Türken stimmen gegen die Macht des Militärs

Die Türkei stimmt für eine Reform der Verfassung, die bisher dem Militär besondere Rechte einräumte und die rechtsnationalen Putschisten von Haftstrafen befreite.
Mehr als 59 Prozent entschieden sich, nach der Auszählung von 90 Prozent der Stimmen, für ein "Ja".

Die höchste Zustimmung konnte in den Großstädten Ankara und Istanbul, sowie der Region Anatolien erziehlt werden.
Symbolträchtiges Datum
Die Abstimmung über die Verfassungsreform fand nicht ohne Grund am 12ten September statt. Den am 12ten September vor 30 Jahren kam es zu einem Militärputsch von rechtsnationalistischen Kräften in der Türkei.
Nach diesem Militärputsch kam es zu Repressionen vor allem gegen linke, liberale und nicht türkischstämmige Personen.
So wird das Referendum auch von Regierungsgegner unterstützt, wie die Zeitung die Zeit an folgendem Beispiel zeigt.
Hasan Cemal zum Beispiel, ein liberaler Autor und Journalist bei der Zeitung Milliyet erinnerte an den Putsch von 1980, an die Folterkerker, die Tausenden von Toten, daran, wie die Putschgeneräle mit ihrer Gewalt im Alleingang den kurdischen Terror schufen. "Kurz gesagt: Der Coup vom 12. September ist die Wurzel allen Übels, das in den letzten 30 Jahren über uns kam", schreibt er. Cemal - beileibe kein Fan von Premier Erdogan - wirbt für ein Ja: Das Reformpaket sei "eine Chance für die türkische Politik, Reife zu erlangen."

Soldaten sollen Zivilrecht unterstehen
Die türkische Verfassung trat 1982 nach einem Putsch mit dem Segen der Armee in Kraft. Diese wurde zwar danach schon verändert, allerdings bestimmen einige autoritäre Klauseln weiterhin das politische Leben der Türkei. Die Verfassungsänderungen der AKP-Regierung, über die das Volk am kommenden Sonntag abstimmen soll, betreffen 27 Paragrafen. Kinderrechte und der persönliche Datenschutz werden erweitert, Reiseverbote erschwert. Beamte bekommen das Recht auf einen Tarifvertrag. Ein Ombudsmann-Amt für Proteste der Bürger wird eingerichtet. Sie können sich künftig auch direkt mit Klagen ans Verfassungsgericht wenden. Das Verfassungsgericht wird von 11 auf 17 Mitglieder erweitert. Der Hohe Rat der Richter und Staatsanwälte verliert seine elitäre Zusammensetzung, die Zahl der Mitglieder wie der Wahlberechtigten wird erweitert. Zivilisten dürfen nur noch im Kriegsfall vor Militärgerichte gestellt werden, während bei Zivilvergehen die Zivilgerichte auch für Soldaten zuständig sind.
Wobei besonders die veränderte Zusammensetzung des hohen Rates und die Unterstellung von Soldaten unter Zivilrecht auf Widerstand bei national/kemalistischen Kräften stößt.
Unterstütztung von EU und liberalen Kräften
EU-Politiker wie die Türkei-Berichterstatterin des EU-Parlamentes, Ria Oomen-Ruijten, hatten die Reformen im Vorfeld als "Schritt in Richtung Demokratisierung" begrüßt. Auch von den meisten europäischen Medien wird die Verfassungsänderung positiv bewertet.
Zustimmung kam auch von liberalen Bürgern in der Türkei, die sonst der AKP-Regierung eher kritisch gegenüber stehen. So sprach sich der Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk für die Reformen aus und sah sie als Schritt in die richtige Richtung, auch wenn noch weitere Reformen notwendig seien.
Gegner sind meist rechts und national
Zu den Gegnern der Reform zählen unter anderem die türkischen Sozialdemokraten, welche als eher rechts und nationalistisch anzusehen sind. Auch die rechtsnationale MHP forderte das Volk auf mit "Nein zu stimmen" so lautet der Slogan ihre Plakate "Nein zur Korruption. Nein zur Arbeitslosigkeit. Nein zum Terror." Damit wollte die MHP Erdogan als PKK-nahen Terroristen dartstellen, ähnlich wie die türkischen Sozialdemokraten es auch schon versucht hatten.
Zum Boykott ruft dagegen die kurdische BDP auf, weil sie zu wenig Verbesserung für die Kurden in der Türkei befürchtet und eine ABschaffung der 10%-Hürde verlangt hatte.
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