TV-Bosman ante portas?

In zwei Vorabentscheidungsverfahren, über die beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg zu entscheiden hat, steht das System der exklusiven Sportübertragungsrechte  auf dem Prüfstand. Karen Murphy, Pub-Betreiberin in Portsmouth (Bild: BBC) hatte für ihr “Red White and Blue” den TV-Vertrag mit SKY SPORTS gekündigt und stattdessen via Satellit einen – wesentlich billigeren – griechischen TV-Sender benützt, um Premier League-Spiele in ihrem Pub zu zeigen. Nun bekommt sie teilweise Schützenhilfe von der Generalanwältin beim EuGH Juliane Kokott. In ihren Schlussanträgen, die dem Urteil des Gerichtshof vorausgehen, sieht sie in den auf einzelne Staaten eingeschränkten Fernsehlizenzen zumindest teilweise einen Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit und eine europarechltich unzulässige Wettbewerbsbehinderung. Die Premier League appelliert an den EuGH, der Rechtsauffassung der Generalanwältin nicht zu folgen. 

TV-Bosman ante portas? Das Verwenden der ausländischen Satellitenkarte brachte Frau Murphy (Bild: BBC) in Konflikt mit dem britischen Urheberrecht, das solche Fußballübertragungen nur durch den autorisierten Sender Sky Sports erlaubt, auch wenn das Frau Murphy wie folgt kommentiert: 

“I think it’s a greedy private company trying to dictate to the small people what they can and can not do, purely for profit.” 

Generalanwältin Juliane Kokott unterstützt nun in ihren Schlussanträgen an den EuGH grundsätzlich die Argumentation für einen Empfang ausländischer Satellitenprogramme. die Exklusivitätsvereinbarungen qualifiziert sie als schwerwiegende Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit, für die keine Rechtfertigung bestehe. Es gebe – so die Pressemitteilung des Gerichts -

kein spezifisches Recht, in jedem Mitgliedstaat andere Preise für eine Leistung zu verlangen. Vielmehr liege es in der Logik des Binnenmarktes, dass Preisunterschiede zwischen verschiedenen Mitgliedstaaten durch Handel ausgeglichen werden. Die Vermarktung von Senderechten auf der Grundlage territorialer Exklusivität liefe darauf hinaus, aus der Ausschaltung des Binnenmarktes Gewinn zu erzielen. Im Ergebnis rechtfertige daher der spezifische Gegenstand der Rechte an der Übertragung von Fußballspielen keine Aufteilung des Binnenmarkts und somit auch nicht die gegebene Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit.”

Generalanwältin Kokott schränkt aber ein, dass die Dienstleistungsfreiheit einem Widerspruch des Rechteinhabers einer Sportsendung gegen die Wiedergabe der Sendung in einem Pub insofern nicht entgegen stehe, als unterschiedliche Bedingungen für die private Wiedergabe und die Wiedergabe in Gaststätten zulässig sind.

TV-Bosman ante portas?In den Rechtsstreitigkeiten der Premier League gegen QC Leisure u.a. sowie Karen Murphy gegen Media Protection Services Ltd führt die Generalanwältin in ihren ausführlichen, der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes, der von zwei britischen Gerichten mit Vorabentscheidungs-Ersuchen angerufen wurde, unter anderem aus: 

“(…) 7. Das Recht zur Wiedergabe urheberrechtlich geschützter Werke über Satellit nach Art. 2 der Richtlinie 93/83/EG schließt das Recht ein, diese Sendung im Ausland zu empfangen und anzusehen

a)  Die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV (früher Art. 49 EG) steht Regelungen entgegen, die es aus Gründen des Schutzes von geistigem Eigentum verbieten, in einem Mitgliedstaat Zugangskontrollvorrichtungen für verschlüsseltes Satellitenfernsehen zu verwenden, die in einem anderen Mitgliedstaat mit Zustimmung des Inhabers der Rechte an der Sendung in Verkehr gebracht wurden. Ob diese Vorrichtungen in dem anderen Mitgliedstaat durch Angabe eines falschen Namens und einer falschen Privatanschrift beschafft und/oder aktiviert wurden, ist unerheblich. Auch eine einzelvertragliche Vereinbarung, die Decoderkarten nur zu häuslichen oder privaten Zwecken zu verwenden, ändert an diesem Ergebnis nichts. 

b)  Die Dienstleistungsfreiheit steht innerstaatlichen Regelungen nicht entgegen, die es dem Inhaber von Rechten an einer Sendung erlauben, ihrer Wiedergabe in einer Gaststätte zu widersprechen, vorausgesetzt die aus der Ausübung dieses Rechts folgende Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit steht nicht außer Verhältnis zum Anteil der geschützten Rechte an der Sendung.  

 c)  Für die vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen ist es unerheblich, ob die nationale Rechtsvorschrift gegen die Dienstleistungsfreiheit verstößt, weil sie auf Sendungen Anwendung findet, die mit einem Rundfunkdienst übertragen werden, der von einem Ort im Vereinigten Königreich ausgeht, nicht jedoch auf Sendungen aus einem anderen Mitgliedstaat. 

 8.  Zur Frage 10 in der Rechtssache C‑403/08 und zur Frage 8 in der Rechtssache C‑429/08: 

Wenn ein Anbieter von Programminhalten eine Reihe von exklusiven Lizenzen jeweils für das Gebiet eines oder mehrerer Mitgliedstaaten erteilt, denen zufolge das Fernsehunternehmen die Programminhalte nur in diesem Gebiet (einschließlich über Satellit) senden darf, und jede Lizenz eine vertragliche Verpflichtung enthält, wonach das Fernsehunternehmen zu verhindern hat, dass seine Satellitendecoderkarten, die den Empfang des lizenzierten Programminhalts ermöglichen, außerhalb des Lizenzgebiets verwendet werden, so sind diese Lizenzvereinbarungen geeignet, den Wettbewerb zu verhindern, einzuschränken oder zu verfälschen. Sie sind daher mit Art. 101 Abs. 1 AEUV unvereinbar; der Nachweis, dass solche Wirkungen tatsächlich eingetreten sind, ist nicht erforderlich. 

Die Premier League war über diesen Anschlag auf ihre exklusiven Fernsehrechte – die Pub-Besitzerin hatte die englischen Fußballspiele über einen griechischen Satellitensender gezeigt - wahrlich “not amused”. In einem auf ihrer Website veröffentlichten Statement wird der Europäische Gerichtshof ersucht, den Schlussanträgen der Generalanwältin nicht zu folgen. Der EuGH sei dazu, das Recht anzuwenden, nicht es zu ändern, beschwört die Premier League den Gerichtshof: 

“The Premier League are currently considering the detail of Advocate General Kokott’s Opinion but our initial view is that it is not compatible with the existing body of EU case law and would damage the interests of broadcasters and viewers of Premier League football across the EU.

The Opinion expressed by Advocate General Kokott may reflect a particular policy view in relation to the provision of audio-visual services throughout the EU. However, if her opinion were to be reflected in the ECJ’s judgment, it would prevent rights holders across Europe from marketing their rights in a way which meets demand from broadcasters whose clear preference is to acquire, and pay for, exclusive rights within their own territory only and to use those rights to create services which satisfy the cultural preferences of their viewers within that territory. 

 If the European Commission wants to create a pan-European licensing model for sports, film and music then it must go through the proper consultative and legislative processes to change the law rather than attempting to force through legislative changes via the courts.  

 We would hope that when the ECJ comes to its judgment in our case that the current European law, framed to help promote, celebrate and develop the cultural differences within the EU, is upheld. 

The ECJ is there to enforce the law, not change it. ” 

Auf den Ausgang des Vorabentscheidungsverfahrens darf man gespannt sein: Sollte die Entscheidung im Sinne von Juliane Kokottausfallen, so könnte das den Wert der Übertragungsrechte drastisch verringern – oder dazu führen, dass die Abonnement-Entgelte auch in “Billigländern” hinaufgehen! Auch der im Zusammenhang mit diesem Fall immer wieder zitierte “Bosman case”, der zu einer Umwälzung des Kicker-Transfermarkts in Europa geführt hat, hat ja im Endeffekt nicht dazu geführt, dass Fußballer zu Arbeitnehmern “wie du und ich” geworden wären. 

Der Ausgang des Rechtsfalles sollte nicht nur den Fernsehzuschauer interessieren, sondern auch den, der lieber Live-Fußball konsumiert. Denn eine massive Entwertung der Übertragungsrechte würde sich auf allen Ebenen des Fußballbetriebes auswirken! 

-> e-comm Blog (Hans-Peter Lehofer)

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