Tucholsky-Funde

Von Lyrikzeitung

ARTus-Kolumne »SO GESEHEN« Nr. 497

Im Jahr 1913, ein Jahr nach Erscheinen seines berühmt gewordenen Kurzromans »Rheinsberg – ein Bilderbuch für Verliebte«, schreibt Kurt Tucholsky ein Weihnachtsgedicht in reinster Tucholsky-Diktion, auf das ich so gesehen auch heute und aus naheliegenden Tag- wie Nachtgründen gern verweise:

Nun senkt sich wieder auf die heim`schen Fluren / die Weihenacht! Die Weihenacht! / Was die Mamas bepackt nach Hause fuhren, / wir kriegens jetzo freundlich dargebracht. //

Der Asphalt glitscht. Kann Emil das gebrauchen? / Die Braut kramt schämig in dem Portemonnaie. / Sie schenkte ihm, teils zum Schmuck und teils zum Rauchen / den Aschenbecher aus Emalch glasé.

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Das Christkind kommt! Wir jungen Leute lauschen / auf einen stillen heiligen Grammophon. / Das Christkind kommt und ist bereit zu tauschen / den Schlips, die Puppe und das Lexikon.

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Und sitzt der wackre Bürger bei den Seinen, / voll Karpfen, still im Stuhl, um halber zehn, / dann ist er mit sich selbst zufrieden und im reinen: »Ach ja, son Christfest ist doch ooch janz scheen!«

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Und frohgelaunt spricht er vom »Weihnachtswetter«, / mag es nun regnen oder mag es schnein. / Jovial und schmauchend liest er seine Morgenblätter, / die trächtig sind von süßen Plauderein.

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So trifft denn nur auf eitel Glück hienieden / in dieser Residenz Christkindleins Flug? / Mein Gott, sie mimen eben Weihnachtsfrieden… / »Wir spielen alle. Wer es weiß, ist klug.«

Kurt Tucholsky, alias Ignaz Wrobel, Peter Panter, Theobald Tiger und Kaspar Hauser hat mit seinen Wort-Geschossen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wechselseitige Ziele angepeilt – »niemals jedoch die Richtung« verfehlt, so Roland Links im Nachwort der mir vorliegenden profunden Ausgewählte Werke-Edition, die für DDR-Leser eine Offenbarung darstellte. Sie erschien in hohen Auflagen, sogar in kulturpolitisch nicht unproblematischer Zeit im Berliner Verlag Volk und Welt und vermochte etliche aufmerksame Leser in den 70er und 80er Jahren wachzurütteln.

Das gilt übrigens bis heute und für das ganze Deutschland. Ein Tucholsky-Band unterm Weihnachtsbaum ist -merkwürdig genug- immer noch, immer wieder aktuell, öffnet Horizonte und Herzen, mit Scherzen und Schmerzen. Sein Credo (ich fand es in seinem Hausblatt, der Weltbühne, vom 29.April 1930 unter der Rubrik »Bemerkungen«): »dass nicht die Dinge regieren sollen, sondern der Mensch… ach, du grundgütiger Himmel.«

Besinnliche Weihnachten wünscht: ARTus

Am 21. Dezember -vor 75 Jahren- starb in Hindas (Schweden) der große Satiriker und Solitär des geschliffenen Wortes Kurt Tucholsky und mit ihm Ignaz Wrobel, Peter Panter, Theobald Tiger und Kaspar Hauser. ARTus