„The rain comes down like it always does, this time I got seeds on ground“. So schließt das nunmehr fünfte Album von TV on the Radio, dieser herausragenden Band aus Brooklyn, New York.
Der Reinkarnationsgedanke ist in der Zeile ebenso wichtig wie namensgebend, zum Verständnis muss man aber kurz auf die schon 13 Jahre alte Bandgeschichte zurückblicken. Aufgestiegen in New York in einer Wolke aus Synthie, Indierock, Post-Punk und Trip-Hop prägen TV on the Radio vor allem eine Musikrichtung, die man wohl am besten unter „Artrock“ verzeichnen sollte. Schnell war da klar, dass Musikgeschichte geschrieben wird: Nach kleineren und größeren Erfolgen veröffentlichte die Band ihren bis dahin eingängigsten und durchwegs poppigen Hit, Golden Age, der aufhorchen ließ. Das zugehörige Album sowie das 2011 darauffolgende konnten die Erwartungen (vor allem jene der Labelchefs) nicht ganz einhalten, noch dazu kam ein schwerwiegender persönlicher Schicksalsschlag: Bassist Gerard Smith verstarb kurz vor der Veröffentlichung von Nine Types of Light an Krebs.
Im Großen und Ganzen war es also keineswegs sicher, wie und ob TV on the Radio weiterbestehen würden. Die Unruhe rund im bandinternen Musikschaffen machte sich vor allem auch an den Soloprojekten, die von Film- bis hinein ins Kunstbusiness reichen, bemerkbar, die von allen übrigen Mitgliedern seither betrieben wurden. Seeds ist deshalb ein zweifach wichtiges Album: Einerseits soll es die Rückkehr einer ehemals großartigen Band bedeuten, andererseits neue Maßstäbe setzen. Beides ist hier gelungen.
Kennt man eben jene Vorgeschichte nicht und stößt ohne Vorkenntnisse und Erwartungen auf dieses neue, fünfte Studioalbum, möchte man vielleicht meinen, einer gewissen Naivität und gar zu überzeugtem Optimismus ausgesetzt zu sein. Aber an dieser Oberfläche muss etwas gekratzt werden: die Synthesizer-Störgeräusche, experimentelle Rhythmuskonstruktionen oder andere avantgardistische Avancen, die man schon von den früheren Platten gewohnt war, wurden getrost entlassen. Seeds ist ein durchwegs stimmiges, melodiös fein gearbeitetes Album, das von einer angenehmen Straightness geprägt ist. Immer noch vereinen TV on the Radio so ziemlich alles, was man an anderen Bands als exzeptionelles Talent hervorheben würde: Gitarrenriffs und Gospelchor, ein klirrendes Quartz zum Einstieg, ein hell-läutendes Right now, smoothe drums, Kopfstimme und offensichtlich unumgänglich: das Streicherensemble.
Happy Idiot war der Vorbote zum Album und springt uns relativ schnell schon nach Sekunde 19 mit dem naiv-kapitulierenden Refrain entgegen: „I’m gonna bang my head to the wall until I feel like nothing at all, I’m a happy idiot“. Hierin steckt schon viel von dem, was die Aussage des Albums unterstreicht: Erfahrungen, die die Band im beruflichen wie persönlichen Umfeld gesammelt hat und mit einem augenzwinkernden Ressentiment nun auf dieser Platte, die vielleicht gar nicht notwendig war und umso mehr die Bandgeschichte doch zum Ziel führen wird, zusammenbringt: „You did a thing to my heart, and it will never be the same (Careful you).
Mit dunklen Klavierakkorden tritt uns das wahrscheinlich schönste Stück, Ride entgegen. Hier muss man sich gedulden, ehe nach guten zwei Minuten Gesang und Drumset die schweren Streicher und das erwähnte Klavier begleiten dürfen. Sogar das mittlerweile oft allzu triviale Motto „Don’t worry, be happy“ wird in ähnlicher Manier bedeutungsvoll neu aufgeladen („Trouble“), auch wenn die Band sich mit dieser Zeile wohl am allerehesten selbst adressiert. Die Indie-Discos rund um den Globus sind hiermit jedenfalls wieder einmal erobert. Und viel schöner noch: auch alle anderen. Bleibt nur noch zu sagen: Very welcome back – highly recommended.
TV on the Radio – Seeds, Vertigo, www.tvontheradio.com