Tunesien ist das Geburtsland des sogenannten Arabischen Frühlings. Auch im Demokratisierungsprozess ist Tunesien in Avantgarde. Eine Regierung wurde gewählt und die neue Verfassung sollte in ein paar Monaten fertig sein. Die Islamisten sind jetzt in der Regierung und bilden eine Koalition mit zwei „nicht islamistischen“ Parteien, CPR (Mittel Recht) und Ettakatol ( Linke). Alles scheint auf den ersten Blick perfekt. Nur in der letzten Zeit wird die Kluft zwischen den Koalitionsparteien immer größer, insbesondere nach der Auslieferung von Ghadhafis letztem Premier Minister, Almahmoudi Albaghdadi.
Präsident Moncef Marzouki, bekannt als Menschenrechtsaktivist, warf der Regierung vor, Albaghdadi ohne seine Erlaubnis ausgeliefert zu haben.
Die Präsidentschaft lehne die Entscheidung der tunesischen Regierung ab, da sie ohne Abstimmung mit Marzouki erfolgt sei, hieß es in einer Erklärung des Präsidentensprechers. Die Regierung behauptet jedoch: Marzouki hat es von Anfang an gewusst! Das Image des in letzter Zeit hart kritisierten Präsidenten scheint nun auf Dauer beschädigt und nicht mehr zu retten zu sein. Als Reaktion entließ Marzouki den tunesischen Direktor der Zentralbank Nabli, ohne Abstimmung mit Premier Minister Jeballi, aus dem Amt!!!
Das zur Zeit herrschende Kinderdebakel zieht sich ins lächerliche und erreichte den Höhepunkt als die Regierung die Entlassung von Nabli abstreitet und sein Amt weiterhin bestätigt. Die Botschaft ist klar: in Tunesien regiert weder der Präsident noch die Koalitionsparteien. Die Politik des Landes wird von der islamischen Partei Ennahdha bestimmt, welche die Mehrheit im Parlament besitzt. Die Art und Weise wie die Islamisten heute regieren erinnert an die Zeiten der Diktatur, als nur eine Partei regierte; die Islamisten bringen keinerlei Verbesserung und jeden Tag wird den Tunesiern klar, dass die Koalition nur theoretisch aus drei Parteien gebildet ist, praktisch jedoch, dominiert nur die islamistische Partei.
Nach einer Revolution, sollte die erste regierende Partei normalerweise demokratisch wirken. Gerade wenn sie die Mehrheit im Parlament besitzt, sollte sie Institutionen und Strukturen aufbauen, um eine Demokratisierung im Land zu schaffen und um die Rückkehr der Diktatur zu verhindern. Ohne Partner in der Koalition und vor allem, ohne Opposition kann Ennahdha, die sich als Retterin des Islams in Tunesien verkaufte, nicht demokratisch regieren. Ihre erste Priorität sollte es sein, eine neue Verfassung aufzusetzen und das Land in die nächsten Wahlen zu führen.
Doch die aktuelle Regierung entpuppt sich nicht als Übergangsregierung, denn sie zeigt keinerlei Intention eine Verfassung in Angriff zu nehmen und benimmt sich, als wäre sie für die Ewigkeit gewählt worden!!! Kann solch eine Partei Tunesien wirklich in die langersehnte Demokratie führen?
Tunesien: sind wir wirklich in einer Demokratie?
Autor des Artikels : adamsalhi
By Adem Salhi, 05/07/2012 22:09