Tweets

Erstellt am 3. Juli 2012 von Andramas

“Ich sollte rasch mehr notieren”, dachte ich einst und eröffnete einen Twitter-Account. Probeweise. Als Sonnensack. Der sich ins Profil schrieb: “Ein ständig nörgelnder alter Mann, streitsüchtig, zänkisch und die Neue Zeit nicht verstehend.”

Doch siehe da: Nichts änderte sich.

Klar, wie sollte es auch! —> Sinnvoll wird Notiertes immer erst dann, wenn man ab und zu darin liest. Wie ich gestern, als ich meinen Sonnensack-Twitter-Account um nahezu zwei Jahre zurücksrcollte und ein Tweet zum seinerzeit neuen Rechner fand.

Ein gutes Produkt kauft man und ist zufrieden. Glücklich wird, wer später zufällig entdeckt, dass es – eigentlich – noch viel-viel besser ist als angenommen.

Stimmt.

Das war vor 583 Tagen und so – haargenau so – würde ich heute auch noch sagen.

Plötzlich erinnere ich mich an die Tage damals. Und finde mich bestätigt. Ja! – Vor 581 Tagen suchte ich einen Radiomoderater, der endlich einmal schlechte Laune verbreitet. “Die Gute-Laune-Masche der Berliner Sender nervt”, twitterte ich und setzte einen Hashtag bei #Gute-Laune-Inflation.

Aber das war wohl gewissen Umständen geschuldet. Heute empfinde ich das Gegenteil, weil offenbar zu sehr von Béla Réthy genervt. Von dessen Jedes-Spiel-Zernörgel-Gequatsche und heute wünsche mir statt dessen (zum zichten Male übrigens), dass man wenigstens beim Fußball zwischen diversen Moderatoren hin-und her switchen kann. Meckerkopp auf Kanal 27 – Optimist auf Kanal 31 – Nur Stadiongeräusche auf Kanal 00 …

Sonnensack-Sonderheit: Statt nur zu meckern, isser innovativ. Doch was nützt die beste Idee – frage ich mich heute – wenn niemand darauf kommt?

Plötzlich schneit es. Dicker fetter Schnee. Mein erstes Retweet (von “kuhmuh”, von vor 581 Tagen):

Verhalten, wenn es schneit: 2% bauen einen Schneemann, 3% machen eine Schneeballschlacht, 95% posten “Schnee!” auf Facebook

Die Wischmöglichkeit des Pads provoziert zum Wischen. Ich werde schneller.

Nur wer jung ist, hört hin und wieder neue Witze.

Das Folgenden schrieb ich frei nach Brecht:

Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank? Was ist Parken gegen ein Ordnungsamt?

Der Macho produzierte:

Die Ehe ist das Band zwischen zwei antagonistischen Seiten, dergestalt dass eine Seite immer im Recht ist. Andererseits steht der Mann.

Ich mag also – ihr lest es gerade – auch Nichternstzunehmendes.

Mann braucht solche Sprüche als Retrospektive an eine längst untergegangene Zeit. An Zeiten wie damals, als die Kappen noch nicht schmolzen, als Ozon noch kein Loch, als die meiste Umwelt intakt. An Zeiten, da die Welt in Ordnung und man vermutete: Sie kann ja eigentlich nur aus einer Rippe kommen…

Und: Was für ein Glück, dass sich das Internet alles merkt!

Nun bin ich bei den Tweets von vor 569 Tagen. Ob mir alles noch einmal einfallen würde, ist nicht gewiss.