Das Powerduo Tufu & A. Drawn beweist einmal mehr (und sehr eindrücklich) dass man sich um den Zustand der Kunst in Deutschland keine all zu große Sorgen machen muss.
Ihre aktuelle Veröffentlichung glänzt an vielerlei Stelle. Sie bieten eine verspielte, charmant verhuschte Adaption von fast schon verloren geglaubten Jazzhoptugenden. Hier wird nimmer dem großen Bruder hinterherproduziert, sondern etwas völlig originäres geschaffen. Nennt es ruhig Krauthop, weshalb sollte man sich für solche Juwel anbiedern?
Eine Platte voller Hip Hop ohne Anschreien, aber auch völlig entschlackt von Sunshine und anderem aufdringlichen Nerv. Natürlich sind die Texte, wenn es um das Niedermetzgern der Talentfreien geht zutiefst kämpferisch, aber Tufu gelingt es immer wieder diese fabelhaften D-Moll-Momente in den Vordergrund zu rücken.
In Sachen Beatscience macht man den beiden eh nix vor. Die Produktion ist satt, rund und saftig, jeder Ton ist an der passenden Stellen und das jazzy Horn schraubt sich raffiniert melancholisch ins Tiefenbewusstsein.
Es ist eigentlich ne Schande, dass diese Perle kostenneutral über den digitalen Ladentisch geht, betrachtet man sich andere (monetär erfolgreichere) Gesamtausfälle, Swagger statt Klasse scheint die Marktdevise des tages zu lauten.
Hier ist etwas anderes zu finden, kein Gebrabbel über Kaliberstärke und Verschnittrate, sondern elegante, eloquente Texte die überquellen vor scharfem, durchdachtem Wortwitz und jede unterkühlte Spitze dieses Albums macht Lust auf viel viel mehr.
Ich kann leider keinerlei weiterführenden Informationen über den MC liefern, aber eins ist gewiss, dieser Vogel hat ne goldene Zukunft vor sich. Egal ob er wortgewandt andere "Rapper" niederbattelt oder brillante Momentaufnahmen seines Inneren auf Beats presst - hier präsentiert sich ein junger, hungriger MC, der es irgendwann durchaus mit den ganz Großen der deutschen Zunft aufnehmen kann. Ein Feature mit Aphroe fürs Albums ist eigentlich Pflicht.
Seine vertrackten Lyrics erinnern mich sehr an Falks Ansätze oder eben Aphroes lyrische Tiefgänge. Endlich mal wieder jemand der sich dem poetischen Gebrauch seiner Muttersprache nicht schämt und on point von Abseitigem spricht.
Und allen Verängstigten kann gesagt werden, nee es ist kein Papa macht jetzt Jazz und schiebt Akademikerwelle-Mist, sondern fabelhaft abgehangener Flow auf entspannten Flächensounds. Der erste Vergleich der mir in den Sinn kann war Oxmo Puccinis Lipopette Bar-Album, welches ähnlich aggressionslos zu unterhalten und trotz aller Lässigkeit dezidiert der allumfassenden Wackness brandrodend zu begegnen wusste.
Also ihr werten Menschen mit Anspruch aka meine Leserschaft, dieses Ding gibts für lau, bedient euch & liebt es, mehr habe ich dazu nimmer zu sagen, denn dieses Album kann komplett für sich alleine stehen. Und weil ein solch eindrucksvolles Debut unglaublich selten geworden ist - hier die in diesem Falle unvermeitliche Flaneurempfehlung.
Den Gratisdownload von Seelenquantisierung findet ihr hier. Und für die letzten Zweifler, hier noch ein paar Takte Musik.
Tufu & A. Drawn "Seelenquantisierung"
Autor des Artikels : derdigitaleflaneur
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