Über das Spielverhalten meiner Kinder

Das Spielverhalten unserer Kinder, besonders des Großen, treibt uns regelmäßig in den Wahnsinn. Ich muss wirklich sagen, dass sie sich so gut wie nie allein beschäftigen. Ob zuhause, im Garten oder anderswo: überall sind viele Beschäftigungsmöglichkeiten vorhanden, die aber kaum bzw. nicht selbstständig genutzt werden. Immer wird ein Anstoß benötigt, immer wird Beschäftigung eingefordert und gejammert, wenn wir verlangen, mal allein zu spielen. Obwohl zumindest mein Mann ganz gern mit den Kindern spielt, ist das generell wahnsinnig anstrengend und kräftezehrend, vor allem an Tagen, wo es uns selbst nicht gut geht oder wir wirklich viel Anderes zu tun haben. Es ist eben leider auch nicht so, dass eine Anregung und ein Vorspielen ausreichen, damit die Kinder sich danach selbst weiter mit der Sache beschäftigen.
Besonders der Große hat keinerlei eigene Spielideen. Schon als er ein Baby war, fiel mir auf, dass er sich überhaupt nicht für Spielsachen interessierte und nichts von selbst in die Hand nahm. Er probierte nichts aus und hatte keinerlei Ideen, was er mit Dingen anstellen könnte. Bis zu seinem Kitastart mit 13 Monaten war es unglaublich zäh, öde und anstrengend, sich den ganzen Tag mit ihm zu beschäftigen. Man musste ihm wirklich rund um die Uhr etwas vorspielen. Er schaute zu, versuchte aber nichts selbst. Ich habe hundertmal am Tag den gleichen Turm aus Bechern gebaut, ihm vorgerasselt, ihm Autos zugeschoben und alles Mögliche ausprobiert, damit er anbeißt. Meistens vergeblich. Er hat nichts aufgegriffen, nachgeahmt oder umgewandelt. Ich bin fast wahnsinnig geworden. Auch draußen, auf dem Spielplatz, im Kinderbauernhof oder Kindercafè, hat er keine Initative ergriffen. Das wurde selbst bei wiederholten Besuchen nicht besser.
Damals dachten wir noch, das würde schon kommen, je älter er wird und mehr ausprobiert sowie sich etwas von anderen Kindern abschaut. Aber das war ein Trugschluss. Es gibt andere Kinder in unserem Bekanntenkreis, die sich über Stunden (was wir ja gar nicht erwarten) wunderbar selbst beschäftigen können und die ab und zu bei uns zu Besuch sind. Diesen Kindern beim Spielen zuzuschauen, ist für uns jedesmal sehr aufschlussreich und gleichzeitig frustrierend. Wir hoffen dann immer, dass ein bisschen was davon auf den Großen abfärbt. Meist schaut er wie paralysiert zu und steigt irgendwann ein bisschen ins Spiel ein. Sobald die Anregung aber wieder wegfällt, ist alles beim Alten. Er vergisst auch tatsächlich immer wieder, welche Spielsachen er eigentlich hat und ist jedesmal überrascht, wenn er ein altes Auto oder Spiel neu entdeckt. Dazu muss man sagen, dass bei uns fast alle Spielsachen offen und sichtbar in Regalen oder auf dem Boden im Kinderzimmer stehen oder liegen, also jederzeit greifbar sind.
Wenn er mal allein "spielt", dann meist nur für uns nicht nachvollziehbare Dinge wie Sachen irgendwo anbinden, Knöpfe sortieren, Spielzeugkisten wahllos ausschütten oder andere, immer wiederkehrende Tätigkeiten ohne Variation. Er macht überhaupt gar keine Rollen- oder Fantasiespiele allein, spricht kaum beim Spielen und hat nicht schon während des Spiels die nächste Idee, wie ich es bei anderen Kindern beobachte. Selbst Spielsachen, die ihn interessieren, greift er sich nicht von selbst. Sein "Spielverhalten" unterscheidet sich deutlich von dem anderer Kinder und hat schon teilweise autistische Züge. Es fehlt aber völlig das für Autisten typische lange und vertiefte Allein-"Spielen". Auch in der Kita beobachtet er eher oder hängt sich an das Spiel anderer Kinder ran, lässt sich aber von aktiven, kreativen Kindern durchaus begeistern und ahmt dann in dem Moment auch Ideen nach (hinterher allerdings nicht mehr). Trifft er aber mit einem ähnlich passiven, unkreativen Kind zusammen, dann ist es für uns immer eine Qual, dem Treiben zweier Kinder, die nichts mit sich anzufangen wissen, zuzusehen. Wenn er von einer Reise nach Hause oder wir aus dem Urlaub kommen, stürzt er sich nicht als erstes auf seine Spielsachen im Kinderzimmer, sondern scheint sich überhaupt nicht dafür zu interessieren.
Wenn man mit ihm zusammen (und möglichst noch exklusiv, also ohne Störung durch die Kleine) spielt, kann man sehr konzentriert, intensiv und lange spielen, muss aber auch hier immer wieder die Initiative ergreifen und anregen/vorspielen. Stellt man ihm die Kiste mit den Eisenbahnbauteilen hin und fügt die ersten Schienen aneinander, setzt er das nur fort, wenn man selbst auch weiterbaut. Sobald man aufhört, macht er dasselbe. Knetet man mit ihm zusammen die lustigsten Dinge, erhofft man sich, dass er das fortsetzt. Für ihn ist aber sofort die Luft raus, wenn keine Anregung mehr vorhanden ist. Er hilft auch gern bei bestimmten Haushaltstätigkeiten mit, was wir immer unterstützt haben. Er ist dann sehr glücklich, wenn er solch eine ausschließliche Zuwendung bekommt. Allerdings heißt das leider nicht, dass er sich nach einer gemeinsamen Aktivität allein weiter beschäftigt, weil die Erwachsenen etwas anderes zu tun haben. Nein, er ist dann tödlich beleidigt und stoppt das Spiel sofort, wenn man ihm erklärt, dass man sich jetzt Anderem zuwenden muss. Dann jammert er, wälzt sich vor Langeweile auf dem Boden und sagt undankbare Dinge zu uns, die wir uns vorher lange mit ihm beschäftigt haben. Das ist so schade.
Was mir Sorgen macht, ist, dass sein Spielverhalten auf die Kleine abfärbt, die eigentlich andere Anlagen hat. Sie konnte sich schon als Baby besser als er beschäftigen, auch nicht sehr lange, aber sie hat sich wenigstens für Spielzeug interessiert. Sie hat selber Dinge ausprobiert und man konnte auch öfter neben ihr sitzen, während sie vor sich hin gespielt hat, was beim Großen undenkbar war. Wenn sie nicht gerade eine super anhängliche Phase hat, kann man eigene Tätigkeiten erledigen und sie nebenbei versorgen. Sie bewegt sich auch selbstständig von uns Eltern weg und kann sich eine Zeitlang allein im Kinderzimmer aufhalten, holt sich selber Sachen runter und "erfindet" neue Spielweisen. Als der Große den Tiptoi-Stift mit dem Feuerwehr-Buch bekam, riss sie ihn eine ganze Weile an sich, während sich der Große kaum dafür interessierte. In letzter Zeit allerdings merkt man, wie sie immer anspruchsvoller wird und noch mehr Beschäftigung als ohnehin schon einfordert. Da sie von ihrem Bruder kaum kreative Spielanregungen bekommt, erwartet sie dies von uns Eltern. Ich weiß aber, dass sie das Potential dazu hat, schon kleine Rollenspiele zu spielen und bin immer ziemlich frustriert, dass ihr Bruder dabei so gar keine Anleitung gibt, weil er es eben selbst nicht kann.
Ich habe meine Eltern befragt, wie mein Spielverhalten als Kind war, weil wir uns nicht erklären können, wieso der Große so unkreativ und einfallslos ist. Nach ihren Aussagen war ich schon früh sehr selbstständig und habe mich viel allein beschäftigt, vor allem Bücher angeschaut und mit Tieren, Figuren, Puppen, später Kaufladen etc. gespielt. Mein Mann berichtet ebenfalls, dass er immer eine Beschäftigung für sich wusste. Die fehlende Selbstbeschäftigung des Großen finden die Großeltern übrigens auch sehr anstrengend; sie ist einer der Gründe dafür, dass sie den Großen nicht mehr als 3-4 Tage zu sich nehmen. Er kann wie gesagt sehr ausdauernd spielen, mit Puzzles, mit Lego, mit Rittern, lässt sich gern Bücher vorlesen und in handwerkliche und Haushalts-Tätigkeiten einbeziehen. Aber alles nur mit exklusiver Zuwendung und Beschäftigung. Dann ist er der dankbarste, willigste und angenehmste Spielpartner (ausgenommen Gesellschafts-/Wettbewerbsspiele). Aber allein geht nicht viel. Und die Kleine kann sich in dieser Hinsicht nichts von ihm abschauen, obwohl sie so wissbegierig ist. Leider schwindet ihre Selbstständigkeit beim Spielen immer mehr, weil sie sieht, dass der Große fast permanent Aufmerksamkeit erhält. Das ist eine ungute Entwicklung.
Dass unsere Kinder eine enge Beziehung zu uns haben und gern und am liebsten mit uns spielen, ist ja grundsätzlich in Ordnung. Wenn ein Spielen ohne uns aber gar nicht (wie im Falle des Großen) oder nicht mehr (wie bei der Kleinen) möglich ist, dann müssen wir gegensteuern. In unserem eigenen Interesse. Nur ist das nicht so einfach, vor allem für meinen Mann, der die Kinder unter der Woche nur morgens und abends sieht und die wenige Zeit selbstverständlich ihnen widmen möchte. Wir haben uns jetzt erstmal für die Wochenenden kleine bewusste Auszeiten vorgenommen, die wir den Kindern auch so kommunizieren wollen. Heute lief das so, dass in dieser Zeit mehrere Spielzeuge kaputt gemacht wurden, die Kleine die Wohnzimmerwand anmalte und der Große alle paar Minuten zu einem von uns kam und fragte, ob es uns schon reichte. Naja. Neuer Versuch. Übrigens: wenn einer von uns Eltern mit beiden Kindern spielt und der andere Elternteil in der Wohnung ist, wird dieser sofort von demjenigen Kind, das vermeintlich zuwenig Aufmerksamkeit bekommt, gesucht. Eine schwierige Angelegenheit also.
Habt ihr auch Kinder, die sich schlecht beschäftigen können? Was macht ihr da?

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