tv diskurs 2013 (Teil 2)

Erstellt am 3. Dezember 2013 von Denis Sasse @filmtogo

Und wieder machen wir auf filmtogo.net einen kleinen tv diskurs (Wortspiel!). Die beiden neuesten Veröffentlichungen des Magazins tv diskurs widmen sich den Vorbildern in den Medien als auch dem Umgang mit Werbeinhalten. Damit erhalten Ausgabe 3 und 4 dieser Publikation interessante Thematiken, mit denen man sich erneut umfangreich beschäftigt, über den Tellerrand des Normalverständnisses hinausblickt.

In tv diskurs 3/2013 wird dem Titelthema darüber hinaus noch ein höchst spannender Exkurs über den erzieherischen Jugendschutz Japans vorausgestellt. Die Autoren Heiko Höttermann und Klaus Hinze haben im Rahmen des Studienprogramms “Jugendarbeit 2013: Kinderschutz und Internetsucht” im Mai dieses Jahres einen Besuch in Japan gemacht, um dort mit Hilfe von Fachleuten aus Hochschule, Verwaltung, Beratungsstellen und Non-Profit-Organisationen einen internationalen Überblick über den japanischen Jugendschutz zu erhalten. Im eigentlichen Heftthema steht ein Aufsatz von Alexander Grau vorne: über Vorbilder und Archetypen, über die Fähigkeit des Menschen zu lernen und sich Verhaltensweisen abzuschauen, sie nachzuahmen, ihnen quasi nachzueifern. Der Mensch habe laut Grau, wie er zusammenfasst, das Bedürfnis nach Identifikation, immer beruhend auf kulturellen Leitmotiven, die überhaupt erst vorgeben würden, was überhaupt ein Vorbild sei oder als solches wahrgenommen werden würde. Eine solide Einführung in die Gesamtthematik, damit der Leser erst einmal eine Übersicht erhält, woher das Vorbild stammt, wie es entsteht und worin es sich manifestieren kann.

In weiteren Artikeln widmen sich die Schreiber dann der Bedeutung von medialen Vorbildern im Laufe des Lebens, sicherlich in der Kinder- und Jugendzeit immer noch ein Stück wichtiger als im Erwachsenenalter. Hier dann auch ein gesondert zu lesender Beitrag zu dem Celebrity als Star, als eben solches Vorbild, als Idol und Heldenfigur (schön geschrieben von Martina Schuegraf). Das Thema bietet besonders viel Raum für den ausführlichen Blick auf den Umgang von Jugendlichen mit Vorbildern, unter anderem auch unter der Fragestellung, an wen sich die Jugend denn heute überhaupt orientiert und warum? Finden neben diesen Celebrities auch andere Vorbildmöglichkeiten einen Raum? Sind Eltern noch Vorbilder oder hat sich diese Funktion gänzlich auf die medial präsenten Figuren verschoben? Weiterhin werden Sportler in den Fokus genommen, wie auch eine explizite Idolisierung jüngster Filmfiguren wie Django aus Quentin Tarantinos Django Unchained sowie Katniss Everdeen aus der Jugendbuchreihe, bzw. den entsprechenden Verfilmungen zu Die Tribute von Panem.

Ebenso wie das dritte Magazin der tv diskurs-Reihe sich anfangs mit dem Jugendschutz in Japan beschäftigt, wirft nun die vierte Veröffentlichung des Jahres einen Blick auf das Kinderschutzgesetz Russlands – besonders heikel, da hier immer noch Bewahrpädagogik betrieben wird. Gerade erst in 2012 hat die Medienaufsichtsbehörde Roskomnadzor ein Gesetz verabschiedet, nachdem alle öffentlich zugänglichen Informationsangebote einer Altersklassifizierung unterliegen müssen. Gerade noch im Juli dieses Jahres wurde ein Verbot jeglicher homosexueller Propaganda ausgesprochen. Natürlich gibt es hier zahlreiche Gegner, die dementsprechend Freiheitseinschränkungen sehen. Durch die Brisanz wird dieser Blick auf die Fernsehlandschaft Russlands und die Erklärung des dortigen Kinderschutzgesetzes fast noch interessanter als das eigentliche Thema dieser Ausgabe. Hinzu kommen wegweisende Ideen, auch für Deutschland. Denn wo das Internet immer unüberschaubarer wird und kaum kontrollierbar ist, benötigt es neue Ideen für einen umfangreicheren Jugendmedienschutz. Hier ist die Rede von PEGI-Piktogrammen, wo Bilder für Einstufungen stehen: eine Spinne für Medieninhalte, die Angst einflössend sind, eine Spritze für die Darstellung von Drogenkonsum – eine Form von Alters- oder Empfindlichkeitsempfehlungen, die bereits in 29 europäischen Ländern praktiziert wird.

Dann darf aber natürlich auch das Hauptthema nicht unterschlagen werden. Es geht nicht um den bloßen Fernsehwerbespot, nicht um Reklame an Litfaßsäulen oder auf Zeitungsseiten, sondern konkret um die Evolution der Werbung: eine zunehmende Ästhetisierung, eine Individualisierung (Google zeigt, was du magst; Amazon weiß, was du noch kaufen wollen könntest) im Kontext eben jener digitalen Verbreitungsmöglichkeiten, die die “alten” Medien werbetechnisch zu überholen drohen. Wie wird der Mensch emotional beeinflusst um eine Entscheidung auf Werbewirkung basierend zu treffen? Ist es etwa eine Vermarktung des Glücksgefühls? Der Mensch fühlt das Glück, fühlt die heile Welt und fühlt sich angezogen von dieser Regenbogen-Utopie, die von der Werbung ins Zuhause getragen wird. Aber auch ein Blick auf die andere Seite wird gewährt, dorthin wo die Werbung entsteht. Fernab von der Vorstellung kreativer Schlaumeier, die um einen Tisch sitzen und sich raffinierte Ideen einfallen lassen, um den Menschen die neuesten Konsumgüter anzudrehen, wird ein Blick in eine Werbeagentur geworfen und die wirkliche Arbeit hinter diesen mysthischen Gemäuern gezeigt. Und dann fragt man sich sogleich, was Werbung eigentlich alles darf? Hat ein Werbeclip einen Freifahrtschein an gutem Geschmack? Oder handelt Werbung gar immer als Spiegel der Zeit, bildet die Gesellschaft ab, die sie selbst zum Kauf animieren möchte?

Vielerlei Fragen die in den tv diskurs Ausgaben 3 und 4 ausführlich erläutert werden. Dieses Mal gilt aber fast noch mehr als zuvor, dass auch die Randthemen so sehr faszinieren, dass sie den weit ausgearbeiteten Texten schon fast den Fokus stehlen. Aber auch nur fast. Und darüber hinaus mindert das weder die Qualität noch die Faszination, die von mancherlei neuer Erkenntnis ausgehen, die hier im Zusammenhang mit Vorbildern oder der Werbung gemacht werden können.

tv diskurs 2013 (Teil 1) auf filmtogo.net
Das Magazin tv diskurs bei der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF)