TTIP: „…für Korporationen und nicht für die Bürger gemacht“


Als MEP bin ich mit den inneren Abläufen des TTIP vertraut. Ich bin zur Geheimhaltung verpflichtet, aber so viel kann ich sagen: Das TTIP ist undemokratisch!

Obwohl ich die 50 schon überschritten habe, scheine ich die Chance, ein Spion zu werden, noch nicht verpasst zu haben. Und zwar deshalb, weil man mir jetzt in meiner Eigenschaft als MEP bevorzugten Zugang zu dem für die Öffentlichkeit nicht zugänglichen Lesesaal des Europäischen Parlaments gewährt hat, sodass ich in Dokumente einsehen kann, die sich auf das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) beziehen. Bevor ich allerdings diese “höchst geheimen” Dokumente sehen durfte, die den Blicken der meisten EU- Bürger verborgen bleiben müssen, hatte ich ein etwa 14 Seiten langes Schriftstück zu unterschreiben, das mich daran erinnerte, dass “EU-Einrichtungen ein lohnendes Ziel sind” und dass Spionage gefährlich ist. Im Grunde genommen musste ich mich verpflichten, nichts von dem, das ich erfahren würde, mit meinen Wählern zu teilen.

Die reizenden Parlamentsangestellten verlangten, dass ich auch den kleinsten meiner persönlichen Gegenstände in einem Schließfach ließ, während sie mir erklärten, wie winzig Kameras dieser Tage sein können. Wie in einem James Bond Film führten sie mich dann durch eine Sicherheitstür in einen Raum mit verschlossenen Schränken, aus denen die Dokumente dann geholt wurden. Allein gelassen wurde ich zu keiner Zeit.

Diese Woche sind Hunderte von TTIP-Protestern vor das Europäische Parlament gezogen. Mit gutem Grund machen sie sich Sorgen über die Bedrohung, die dieser Vertrag für die Chancen der britischen Regierung darstellt, seinen Aufgaben in ihrem Interesse nachzukommen. Bei einer Vielzahl von Themen von Sicherheitsstandards für Lebensmittel und Tierschutz bis zu öffentlichen Versorgungsanlagen und der Regulierung der Finanzmärkte gibt es die tiefe Besorgnis, dass eine Harmonisierung der Normen über den Atlantik hinweg tatsächlich eine Senkung der Standards auf beiden Seiten bedeuten könnte.

Doch wie können wir das mit Sicherheit wissen? Alle Diskussionen über das TTIP sind hypothetisch, da die Verhandlungen im Geheimen stattfinden. Selbst wenn ich nur kurze Berichte über die Diskussionen lesen will, muss ich an meine Verpflichtung, keine Spionage für fremde Kräfte zu betreiben, erinnert werden. Wiederholte Beschwerden über die Geheimhaltung seitens meiner Kollegen bei den Grünen haben dazu geführt, dass wir endlich Zugang zu dem besonderen Lesesaal haben, doch noch immer dürfen wir das, was wir herausfinden, nicht mit unseren Wählern oder mit Journalisten teilen. Was wir wissen, ist, dass 92 Prozent der an den Beratungen Beteiligten Unternehmenslobbyisten sind. Von den 560 Treffen der Kommission mit Lobbyisten waren 520 solche mit Unternehmenslobbyisten und lediglich 26 (4,6%) mit öffentlichen Interessenvertretern. Das bedeutet, dass auf jedes Treffen mit einer Gewerkschafts- oder Verbrauchergruppe 20 mit Unternehmen und Industrieverbänden kamen.

Was ich von meinem Besuch im Lesesaal verraten kann, ist, dass ich ihn ohne jegliche Gewissheit verließ, dass der Verhandlungsprozess für dieses Abkommens demokratisch ist, oder dass die Verhandlungspartner im Interesse der Bürger handeln. Das gesamte Verfahren vom indirekten Verdacht der Wirtschaftsspionage bis zu der Erkenntnis, wer tatsächlich an diesen Verhandlungen teilnimmt, macht deutlich, dass es sich um eine Diskussion unter Unternehmern und nicht um eine demokratische Diskussion handelt. Ich stelle mir einen Raum voller Bürokraten vor, die nach Möglichkeiten suchen, die Geschäfte der mächtigsten Unternehmen der Welt zu erleichtern, deren Umsatz nicht selten die Geschäftstätigkeit einiger EU-Mitgliedsstaaten übertrifft.

Warum bloß würde irgend jemand sich eine Welt mit einem riesigen Handelsraum von Alaska bis zum Schwarzen Meer wünschen? Ich glaube, diese Vision kommt aus dem Gefühl heraus, ordnen und kontrollieren zu müssen, aus dem Gefühl heraus, Uniformität sei gleichbedeutend mit Sicherheit. Allerdings ist auch klar, dass die Entscheidungen darüber, welche Gestalt dieses einheitliche Regulierungs- und Handelssystem annehmen soll, von Unternehmen bestimmt werden, denen das Profitstreben schließlich im Blut liegt, und die gesetzlich dazu verpflichtet sind, ihren Aktionären zu dienen, auf Kosten aller anderen.

Als Grüne bin ich grundsätzlich kulturell immer gegen so eine Vision und also gegen dieses Abkommen. Wenn ich aber mit Wohlwollen auf die Bestrebungen, eine solche Standardisierung zu schaffen, blicke, versuche ich mir einzureden, die Regeln seien eben die, die ich gerne sehen würde: Hohe Standards beim Tierschutz, Verbote für gefährliche Pestizide, eine Finanzaufsicht mit dem Ziel von Stabilität, um nur ein paar zu nennen.

Die TTIP-Verhandlungen nehmen viel Zeit in Anspruch zu einer Zeit, in der das europäische Projekt gerade an mehreren Fronten bedroht zu sein scheint: Da gibt es die Schuldenkrise, den Klimawandel und den Krieg in der Ukraine, um nur drei zu nennen. Ich möchte den Sinn dieser Nutzung von Ressourcen zum jetzigen Zeitpunkt anzweifeln, noch dazu für ein Abkommen, das wohl dazu verurteilt ist, niemals die notwendige politische Unterstützung zu bekommen. Zumal es auch beträchtliche Geldsummen verschlingt. Die Frage der mit dem TTIP-Abkommen verbundenen Kosten ist ein Thema, das ich bei der Kommission vorgebracht habe, und darüber darf ich sprechen. Seit Juli 2013 gab es sieben

erhandlungsrunden, alternativ in Brüssel und Washington. Die bisherigen Kosten reichen von €60.000 für eine Runde in Brüssel bis zu €180.000 für eine Runde in Washington.

[«*] Molly Scott Cato ist Europaabgeordnete der britischen Grünen (Green Party of England and Wales)

Original: http://www.theguardian.com/commentisfree/2015/feb/04/secrets-ttip-corporations-not-citizens-transatlantic-trade-deal

Quelle: http://www.nachdenkseiten.de/?p=24961


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