In den letzten Jahren galt die Türkei als ein vielversprechender Wachstumsmarkt. Die türkische Wirtschaft feierte jahrelang Erfolge, und immer mehr Menschen stiegen in die Mittelschicht auf. Doch inzwischen gerät der türkische Wirtschaftsmotor gewaltig ins stottern.
Neben den Faktoren wie der hohe Verschuldungsgrad der Bevölkerung und der Unternehmen, sowie den langjährigen Leistungsbilanzdefiziten, kommt nun auch die Involvierung in den Syrienkonflikt zu tragen. Die türkische Lira steht massiv unter Druck, während die türkische Zentralbank eine ziemlich unorthodoxe Geldpolitik betreibt.
Abhängig vom Auslandskapital
Lag das durchschnittliche Leistungsbilanzdefizit von 2000-2005 noch bei durchschnittlich 2,1% des BIP, so stieg es von 2005-2010 auf satte 5,2% pro Jahr an. In den letzten Jahren lag es sogar noch deutlich höher, und dürfte 2013 bei knapp 7% des BIP liegen. Damit steigt die Auslandsverschuldung auch in diesem Jahr wieder deutlich an. Aktuell liegt der externe Finanzierungsbedarf der Türkei bei über 200% der Devisenreserven des Landes – und ist somit proportional gesehen mehr als doppelt so hoch wie jener Indiens oder Mexikos.
Für die Türkei birgt diese Abhängigkeit von ausländischen Kapitalgebern jedoch einige Risiken in sich. So droht der türkischen Wirtschaft durch die langsam wieder anziehenden Zinsen in Europa und den USA eine deutlich höhere Belastung, welche durch den Kursverfall der türkischen Lira deutlich intensiviert wird. Hinzu kommt die Tatsache, dass der Rückzug des Kapitals von den Schwellenländern in die Heimmärkte auch die Türkei heftig trifft.
Platzende Kreditblasen?
Alleine der Boom bei den Kreditkarten hat dafür gesorgt, dass die Türken Ende 2012 Kreditkartenschulden in Höhe von rund 30 Milliarden Dollar angesammelt hatten. Während sich die Einkommen seit 2002 – dem Beginn der Regierung Erdogans – verdoppelten, wuchsen die Schulden der Privathaushalte beinahe ins Unermessliche. Noch im Jahr 2003 lag die private Verschuldung bei 5,5% des BIP – 2012 waren es schon 51,6%.
Das Problem hierbei: Zwar wachsen die Einkommen deutlich, doch die hohe Inflation frisst diesen Zuwachs weitestgehend wieder auf. So leben viele Türken nach dem Vorbild der Staaten – sie bezahlen die alten Schulden mit neuen Schulden, während der gesamte Schuldenberg immer größer wird. Da relativiert sich der Vergleich mit Deutschland im Jahr 1955 wieder, zumal die Deutschen auch ein reales Einkommensplus vorweisen konnten. Ganz zu schweigen davon, dass viele (Unternehmens-)Kredite auf Fremdwährungen laufen, welche nun durch den Kursverfall und steigende Zinssätze doppelt bedroht werden. Hier lauert schon ein gewaltiges Kreditausfallszenario.
Und was macht die Zentralbank?
Eigentlich müsste die türkische Zentralbank die Zinsen anheben, um damit den Kapitalabfluss zu bremsen. Doch das will Erdem Basci, der Zentralbankchef, nicht machen. Premier Erdogan freut sich darüber, während die Lira nach dieser Aussage auf ein Rekordtief fiel. Zwar würden höhere Zinsen die Investitionen etwas einbremsen, was angesichts des mageren Wirtschaftswachstums von etwa 3% nicht gerade positiv wäre – doch der Kursrutsch der Lira wirkt beinahe schlimmer.
Neben den steigenden Kreditausfallsrisiken führt die schwache Lira nämlich zu deutlich teureren Importen. Alleine der schon durch die Krisen in Syrien und Ägypten steigende Ölpreis (in Dollar) hat in Kombination mit der schwachen Lira in den letzten Wochen für Mehrkosten von 300 Millionen Dollar gesorgt. Doch angesichts der mageren Devisenreserven braucht das Land die Kapitalzuflüsse, um die Turbulenzen zu überstehen. Angesichts der innenpolitischen (Stichwort: Gezi-Park) und außenpolitischen (Syrien, Ägypten) Probleme muss das Land jedoch auch Vertrauen bei den Investoren erwecken. Die geldpolitische Linie der Notenbank trägt jedoch nicht sonderlich positiv dazu bei.