Tudor-Mode: Vom Fashion Statement zum Fashion War

Von Stefanie Norden @StefanieNorden

Wenig überraschend bei der Tudor-Mode: Kleidung diente unter den Tudors zu weitaus mehr als zum Bekleiden und Wärmen. Stoffe, Schnitte und Farben waren Botschaften, waren Auszeichnungen, waren Positionen.

Im kostenlosen Online-Kurs „A history of Royal Fashion“ von Historic Royal Palaces und der University of Glasgow lerne ich , was es über die königliche Mode von Heinrich VIII. bis zu Elizabeth II. zu wissen gibt. Interessantes rund um die Tudor-Mode will ich heute mit Dir teilen.

Was trug man zur Tudorzeit?

Heinrich VIII. war sehr modebewusst und mochte helle und auffällige Farben – weitaus mehr als sein Vater Heinrich VII. Auffällige, glamouröse Kleidung war zu jener Zeit ein Statussymbol, ein Zeichen für Reichtum und Macht. Und Heinrich VIII. wusste dieses Mittel zu nutzen. 1519 nannte der venezianische Botschafter den englischen König „den bestgekleideten Herrscher der Welt“. Im Jahr 1521 hatte die Garderobe Heinrichs VIII. einen Wert von 4 Mio. Pfund in heutiger Währung.

Männer der höheren Schichten trugen zur Tudorzeit ein Hemd als unterste Schicht, ein Doublet (ein enganliegendes, jackenähnliches Oberteil), eine kurze Hose, lange Strümpfe und das sogenannte „Gown“, ein weites Oberteil, das über dem Doublet getragen wurde. Unter Heinrich VIII. wurde ein kürzeres Obergewand modern. Dies legte das Augenmerk stärker auf die Beine, und Heinrich was ausnehmend stolz auf seine gutgeformten Waden. Zudem trug der König weitere Schichten nobelster Kleidungsstücke, wie z. B. ein Wams über dem Doublet, einen Gürtel mit einem kunstvoll verziertem Dolch und natürlich die berühmt-berüchtigte Schamkapsel. Diese textile Betonung der Männlichkeit in der Tudor-Mode sieht für unser modernes Auge eher lächerlich aus, war jedoch zu Heinrichs Zeiten groß in Mode. Die vielen Kleidungsschichten betonten zudem Heinrichs breite Schultern noch mehr und ließen den König alles in allem noch größer und beeindruckender erscheinen.

Die Kleidung der Damen bestand oft aus einem Untergewand und Strümpfen, einem Gesäßpolster und/oder einem Reifrock („farthingale“) einem Unterrock, einem Kleid mit extra zu befestigenden Ärmeln, einer Schürze und einem Obergewand. Nicht zu vergessen natürlich, auch wenn leider viele historische Verfilmungen sie ignorieren: Die Haube, die über dem hochgesteckten Haar getragen wurde. Mary Tudor, die Schwester Heinrichs VIII., brachte gewagte Hauben im französischen Stil nach England, die spätestens unter Anne Boleyn der letzte Schrei wurden. Diese Hauben ließen den Haaransatz frei.

Die äußeren Gewänder, mit den empfindlichen Stickereien, teuren Stoffen und ggf. Juwelenbesatz konnten nicht gewaschen werden. Die Leinenunterwäsche von Mann und Frau, die auf der Haut getragen wurde, wurde jedoch täglich gewechselt, bei großer Hitze auch mehrfach, und gewaschen. Dies war die Tudor-Vorstellung von Hygiene, denn Baden hielt man damals für gesundheitsgefährdend. Man wusch also seine Hände und sein Gesicht und zog täglich frisches Leinen an. Elizabeth I. soll besonders reinlich gewesen sein und nahm alle drei Monate ein Bad…

Mode als Mittel der Macht

Wie bereits geschrieben: Kleidung war für die Monarchen der Tudorzeit nicht einfach nur wärmend und schick. Sie benutzten sie, wie auch schon Generationen vor ihnen, um Macht und Kontrolle auszuüben.

Heinrich VIII. erließ während seiner Regenschaft vier sogenannte Aufwandgesetze (sumtuary laws), die detailliert festlegte, welche Stoffe und Farben für welche hierarchische Position erlaubt waren. Diese Gesetze der Tudor-Mode betrafen jedoch ausschließlich Männer – aufwendig gekleidete Frauen wurden nicht als Bedrohung der hierarchischen Ordnung angesehen. Dies änderte sich 1574 unter Elizabeth I., die die Aufwandgesetze auf Frauen ausweitete. Diese mussten sich nun entsprechend dem Stand ihres Ehemannes kleiden. Überhaupt trafen die Regulierungen der Kleidung unter Elizabeth Frauen sogar härter als Männer, zumindest bei Hofe: Elizabeth duldete mit zunehmenden Alter keine Konkurrenz und verordnete ihren Hofdamen daher schlichtere Kleidung – sodass sie selbst in ihrer prachtvollen Kleidung noch mehr herausstach. Männer durften sich jedoch aufwendig kleiden, um die Königin zu beeindrucken. Man sprach auch von einem „Pfauen-Hof“.

Die Gründe für diese Gesetze lagen zum einen in der Wahrung der Hierarchie – denn natürlich sollte es keinem Höfling erlaubt sein, sich glamouröser zu kleiden als der König. Aber auch die Förderung einheimischer Produkte, wie englischer Wolle, konnte ein Grund sein.

Mode als Waffe

Die Steigerung der Tudor-Mode als Machtmittel war, die eigene (oder auch fremde) Kleidung regelrecht als Waffe in den persönlichen Konflikten zu verwenden.

Die erste Königin Heinrichs VIII., Katharina von Aragon, hatte sich meistens betont englisch gekleidet, um ihre spanische Herkunft in den Hintergrund rücken zu lassen. Doch während Heinrich VIII. den französischen König Franz I. auf dem „Feld des güldenen Tuches“ traf, trug Katharina von Aragon eine Haube im spanischen Stil – um ihre Verbundenheit zu ihrem Heimatland und Frankreichs Gegner zu zeigen. Und das war nict das einzige Mal, das Katharina Kleidung als Waffe einsetzte. Nachdem Heinrich seiner Frau Katharina seine Zweifel an der Rechtmäßigkeit ihrer Ehe mitgeteilt hatte, kleidete Katharina sich fortan noch üppiger und königlicher als zuvor. Sie wollte so von aller Welt als Königin wahrgenommen werden, an deren Rechtmäßigkeit es keinerlei Zweifel geben konnte.

Ebenso ihre Widersacherin Anne Boleyn setzte in ihrem Kampf gegen Katharina auf kostbare Kleider und Juwelen. Sie verlangte sogar, dass Katharina ihre königlichen Juwelen an sie übergeben sollte – was Katharina nach anfänglicher Weigerung auf königlichen Befehl tun musste.

Auch die königlichen Hemden wurden zum Kriegsschauplatz. Hemden wurden als Unterwäsche und daher sehr intimes Kleidungsstück angesehen – ein Grund, warum gehobene Etablissements heute noch darauf bestehen, dass Herren ihre Jacketts anbehalten. Das Nähen der Hemden für den König war daher Aufgabe der Königin. Katharina von Aragon nähte noch bis 1530 die Hemden Heinrichs VIII. Dies zeichnete sie in gewisser Weise immer noch als seine rechtmäßige Frau aus. Als Anne Boleyn dies herausfand, schickte sie dem König eigene Hemden, die jedoch vom Schneider und nicht von ihr stammten.

Doch zu guter Letzt hat nichts davon geholfen… Zu ihrer Hinrichtung trug Anne Boleyn einen Hermelinmantel und ein graues Damastkleid mit einem scharlachroten Unterrock.

Anne Boleyn hatte französische Mode in England hoffähig gemacht. Nach ihrem Tod verbot ihre Nachfolgerin Jane Seymour ihren Hofdamen, französische Hauben zu tragen und kleidete sich selbst wesentlich schlichter und englischer als Anne es getan hatte. Sie unterstrich so den Unterschied zwischen der „verräterischen“ Anne und sich selbst.

Heinrichs vierte Frau Anna von Kleve fiel hingegen dadurch auf, dass die deutsche Mode, die sie mitbrachte, den Geschmack der Engländer überhaupt nicht traf. Es hieß, selbst die schönsten Fraue würden in diesen Kleidern und Hauben häßlich werden.

Nachdem Katherine Howard wegen des Verdachtes der Untreue in Hampton Court Palace unter Arrest gestellt wurde, wurden ihre Juwelen konfisziert und sie wurde gezwungen, nur noch schlichte Kleider zu tragen, die ihren reduzierten Stand auswiesen.

Mode der Tudors in späteren Generationen

Nach dem glamourösen Heinrich tat sich in Fragen der Tudor-Mode während der kurzen Regentschaft seines Sohnes Edward nicht viel. Kaum verwunderlich, da der streng protestantische Edward mit 9 Jahren König wurde und bereits mit 15 verstarb. Seine Nachfolgerin Lady Jane Grey, die tragische Neun-Tage-Königin, versuchte jedoch, mit ihrer Kleidung ihren zweifelhaften Anspruch zu verschleiern. Sie trug 1553, als sie sich zur Königin ausrufen ließ, grün, während ihr Ehemann weiß trug. Grün und weiß sind die Farben des Hauses Tudor, wodurch sie ihr Recht auf den Thron unterstrich. Jane war die Enkelin von Mary Tudor, der jüngeren Schwester Heinrichs VIII., und daher nicht wirklich vorrangig vor Heinrichs eigenen Töchtern Mary und Elizabeth.

Mary I. hingegen, selbst halbe Spanierin und verheiratet mit Philip von Spanien, ging einen anderen Weg in Modefragen. Ihr Ehemann war, sagen wir einmal, nicht sonderlich enthusiastisch verheiratet und verbrachte darum viel Zeit in Spanien. Als Mary also einmal wieder von ihrem Ehemann alleingelassen wurde, führte sie mehr und mehr spanische Mode bei Hofe ein.

Ihre Halbschwester Elizabeth I., die 1558 den Thron bestieg, nutze ihre Garderobe auch zur Unterstreichung ihres Kultes. Als Prinzessin hatte sie sich noch schlicht gekleidet, vermutlich, um einen protestantischen Gegenpol zu ihrer katholischen Halbschwester zu bilden. Doch als sie Königin wurde, flog die Zurückhaltung zum Fenster hinaus.

Elizabeth I. mochte Kleidung in den Farben schwarz, weiß und silbern. Sie nannte sie „ihre Farben“ und trug sie beispielsweise auf dem sogenannten Armada-Portrait. Kleidung in allen drei Farben war ausnehmend teuer zu jener Zeit.

Eine Sache hat sie jedoch recycelt: Die goldenen Gewänder, die Elizabeth I. zu ihrer Krönung trug, wurden auch bereits von ihrer Halbschwester zu ihrer Krönung sechs Jahre zuvor getragen.

Elizabeth hob ihre Krönungsgewänder bis mindestens 1600 auf. Zum Zeitpunkt ihres Todes umfasste die Garderobe von Elizabeth I. um die 2.000 Stücke. Der Hof unter James I., Elizabeths Nachfolger, plünderte 1604 ihre Garderobe für einen Maskenball.

Heutige Spuren der Tudor-Mode

Originalstücke aus der Tudorzeit sind heute selten. In der Sammlung von Historic Royal Palaces, die über 10.000 königliche Kostüme und Accessoires beinhaltet, finden sich nur zwei Stücke aus dem 16. Jahrhundert. Hochherrschaftliche Garderobe war zu jener Zeit sehr wertvoll, also wurden Kleidungsstücke weitergegeben, vermacht, verkauft und umfunktioniert, solange es möglich war. So manch fadenscheiniger Kissenbezug in englischen Herrenhäusern mag einmal ein Gewand aus der Tudorzeit gewesen sein.

Es gibt jedoch auch heute noch Mode, die ihren Ursprung in der Tudor-Mode hat. Die Yeoman Warders im Tower of London tragen zu zeremoniellen Anlässen eine besondere rote Uniform, den sogenannten State Dress. Die rote Uniform, verziert mit Stickereien aus Gold- und Silberfäden schlägt heutzutage mit 7.500 Pfund zu Buche und wird traditionell vom Königshaus bezahlt. Der Entwurf dieser rot-goldenen Uniform stammt aus der Zeit Heinrichs VIII. Unter Heinrich VII., der die Yeoman Warders ins Leben gerufen hat, war die Uniform grün-weiß, die Tudorfarben.

Die Uniformen der Yeoman Warders tragen drei aufgestickte Symbole für England, Schottland und Irland, also die drei Königreiche, die gemeinsam das Vereinigte Königreich bilden. Und auch hier haben die Tudors ihre Spuren hinterlassen, denn bis heute ist das Symbol für England die Tudorrose.

Dass zu jener Zeit Uniformen und Livreen für Bedienstete kostspielig waren, war ebenfalls ein Statussymbol. Es zeigte, dass der Monarch so viel Reichtum zur Verfügung hatte, dass er es sich leisten konnte, seine Bediensteten in solch wertvolle Kleidung zu hüllen.

Die blaue Alltagsuniform der Yeoman Warders, der Blue Undress, wurde allerdings erst zur Zeit von Königin Victoria entworfen. Die Yeoman Warders hatten sich über den komplizierten – und sehr warmen – State Dress beklagt. Außerdem, da der Monarch nach wie vor für die Uniformen aufkommen musste und dieses Statussymbol an Bedeutung verloren hatte, wurde nach einer günstigeren Alternative gesucht.