichtern, an die man gewohnt ist. Gesichter auseinanderhalten fällt ihm, dem Europäer, also schon schwer. Aber er will gleich noch soziale Gruppen unterscheiden können. Das ist die typische europäische, typisch westliche Bescheidenheit.
Immer schön einmischen, Gefüge zertrümmern, ohne ein Gefühl für die Geschichte und die Strukturen der Region zu besitzen. Optimisten meinten, Afghanistan sei eine Lehre gewesen, so naiv beteilige man sich nicht mehr an einem Krieg. Schön dumm, denn es war nur der Anfang von einer Strategie, den Verteidigungsfall vom Boden der Bundesrepublik auf ausländisches Terrain zu verlagern. Outsourcing innergesellschaftlichen Aggressionspotenzials, wenn man so will. Der Verteidigungsfall des Rechtsvorgängers der hiesigen Republik wurde schon 1941 auf russischen Boden verlagert - Begründung: Der Russe wäre sonst zuvor eingefallen. Der deutsche Konservatismus ist nur traditionalistisch, wenn er nun mal wieder vom Hindukusch schwatzt, der irgendwas mit deutschen Interessen zu tun haben soll. Hindukusch hört man heute wieder gerne und oft. Aber deutsche Gebirge kennt eine breite Masse der Bürger nicht. Der Hindukusch ist ein Begriff, aber hören sie Harz, so fällt ihnen nicht mehr ein als: Arbeitsmarktreform!
Ein Bundespräsident trat schon zurück, weil er genau so sprach, den Verteidigungsfall der Bundesrepublik auch sah, wenn weit weg irgendwelche wirtschaftlichen Interessen Deutschlands nicht befriedigt würden. Dann hagelte es spärliche und milde Kritik und der Kerl brach ein, schmollte und trat ab. Dass Mali nun Bundesgebiet sein soll, geht mit dessen damaligen Äußerungen konform. Der Hindukusch ist eben ein mobiles und flexibles Gebirge.
Das sind vielleicht so Typen, die nun in ihrer stockkonservativen Haltung Krieg! rufen, den sie Herstellung von Frieden und Demokratie zu nennen pflegen. Sie hätten gerne die Bundeswehr dort, um die Verhältnisse zu befrieden, schreiben jedoch auch turnusmäßig davon, wie wichtig es sei, Waffen zu exportieren. Das schaffe Arbeitsgelegenheiten und wenn es Deutschland nicht mache, mache es halt jemand anderes. Diese Hetzer im Zwirn verteidigen den Krieg und die Waffen, die zu Krieg führen. Was sie predigen hat keine Hand, keinen Fuß, ist vom Nihilismus zerfressen - und dann zucken sie auch noch blöde mit ihren Achseln und sagen, die Welt sei eben so, man könnte sie nicht ändern. Als Waffenexporteur Waffen verschiffen und gegen sie in den Krieg ziehen: Man könnte das psychopathisch nennen. Aber gemeinhin sagt man dazu wirtschaftlich vernünftig.
Nun eben Mali, weil nun dort der Hindukusch hingezogen ist. Und Mali liegt bald vielleicht schon im Iran oder sonstwo. Alles Hottentotten! Europa ist wieder mal überall interessiert. Und diesmal darf der Platz an der Sonne nicht zu spärlich ausfallen für jenes Land, das Europa ganz kauderianisch seine Sprache lehrt. Wir sind doch immerhin zu mehr berufen. Wir bringen die Neger auf Zack!