Nicht selten maßen Geistliche sich an, über unser Privatleben bestimmen zu wollen. Diesmal hat es ein tunesischer Koranprediger gewagt und sich prompt eine schallende Ohrfeige eingefangen
Tunesien während des Ramadans 2013. Der Genuß von Speisen und Getränken wird außerhalb der Abend- und Nachtstunden zum verbotenen Vergnügen, es ist Fastenzeit. Für ein Volk, das ohnehin kaum genug zum Leben hat, das ohnehin ständig fastet. Immer mehr junge Tunesier pfeifen daher auf die religiöse Tradition und verweigern sich dem tunesischen Klerus. Dem salafistische Prediger Adel Almi ist dies ein Dorn im Auge. Almi ist ein Muslimischer Hardliner. Als die tunesiche Femen- Aktivistin Amina sich im März barbusig der Öffentlichkeit präsentierte mit der Aufschrift:“Mein Körper ist mein Eigentum und keine Quelle des Stolzes,” auf der nackten Haut, hatte Almi als Bestrafung für die frevelhafte Zurschaustellung 100 Stockhiebe gefordert. Anschließend, so der Hassprediger, müsse sie zudem gesteinigt werden. Heute sitzt sie in der Psychiatrie, eingeliefert von ihren eigenen Eltern. Man kann von Femen halten, was man will, aber das ist ein Unding.
Der fleißiger Denunziant Adel Almi
Inzwischen hat der bärtige Fanatiker ein neues Ziel gefunden. Fastenbrecher, sogenannte Fattara, die sich dem Ramadanzwang verweigern. In der tunesischen Zeitung As- Sabah forderte er seine Landsleute dazu auf, alle Menschen zu fotografieren, die in der Öffentlichkeit Essen, trinken oder Rauchen. Auch ein Badetag an einem der Strände sei tabu. Die Bilder sollten anschließend auf Netzwerken wie Facebook online gestellt werden, um die so Ertappten quasi am digitalen Pranger der Öffentlichkeit vorzuführen. Sein Plan sollte aufgehen, wenn auch anders, als erwartet.
Kaffe während des Ramadan
Lina Ben Mhenni ist Journalistin, Bloggerin und wurde als Aktivistin für den Friedensnobelpreis 2013 nominiert. An diesem Morgen las auch sie den hetzerischen Aufruf des ‘Seelenhirten’ in Schwarz. Sie überlegte und stellte fest: „Du willst also ein Foto von jemandem, der etwas ißt oder trinkt:“ Sie ging in die Küche, bereitete sich einen Kaffee zu, hob den Becher an die Lippen und griff zur Kamera – Klick. Dann postete sie das Bild bei Facebook.
Femenaktivistin Amina
Ohne sich dessen vielleicht bewusst zu sein, entfesselte sie damit einen Sturm der Häme, der über den konsternierten Prediger hereinbrach. In Windeseile entstand eine Bildergalerie auf der Plattform mit dem Namen ‘Fotos aus dem Ramadan für Adel Almi‘. Am 9. Juli war die Seit ins Netz gegangen. Nur einen Tag später hatte sie bereits mehr als 6000 Fans, heute sind es weit über 10.000 Follower. Täglich geht dort im Minutentakt eine Flut von neuen Bildern ein von Menschen, die sich selbst fotografierten. Beim Essen, beim Trinken, beim Rauchen und beim Baden im Mittelmeer. Unter dem Slogan: „Wir erleichtern Adel Almi und seinen Kollegen die Arbeit,“ machen die Menschen ihrem Unmut Luft, stets mit ironischem Unterton.
„Auf dein Wohl, Adel Almi“ ist nun im Netz zu lesen oder als Twitter Hashtag in tunesisch: „#fater,“ was soviel heißt, wie: „Ich faste nicht.“ Inzwischen gibt es sogar eine interaktive Landkarte, die den Weg zu den schönsten Lokalen und Restaurants aufzeigt. Wenn ein bösartiger Aufruf zu Denunziantentum jemals grandios gescheitert ist, dann hier.
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