Tucholsky Museum auf Schloss Rheinsberg

Von Frontmotor
"Europa geht es gar nicht gut.Die dicke Luft ist schwüle.Doch manchen gibt'sDem ist die Krise Wasser auf die Mühle."
Der letzte Eintrag im Gästebuch des Tucholsky Museums war ein Seufzer: "Ach, hätten wir heute doch einen wie ihn." Ich habe versucht, ihm Hoffnung zu machen: "Ham wa doch: Georg Schramm."

Tucholsky schrieb "einfach", was ihm offensichtlich war. Und was er sah, wurde immer brutaler. Aufrüstung, Drill, Profit, Krieg, Kriegsgewinnler, Dolchstoßlegende. Zu sehen was ist, war eine Kunst, denn es wurden andere Geschichten erzählt. Ihm aber war klar: Folgt man der Spur des Geldes, werden in Europa ganz andere Grenzen sichtbar: Die zwischen den Schichten der Gesellschaft.
Für die "Obrigkeit" war Krieg nicht mehr nur Gesellschaftsspiel, um an Ansehen zu gewinnen. Verglichen mit dem Aufbau von Fabriken, riskanten Investitionen war er auch der direktere Weg, sich bestehende Reichtümer anzueignen.
Dass die Industrialisierung Krieg immer brutaler machte, musste nicht die hinter sicheren Linien  kratzen. Empathie für grausam Verwundete, "Gefallene", Hinterbliebene hatte man schlicht nicht. Man wurde der Brutalität schließlich nicht angesichtig so wie Fleischkonsumenten heute, wenn sie bei Massentierhaltern ihre Wurst kaufen.  

Und nach dem Krieg waren die Soldaten, vor allem die Offiziere arbeitslos. Aber Heckenschützen konntense nu auch im Lande gebrauchen. "Gegen Demokraten.."
Krieg können wir uns nicht mehr vorstellen. (Ausgenommen die Berufssoldaten, die wir nach Arabien entsenden.) Und das gilt hoffentlich für ganz Europa.
Aber was wir wieder erleben ist die Kaltschnäuzigkeit, mit der in (leere!) Kassen gegriffen wird. Um private Gläubiger auszuzahlen. Aus Kassen, die hauptsächlich der unselbständig Beschäftigte und der (unselbständige) Konsument befüllen. In Vertretung für die, die eigentlich am dransten wären. Diese Woche veröffentlichte der britische Guardian eine Studie, die wieder mal bestätigte, dass die "Schuldenkrise" in Wahrheit eine Krise der organisierten Steuerhinterziehung ist. Würden die "Obrigkeiten" der Krisenländer aus der Illegalität zurückkehren, wären alle Probleme gelöst. Die Hinterziehungen spanischer und griechischer Oberschichten sind aber auch das Problem deutscher Obrigkeiten, also ebenfalls Steuerhinterzieher. Denn es sind vor allem ihre Anlagen, die sie als Gläubige untoter EURO-Staaten im Feuer stehen lässt.
Beide haben sich zulasten dritter geeinigt: Lasst die Ehrlichen die Dummen sein. Die, denen ihre Steuern direkt vom Gehalt abgezogen werden. Der Schuldennachlass für Griechenland war ihnen eine Lehre. Nachdem sie ihre griechischen Anleihen schon auf 30% abgeschrieben hatten, holten die Regierungen doch noch einiges für sie raus. Danach verkauften sie. Inzwischen sind die Rettungsfonds für sie eingesprungen und der IWF. Und der hat gestern die Ansage gemacht, dass er von den Steuerzahlen einen erheblichen Schuldennachlass für Griechenland erwarte, andernfalls ziehe er sich zurück. Jetzt sind wir am dransten. In der Kulisse droht Merke mit Krieg und Frieden. Damit ist die Referenz, der Weimarer Replay, komplett.

Naja, und kommen uns die Verwicklungen von Polizisten und Geheimdienstlern ("Verfassungsschutz"!) in den Rechtsterrorismus nicht auch bekannt vor?
Wenn Gewitter droht, scharen sich die Deutschen um Präsidenten und Kanzler. Die Intellektuellen um Gauck. Die, die was zu verlieren haben, um Merkel. Und die, die immer noch glauben, es gehe ihnen da unten gut, wenn es denen da oben noch besser geht, scharen sich auch um Merkel.
"Europa, das ist nicht Spanien, Frankreich, Italien. Europa, das sind Arbeitslose, Arbeiter, Unternehmer, Soldaten."
Wo man sich oben einig ist, dass man sich zulasten der mittleren und unteren Schichten schadlos halten wird, braucht man Sündenböcke. Und Söder und Dobrindt gaben diese Woche zum besten, wie das laufen wird. Wahrscheinlich gibt es bald auch wieder Typen, die ihr Kunststudium abbrechen, um an Castings in Wirtshäusern teilzunehmen. Schon heute tummeln sich in Parteien vorrangig wieder die, die man woanders nicht gebrauchen kann.

Was dem Versteher und Schreiber K.T. eben auch ein Dorn im Auge war: Der stumpfe Geist, der da oben weht. Die Anzahl von Kriegs- zur Anzahl von Heinrich-Heine-Denkmälern verhalte sich wie die Macht zum Geist, schrieb er. 
Und auch das gilt heute wieder.