TV-Tipp: HATUFIM (ab 9. März auf ARTE)


TV-Tipp: HATUFIM (ab 9. März auf ARTE)Ab dem 9. März präsentiert Arte donnerstags ab 21.00 Uhr die erste Staffel der Serie HATUFIM – dem „Vorbild“ des US-Hits HOMELAND.
Dabei hat HATUFIM (dt. etwa: „Verschleppt“) nicht gar so vielm mit dem Hollywood-Pendant gemein: Während unter der Federführung von Alex Gansa und Howard Gordon HOMELAND vor allem von dem fintenreichen Terrorismus(-Paranoia-)Plot um einen (vermeintlichen) US-Marine-Soldaten und ehemaligen Kriegsgefangenen geht, der von einer Geheimagentin als „umgedrehter“, islamistischer Schläfer verdächtigt wird, steht bei HATUMFIM primär das Drama um die Reintegration von ehemaligen „P.O.W.“ im Nahostkonflikt im Mittelpunkt. Nur ein „Nebenkriegsschauplatz“ geht es in der israelischen Serie um das, was nach der heroischen Rückkehr von gezeichneten, gar gebrochenen oder traumatisierten Soldaten geht, wie sie wieder in den Alltag und in ihre Familie hinein finden müssen – oder eben nicht. In HATUFIM sind es drei Familien, die anfangs noch im fernen, „neutralen“ Frankfurt auf die Ankunft warten. Drei Frauen, und eine von ihnen bekommt ihren Mann nur im Sarg zurück. Trotzdem wird er, quasi als Geist und Abwesender, seine Rolle spielen. 
Gerade dieser Auftakt zeigt nicht nur, wie sehr sich HATUFIM von HOMELAND im Zugang und Interesse zu dem Thema unterscheidet, sondern auch, wie sich Konflikte, Kriege, ihre Wahrnehmung und Bewältigung unterscheiden. 
Ist Brody, der neue Vorzeige-Krieger, der sich daran macht, seinen Ruhm als Leidens- und Duldensmann im Namen des Vaterlands in eine politische Karriere umzumünden, wobei ihn die psychisch kranke CIA-Agentin als heimlichen Radikalislamisten mit Anschlagsplänen beargwöhnt, gar bis ins Intimste bespitzelt, erzählt HATUFIM von einem schmutzigen Alltageskriegs, in dem die Befreiten (schon nicht mehr) mit keinem solch großen Medieninteresse und Blasmusikorchester begrüßt werden. Zu alt, zu verfahren und hässlich zeigt sich der Nahostkonflikt, auch zu nahe der Feind, der „Palästinenser“, die Hamas, als dass man sie als zu einem solchen fremdartigen Schreckgespenst machen könnte, wie es in HOMELAND mit den Terroristen geschieht (selbst wenn diesen auch dort beunruhigend viel Logik zugeschrieben und relativ viel Verständnis hinsichtlich Motivation entgegengebracht wird).
TV-Tipp: HATUFIM (ab 9. März auf ARTE)
Man kann folglich HATUFIM nicht als Vorläufer von HOMELAND sehen (schon gar nicht als unterentwickelten, unausgereiften!). Zum einen nicht aus dem Produktionskontext heraus: Gideon Raff, der in Los Angeles am American Film Institute studierte, entwickelte HATUFIM und HOMELAND quasi parallel, wobei sein Einfluss auf die US-Serie nicht allzu hoch eingeschätzt werden dürfte. 
Als Erzählungen selbst stellen beide Serien ein faszinierendes, sowohl widersprüchliches wie einander ergänzendes Paar vor: HOMELAND als spannender Thriller, der seine Ambivalenz als Spannung nicht zuletzt aus seinen gebrochenen, intensiven Genre-Charakteren, deren Handlungsverwicklungen und den Plottwists generiert, Plottwists freilich, die oftmals mehr sind als reine Verblüffung. Und HATUFIM als Drama, als stille Tragödie, in einem Dauer-Konflikt, in einer (auch historischen) Situation, in der ein solches Spannungserzählen nicht mehr solch einen Sinn macht, in dem eine Normalität nicht mehr so sehr zu behaupten (oder, auf der Handlungsebene zu „unterwandern“) gäbe. Dass es eine Situation, die selbst nicht hinreichend reflektiert, kollektiv verarbeitet und anerkannt wird, zeigt nicht nur der Massenerfolg von HATUFIM, aber auch die Kontroversen darum. Tausende meldeten sich nach der TV-Premiere in Israel, Soldaten, ihre Angehörigen, die endlich auch ihren weitgehend verschwiegenen, ausgeblendeten Kampf, das seelische und zwischenmenschliche Leiden als Tribut des Nahostkonflikts reflektiert sahen. Eine zweite Staffel von HATUFIM ist entsprechend 2012 in Israel gelaufen.
HOMELAND und HATUFIM sind zwei unbequeme, moralisch nicht einfache und, nicht zuletzt und im besten Sinne, tieftraurige Story, mehr noch: sind Weisen, Modi des Erzählens. In beiden finden wir das Familienelement, das Wiedereinglieder in ein längst und unwiederbringlich verlorene Normalität, deren Brüchigkeit und Fassadenbedeutung, in beiden ebenfalls, aber eben ebenso unterschiedlich (psychologisch) gewichtet: das Element des Verrats , des Überlaufens.
In HOMELAND jedoch geht es um die bittere Erkenntnis, wie „nah“ uns der Feind, das Böse, scheinbar Unverständliche, das Radikale sein kann, wie sehr es doch unseren eigenen Dämonen entspricht und wie „lieb“ wir es dahingehend gewinnen können, ohne dass es dabei aufhört, uns heimzusuchen, sich als Gegner anzubieten, aufzudrängen, den es mit allen Mitteln zu bekämpfen gilt – bei allen Opfern hier wie da.
HATUFIM hingehen berichtet hingegen – und folgerichtig „unspektakulärer“ und ebenso logisch mit Augenmerk auf dem Privaten, dem Persönlichen und Individuellen – von dem, was bleibt und bleiben kann, wenn solch ein Kampf so inhaltsleer, unentscheidbar wie institutionalisiert geworden ist.
HOMELAND oder HATUFIM? Es fällt schwer, zu sagen, welcher Ansatz, welche Sichtweise und welche Weisheit der beiden Serien schrecklicher ist, mehr zu Herzen geht und weiser ist.
HATUFIM - IN DER HAND DES FEINDES heißt Raffs Serie bei Arte in der deutschen Version. Vielleicht ist das passender für die US-"Version", vielleicht ist das irreführend für beide Serien. Vielleicht aber ist es auch auf gewagte Weise zu schlau: wenn man in der Interpretation die "Hand" und den "Feind" die geografischen, politischen und kulturell-identitären Seiten tauschen lässt ... 
Übrigens: HATUFIM können Sie sich bis sieben Tage nach der Ausstrahlung bei Arte in der "Art +7"-Mediathek anschauen!
Und eine Interview mit Gideon Raff auf der Arte-Website gibt es HIER.
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