TV Wahnsinn: Til Schweiger und sein "Tatort"-Debüt - Unsere Review zu WILLKOMMEN IN HAMBURG

Wahnsinn: Schweiger sein
Fakten:
Tatort: Willkommen im Hamburg
BRD. 2012. Regie: Christian Alvart. Buch: Christoph Darnstädt. Mit: Til Schweiger, Fahri Yardim, Britta Hammelstein, Tim Wilde, Luna Schweiger, Nicole Mercdes. Müller, Mavie Hörbiger, Stefanie Stappenbeck, Mark Waschke, Wotan Wilke Möhring u.a. Länge: 90 Minuten. FSK: freigegeben 12 Jahren.
Story:
Nick Tschiller arbeitete lange Zeit als verdeckter Ermittler in Frankfurt. Um näher an seiner Teenager-Tochter zu sein zieht er aber nach Hamburg. Dort legt er sich mit einem Mädchenhändler Ring an.


Meinung:
Es beginnt mit einem „Fuck“, dem ersten Wort, welches über Schweigers Lippen geht. Genau das dachten sich auch viele, als es offiziell war, dass er als „Tatort“-Kommissar im Hamburg ermitteln wird. Nun war es soweit. Der Schauspielstar, der im TV seine Sporenverdiente und seit gut 20 Jahren als einer der größten noch lebenden Kinostars unserer Nation gilt, ermittelte als Nick Tschiller (was für ein Name). Was dabei sofort nach den ersten paar Minuten auffällt ist, dass bereits der Beginn so viele Tote und Schusswechsel aufweist, dass es für drei andere „Tatorte“ reichen sollte. Dieser Tschiller macht keine Gefangenen und ähnelt vom Profil und seiner Mentalität her nicht nur an die groben Helden des amerikanischen Actionfilms, sondern auch ein wenig an den deutschen Kult-Kommissar schlechthin: Schimanski. Dabei hat dieser aber den Vorteil auf seine Seite. Tschiller ist ein Abziehbild des modernen Actionhelden. Gegen den rauen Charme eines Schimanski kommt er nicht an.

Wenn der neue Hamburger Kommissar ein gravierendes Problem hat, dann dass er leider an eine Persönlichkeit hat, die wenig überzeugend ist. Es ist „Willkommen im Hamburg“ deutlich anzumerken wie versucht wird Tschiller ins richtige Licht zu rücken. Er soll hart sein, also legt er gleich drei böse Jungs um. Er soll herzlich sein, also versucht er sich als Vater bei seiner pubertären Tochter und witzelt mit seinem Kollegen rum. Dies alles ist durchweg ohne sonderliche Längen inszeniert, es ändert aber nichts daran dass Schweigers Rolle nicht darauf ausgelegt ist ein vielschichtiger, interessanter Charakter zu sein, sondern dass er einzig und alleine auf den Star zugeschnitten wurde. 

Wahnsinn: Schweiger sein

Nick Tschiller schlägt sich durch

„Willkommen in Hamburg“ scheint der Versuch zu sein der renommierten Krimi-Reihe der ARD ein neues Trademark zu verleihen. Der „Tatort“ aus Münster ist für seine Komik bekannt, warum also nicht den Hamburger amerikanisieren, damit er an Hollywood, Actionfilme und große Helden erinnert? Der Schwall von Vorab-Kritiken, gehässigen Äußerungen und medialen Verteuflungen zielen derweil aber nicht auf den Film an sich, sondern auf den Star: Til Schweiger. Ja, das Script und die Rolle des Tschiller wirkt wie ein bemühtes abgrasen der typischen Schweiger-Klischees. Und auch dass mit Schweigers Tochter Luna, Til Wilde und Fahri Yardim drei Team-Mitglieder aus dem Schweiger-Squad mitwirken macht das Ganze auch nicht einfacher es einmal ohne den Faktor Schweiger zu sehen. Zumindest waren sich die Macher – und hoffentlich Schweiger auch selbst – dessen bewusst. Wie sie damit umgehen? Statt wie sonst bei Schweiger trotzig und stur zu sein, versuchen sie es mit Selbstironie. Das Ergebnis sind einige amüsante Momente, die der ansonsten aber sehr rabiaten und kalten Grundstimmung klar unterlegen sind.

Wahnsinn: Schweiger sein

Hier geht mehr kaputt als vom "Tatort" gewohnt

Aber wie ist er denn nun, der neue „Tatort“ aus der Hansestadt? So ganz ohne Schweiger-Bonus, bzw –Hass?  So komplett ohne Vorbehalte bzgl. der actionorientieren Ausrichtung? Die klare Antwort: solides Mittelmaß. Regisseur Christian Alvart, der einst einmal als deutsche Regie-Hoffnung nach Amerika ging und dort den verzichtbaren „Fall 39“ sowie die unterbewerten „Pandorum“ ablieferte, inszenierte eine knappe Geschichte mit den typischen „Tatort“-Einmaleins. Hier ein bisschen Sozial- und Gesellschaftskritik, dort eine Prise Privatleben und dazwischen etwas ermitteln. Wobei das Ermitteln sich in „Willkommen in Hamburg“ meistens auf rennen, prügeln und schießen begrenzt. Ob das den hartgesottenen Krimi-Fans gefällt bleibt abzuwarten, vor allem weil der waffenstrotzende Showdown zu überheblich wirkt, um ernstgenommen zu werden. Wobei sich eine augenzwinkernde Sicht durchaus lohnt. Vielleicht funktioniert „Willkommen in Hamburg“ ja großes Ätschibätsch dem klassischen „Tatort“ gegenüber? 
Eins ist aber sicher, der Sturm der Entrüstung, der vermutlich folgen wird, wird sich weitestgehend auf den Hauptdarsteller begrenzen. Dies ist zu einem gewissen Grad verständlich, immerhin wird alles auf ihn zurechtgeschnitten. Nach dem ersten Einsatz von Tschiller, ohne allzu große „Tatort“-Erfahrung und ermüdet vom allgemeinen Anti-Tenor gegenüber Schweiger (der auch nicht zu meinen favorisierten Darstellern gehört) kann ich nur sagen: lasst ihn doch. Natürlich rückt „Willkommen im Hamburg“ deutlich von den Wurzeln der Reihe ab und versucht allzu zwanghaft einem Trend und somit wohl auch den Quoten hinterher zu hechten, aber das ist ja nicht das erste Mal. In den 1990er durfte Ulrike Folkerts alias Lena Odenthal im Zuge des grassierenden „Akte X“-Hypes auch einmal gegen Aliens ermitteln - wenn der Ausgang dann doch höchst menschlich war. Der „Tatort“ verändert sich, bleibt im Kern aber gleich. Weswegen ich ihn ansonsten auch eher nicht beachte. Wenn die ARD jetzt ein paar A-Promis an Bord holt, so kann dies gewiss den „Tatort“ schaden, aber es kann ihn auch neue Impulse verleihen. Hoffen wir mal, dass die noch kommenden Fälle von Wotan Wilke Möhring (der hier einen Gastautritt hat) und dem Duo Nora Tschirner und Christian Ulmen es besser schaffen das Altwürdige der Reihe mit der modernen Stilistik eines Kinofilms zu kreuzen als „Willkommen in Hamburg“.
5 von 10 glatten Bauchschüssen
Ich möchte darauf hinweisen, dass es verdammt schwer war keine doofen Witze über den Namen Tschiller zu machen. Vom "ChinTschiller" bis hin zur "Tschill-Out-Area" wäre einiges drin gewesen.


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