[*.txt] Ohne Schwimmflügel

„Ich trage Schwimmflügel.“ 

Du bist ein Wolkenweber, denke ich. Malst schattenspendende Wolkentürme in Frühlingstage, hinter denen es dunkel wird und die ich nicht sehen will. Im Schatten ist es noch kalt und du malst dir einen reinigenden Sturm aus, der nicht eintritt, und trübst meinen Tag unter einem sich immer weiter auftürmenden Gedankenkonstrukt watteweicher Entschuldigungen und zuckerwatteklebriger Ausreden und wattewolkenweißer Vorsätze. 

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Du liegst auf dem Rücken und webst Wolken an den Himmel wie Flicken auf alte Hosen. Der Himmel hat die Farbe von ausgewaschenen Jeans, und du redest von Dingen, die du nicht erreichst hast, die die anderen vor dir erreicht haben, die du nicht erreichen wirst, und dass die Wolken die Form von Flügeln haben und dass du dich gerade so über Wasser hältst. 

Befangen gefangen in Gedanken spielt mein Hirn Mühle mit dem Satz, den ich nicht zustande bringe, weil da ein weißer Spielstein wie ein Kieselstein im Weg liegt. Ein Gedankenstrom plätschert übers Kieselbett, verliert die eine oder andere  wirre Idee wie Tropfen einer übermütig sprudelnden Gischt auf dem Weg zum Mündungsmund, aus dem nur unverständliches Rauschen dringt wie schnell fließendes Wasser; ein Sturzbach aus Idiotie und ich bin peinlich berührt von dem, was wir da gerade beide gehört haben und dessen Quelle offenbar mein Mühle spielendes Kieselgehirn war: 

„Deine Flügel sind Chicken Wings.“ 

Ich bin ein Regenmacher, denke ich. Regne meine Zwickmühlengedanken auf deiner unbewegten Stahlhülle ab. Aber Stahl rostet im Regen. 

Du rostest ein und rastest aus. Quietschend und knarrend erwachen deine kross gekappten Flügelchen aus ihrer Starre und schlagen wild um sich und um dich und fliegen mir um die Ohren wie die aufgewärmte und eingetupperte Resteverwertung einst gepfefferter Tiraden, die einen abgestanden Geschmack in meinen rauschenden Ohrmuscheln hinterlassen. Statt dich neu zu erfinden, brutzelst du in deinem alten Fett voll triefender Ermattung im Angesicht des Tellerrands, der dir unerreichbar scheint. 

Kochst dich in deinem eigenen Süppchen bei Wohlfühltemperatur, bis nichts mehr bissfest ist und alles eine schwammige Konsistenz ohne Grenzen besitzt , damit du dir vorgaukeln kannst, keine Grenzen zu kennen. Dabei bist du selbst die Grenze, mit deiner Wolke vor dem Kopf dringst du nicht mal bis zu dir selber vor, siehst nicht den Hosenboden-Himmel, der sich dahinter versteckt und der nur dir gehört, würdest du ihn doch nur nutzen. 

Und ich lasse es regnen. Bis dein Suppentopf überläuft und du hinaus geschwemmt wirst aus dem wohligen Warm deiner bekannten Umgebung, hinaus aus dem blickdichten Trübsal, das du unter deinen Fettaugen gekonnt übersehen hast, hinaus, wo Entscheidungen auf dich warten, die aussehen wie Wolken, die wie Flügel aussehen, wo verbale Sturzfluten wie Naturkatastrophen über den Tellerrand auf dich niederprasseln und dich zu ertränken drohen, weil du dich nur an die Schwimmflügel klammern kannst wie an das alte Bild, das du dir von dir selbst gemacht hast und das sagt „Du kannst das nicht.“ 

Aber du kannst. 

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Dieser Text ist Teil des Projektes *.txt von Dominik. Einmal im Monat veröffentlicht er ein zufällig ausgewähltes Wort. Im April wählte er „trüb„. Davon inspiriert ist „Ohne Schwimmflügel“ entstanden. Unterschrift1


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