Tuol Sleng – Das dunkle Erbe der Roten Khmer

Erstellt am 11. August 2014 von Katzelin @KatzelinFernweh

Eigentlich wollte ich nach meinem kurzen Besuch in Kambodscha nicht über die Roten Khmer und ihre Schreckens-Herrschaft schreiben. Doch das Schicksal wollte es, dass die Verbrechen der Vergangenenheit gerade jetzt wieder in aller Munde sind. 35 Jahre nach dem Ende des Terrors wurden zwei ehemalige Anführer der Roten Khmer nun für ihre Verbrechen zur Rechenschaft gezogen und zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Grund genug für mich, einen kleinen Beitrag wider dem Vergessen zu leisten. Deshalb möchte ich euch heute mitnehmen auf einen kleinen Rundgang durch das Genozid Museum in Phnom Penh.

Das geheime Folter-Gefängnis der Roten Khmer: “S-21″ – Toul Sleng

Eigentlich war es einmal eine Schule, das Gymnasium Tuol Svay Prey in der 103. Straße in Phnom Penh, doch nachdem die Truppen der Roten Khmer am 17. April 1975 die Hauptstadt eingenommen hatten, vertrieben sie die Einwohner aufs Land und aus dem Ort, an dem ehemals gelernt und gelehrt wurde, wurde das berüchtigte geheime Foltergefängnis “S-21″. Bis zum Ende der Schreckensherrschaft 1979 sollen mehr als 20000 Menschen hier gefangen gehalten und gefoltert worden sein. Viele von Ihnen verschwanden für immer.

Wer das Tuol Sleng Genozid Museum nicht sucht, der läuft auf seinem Weg durch die belebten Straßen Phnom Penhs schnell daran vorüber. Auf den ersten Blick wirkt der von einem Zaun umgebene Gebäudekomplex nicht wirklich wie ein Gefängnis oder gar ein Museum. Der unscheinbare Eingang liegt an der Straßenecke 113. und 350. Straße, darüber ein Schild, das verrät, was sich hinter Mauern, Zaun und Stacheldraht tatsächlich verbirgt.

Gleich zu Beginn erwarten 14 Gräber den Besucher – die 14 Gräber der letzten Opfer Tuol Slengs. Die weißen Särge bergen die Überreste jener, die in letzter Minute von ihren Aufsehern getötet wurden, bevor diese vor den vietnamesischen Streitkräften flohen. Mit sich nahmen die Verbrecher einen Großteil an Beweisen für ihre Taten, vor allem Bildmaterial. Dennoch blieb vieles zurück. Ihre letzten Opfer fanden vitnamesische Soldaten in Gebäude A. Nur sieben Insassen wurden lebend aufgefunden.

In den Einzelzellen in Gebäude A sind heute die Betten ausgestellt, auf denen die letzten Opfer mit schweren Eisenstangen gefesselt gefunden wurden. Eine Monitionskiste, kaum größer als ein Schuhkarton, diente den Gefangenen als Toilette. An den Wänden zeigen Photografien durch einen grausamen Tot und Verwesung entstellte Leichen – die letzten Opfer der Khmer Rouge in “S-21″.

Insgesamt gehörten zum Tuol Sleng Gefängnis fünf Gebäude, die auch heute noch trotz Stacheldraht und Galgen an eine Schule erinnern. Zwischen den Gebäuden erstreckt sich ein begrünter Hof, auf dem die ehemaligen Schüler wohlmöglich in ihren Pausen tobten und spielten. Im grausigen Gegensatz dazu steht ein mit Stacheldraht abgeschottetes Gebäudes. Die rostigen, verflochteten Drähte diente nicht dazu, Gefangene im Tuol Sleng festzuhalten, sondern sie daran zu hintern sich durch Selbstmord ihrer “Befragung” zu entziehen.

Neben der Folter litten die Insassen an den schlechten Haftbedingungen. Mangelnde Hygiene führte rasch zu Krankheiten. Das schlecht ausgebildete medizinische Personal war zudem nur dazu angehalten, die durch die Folter verwundeten zu behandeln, da diese nicht sterben sollten, ehe sie ein umfassendes Geständnis abgelegt und weitere Regimegegner denunziert hatten. Zudem minimierten die Regeln den Kontakt zwischen den Gefangenen auf ein Minimum. Insassen durften nicht miteinander sprechen, nicht weinen, nicht lachen oder ohne Erlaubnis trinken. Wer sich nicht an die Regeln hielt, musste mit harten Maßnahmen rechnen.

Im Verlauf der Ausstellung erinnern Schriftzüge an den Wänden den Besucher an die eigentliche Funktion der Gebäude. Lehrsprüche in Französisch und der Sprache der Khmer stehen an den Wänden der ehelamigen Klassenzimmer, die zu Massenzellen umfunktioniert wurden, oder mittels einfacher Steinmauern oder Bretterverschläge in winzige Einzelzellen unterteilt wurden, in denen die Insassen, an Wand oder Boden gekettete, schweigend auf ihre Befragung warteten.

Im Hof, gleich neben den 14 weißen Särgen erinnert der Galgen an diese Art der Befragung. Hier wurden die Gefangenen an den Händen solange aufgehängt, bis sie das Bewußtsein verloren. Ihre Köpfe tunkten die Aufseher dann in kaltes Wasser, um die Wiedererwachten erneut zu foltern.

Eine Reihe von Bildern, gemalt von einem ehemaligen Insassen und Überlebenden des Tuol Sleng, Vann Nath, zeigt die grausamen Foltermethoden der Khmer Rouge. Daneben sind in den ehemaligen Massenzellen auf großen Stellwänden zahllose Fotos von Insassen ausgestellt, die die Aufseher bei Ihrer Flucht zurücklassen mussten. Viele der Opfer blieben bis heute ohne Namen. Die Fotots zeigen sie meist zu ihrer Ankunft. Die “zur Befragung einbestellten” wurden mit einer Nummer so fotografiert, wie sie kamen. Wenn sie keine Oberbekleitdung trugen, wurde die Nadel, an der ihre Registrierungsnummer hing, durch die bloße Haut gestochen.

Auf den Fotos sind nicht nur Männer, sondern ebensoviele Frauen und auch Kinder zu sehen. Die Khmer Rouge vertraten die Ansicht, dass das Übel mit der Wurzel auszurotten sei und so wurde mit einem Beschuldigten oft die gesamte Familie inhaftiert. Diese Vorgehensweise sollte außerdem verhindern, dass die getöteten Insassen Angehörige hinterließen, die später Rache für die Qualen und die Morde an ihren Verwandten üben konnten.

Das Tuol Sleng Genozid Museum in Phnom Penh ist sicher nicht die am besten aufbereitetste Ausstellung und auch kein wohl durchdachter Erinnerungsort. Dennoch hinterlässt der Besuch des ehemaligen “S-21″ ein beklemmendes Gefühl und einen Eindruck der Greul, die die Khmer Rouge ihren Feinden antaten, darunter nicht nur erklärte Gegner des Systems, sondern vor allem auch Interlektuelle, wie Lehrer, Ärzte, Professoren oder einfach nur Brillenträger.

Am Ende der Ausstellung bietet ein Shop die Möglichkeit, Karten und Bücher über die Zeit der Khmer Rouge in Kambodscha zu erstehen. Außerdem gibt es täglich um 10 Uhr und 15 Uhr die Möglichkeit die Vorführung des Dokumentarfilms Bophana: A Cambodian Tragedy zu sehen. Der Film erzählt die Geschichte eines Paares, das einer Säuberung der Khmer Rouge zum Opfer fiel und im “S-21″ zuerst befragt und schließlich ermordet wurde.


Tuol Sleng Genozid Museum Phnom Penh