Die tiefgründige Herzessenz des Seegeborenen – die Praxis des Mahaguru – ist ein Geistschatz (dgong gter) von Dudjom Rinpoche Jigdral Yeshe Dorje und findet sich als Bestandteil eines größeren Zyklus des Khandro Thugthig. Der Zyklus des Tsokye Thugthig legt seinen Schwerpunkt mehr auf die Aspekte Heilung und Reichtum. Dieser Praxiszyklus wurde von Dudjom Rinpoche im Jahre 1929 als Schatztext gehoben, als er noch in Tibet war. Während sein ausführlicher Zyklus des Khandro Thugthig – die Herzessenz der Dakini – den Mutter-Aspekt darstellt, repräsentiert der Zyklus des Tsokye Thugthig den Vater-Aspekt.
Inhalt des Seegeborenen Vajra
Im Rahmen des Tsokye Thugthig gibt es vier Sadhanas auf die vier Aspekte des Lehrers. Äußerlich erscheint der Lehrer dabei im Medizinaspekt als Orgyän Menla, der große Heiler aus Orgyän. Als innerlicher Aspekt manifestiert sich der Lehrer in Form des Lama Norlha, als Reichtumsaspekt. Den geheimen Aspekt bildet die Praxis des Tsokye Dorje und der allergeheimste Aspekt zeigt sich auf den entsprechenden Thangkas in der Manifestation des Dorje Drolö. Jedoch ist in diesem Zyklus keine Praxis des Dorje Drolö zu finden, sondern stattdessen gibt es die Praxis des Lama Dragpo Taphur – des Lehrers als Einheit von Hayagriva und Vajrakilaya.
Neben diesen Praktiken gibt es noch ein paar Aktivitätspraktiken zum Thema Heilung und Reichtum. So finden sich eine Langlebenspraxis, eine längere Medizinbuddha-Praxis und zwei Praktiken zum „Herstellen von Schatzvasen“ und zum „Vertreiben des Geistes von Not und Elend“ im Zyklus. Man sagen, dass Padmasambhava sich in den Zeiten des Niedergangs zum Wohle der Wesen als Heiler und Bringer von Reichtum zeigt.
Heilaspekt des Guru Rinpoche
Bei der Praxis des Heileraspekts wird der Weisheitsgeist des Lehrers in Gestalt von Orgyän Menla angerufen und eingeladen. Durch diese Praxis werden alle vorübergehenden sowie alle langanhaltenden Verschlechterungen und Minderungen bereinigt, die aus den Störungen durch die fünf Elemente herrühren. Da alle Lebewesen aus den fünf Elementen zusammengesetzt sind, ist dies eine sehr wirksame Praxis, die Elemente wieder ins Gleichgewicht zu bringen.
Wie Garab Dorje, der Enkelsohn von Dudjom Rinpoche sagt:
„Unser zerstörbarer illusorischer menschlicher Körper unterliegt einem vorübergehenden und langfristigen Verfall, der durch die Störung von Elementen entsteht. Krankheit und Hindernisse werden aufkommen und uns mit unerträglichem Leiden und vorzeitigem Tod bedrohen. Vor und zum Zeitpunkt des Auftretens von Krankheiten können wir Orgyän Menla, den König der Medizin, mit großem Glauben anflehen. Durch die Untrennbarkeit mit Orgyän Menla werden die Krankheitshindernisse und das Leiden definitiv beseitigt, sodass unser Leben nicht erschöpft ist.“
Orgyän Menla, der heilende Guru aus Oddiyana, ist Guru Rinpoche, der im Aspekt von Bhaishajyaguru (Medizinbuddha) erscheint. Er ist dunkelblau (wie Lapizlazuli) und seine rechte Hand hält einen Stiel wertvoller Heilkräuter. Die Praxis von Orgyän Menla vereint den Segen und die Kraft von Guru Rinpoche und des Medizinbuddha, um kraftvolle Heilung zu bringen und alle Arten von emotionalen, körperlichen und psychischen Erkrankungen aufzulösen. Es ist besonders wirksam bei der Befriedung von Epidemien, anderen Krankheiten, Leiden und negativen Einflüssen und wirkt sich auch positiv auf die Langlebigkeit und Weisheit aus.
Oder wie Shenphen Dawa Rinpoche, Dudjom Rinpoches Sohn dazu meint:
„Diese Praxis konzentriert sich auf die heilenden Eigenschaften des leuchtenden Weisheitsgeistes des Buddha, mit dem Ziel, alle Krankheiten, einschließlich der eigentlichen Leiden des Leidens, für alle Lebewesen, die unsere Eltern gewesen sind, zu heilen.“
Die zerstörerischen Kräfte des Ungleichgewichts der vier Elementen werden durch das Verwirklichen von Orgyän Menla überwunden. Dies ist möglich, weil der Medizinbuddha sich nicht von Guru Rinpoche unterscheidet und Guru Rinpoche nicht von der ursprünglichen Reinheit und Vollkommenheit des eigenen Bewusstseins verschieden ist. Alle inneren, äußeren und geheimen Hindernisse und Krankheiten sind das Ergebnis der eigenen verwirrten Existenz. Das Mantra von Ogyän Menla zu meditieren und zu rezitieren heilt nicht nur Krankheiten und Leiden auf relativer Ebene, sondern führt auch zur Verwirklichung der ultimativen Weisheit. So können wir über das Leiden hinausgehen.
Man kann diese Praxis entweder als tägliche Praxis oder im Rahmen eines Drubchen – einer großen Verwirklichung – durchführen, bei der auch Schatzvasen gesegnet und Mendrub – Nektarpillen aus Heilsubstanzen – hergestellt werden.
Ein Reichtum an guten Eigenschaften und Besitz
Die Praxis des Lama Orgyän Khandro Norlha wird „Der fruchtbare Regenschauer, der alle Wünsche erfüllt“ genannt. Dies ist die Dzambhala-Form von Guru Rinpoche. Als Praxis für das Herstellen von Schatzvasen und zur Vermehrung von Reichtum wird dieser Aspekt meditiert. Wie an anderer Stelle auf rangdrol’s Blog zum Thema Schatzvasen bereits erwähnt, fördert diese Praxis auch das Gleichgewicht der Elemente im eigenen Lebensraum.
Wie Dawa Chödag Rinpoche dazu sagte:
„Die Praxis des Orgyän Norlha ist besonders effektiv, um die Energie von Yang (tib., g.yang) oder Reichtum einzufangen, wiederherzustellen und zu steigern. Reichtum in diesem Sinne bezieht sich nicht nur auf monetären Reichtum, sondern auch auf alles, was in unserem Leben einen Wert hat – den Reichtum an vitaler Gesundheit, nahrhafte Nahrung und saubere Umgebungen. Der Wohlstand, der von den kreativen Kräften des Universums ausgeht, der Reichtum der Freundschaft und der Gemeinschaft, der Reichtum, der aus innerem Frieden und innerem Glück und materiellem Wohlstand entsteht. Da die Welt jetzt tiefer in wirtschaftliche Krisen und Not gerät, ist das Bedürfnis, Yang zu stärken und verlorenes Yang wieder herzustellen, größer denn je!“
Bevor Dudjom Rinpoche Tibet verließ, vergrub er mehrere Schatzvasen.
„Aufgrund unglücklicher, unvermeidlicher Ereignisse kam es Ende der 40er Jahre in ganz Tibet zu vielen schlechten Vorzeichen. In dieser Zeit wurde das Kloster Zangdog Palri Lama Ling durch Erdbeben beschädigt. Dudjom Rinpoche vergrub jedoch weiterhin Schatzvasen, baute Stupas und führte Zeremonien durch, um die energetischen Punkte der Erde wiederherzustellen und auszugleichen, an denen König Songtsen Gampo und viele nachfolgende Meister Tempel gebaut hatten.“
Besonders in Zeiten, in denen es den Dharma-Praktizierenden an förderlichen Bedingungen wie materiellem Wohlstand und Verdienst mangelt, ist so eine Praxis von großem Wert.
Im Schatzzyklus von Dudjom Rinpoche heißt es:
„Wenn man eine Schatzvase an einer hervorragenden Stelle an einem Berghang inmitten eines Landes vergraben kann, dann werden ausgezeichnete Dinge zusammentreffen, um diesem Land in allen Richtungen zu nützen. Wenn man diese inmitten eines Hauses vergräbt, dann wird Heilsames, Freude und Glück für diesen Wohnort entstehen. Wenn man sie in der Mitte eines Herdes vergräbt, dann wird eine Ansammlung von Nahrung, Reichtümer und Genüsse hervorkommen, sowie andere werden gute Dinge über einen sprechen. Wenn man sie in der hervorragenden Erde eines Feldes vergräbt, dann wird es immer reichhaltige Ernten geben. Wenn man sie in einer hervorragenden Quelle oder in einem Berg davor vergräbt, dann wird Regen fallen und Wasser wird herabkommen und frisches Wasser wird sich vermehren. Wenn man sie in einer Pferde- oder Kuhweide vergräbt, dann wird kein Verlust oder Schaden diesen Tieren widerfahren und sie werden sich bis ins hohe Alter vermehren.“
Durch das Vergraben der Schatzvase bringt man ausgezeichnete Umstände in die Umgebung und schafft so ein günstiges „Tendrel“ (tib., rten ‚brel) – eine vorteilhafte wechselseitige Bedingung.
Schatzvasen – Fokus für Reichtum und Harmonie
Die Praxis mit Schatzvasen ist eine in Asien weit verbreitete Methode, um die Vitalität und das Gleichgewicht der Elemente zu erneuern. Genauso wie zuvor beim Medizinaspekt erwähnt, unterliegt die Umgebung einer beständigen Verunreinigung und erlebt einen langsamen Verfall. Schatzvasen haben die Macht, Reichtum und Fülle herbeizuziehen, die Gesundheit zu verbessern, Hindernisse für ein langes Leben zu beseitigen, Streit und Krieg zu befrieden und Weisheit und Mitgefühl für alle zu steigern. Traditionell wird eine Schatzvase daher im eigenen Haus aufbewahrt oder an einem ausgewählten Ort begraben.
Als Guru Rinpoche durch Tibet reiste, sah er, wie die Leute an Armut und Hunger litten. Auf die Bitte des Dharma-Königs Trisong De’u-Tsen manifestiert sich Guru Rinpoche in Gestalt als Lama Norlha. Durch seinen Segen begann der entsprechende Landstrich zu blühen und zu gedeihen. Die Lebensumstände der Menschen dort veränderten sich.
Guru Rinpoche gab spezifische Anweisungen für die Herstellung von Schatzvasen, um die Heilung der Umgebung und die Wiederherstellung der Lebensenergie für die vielen Wesen und Reiche in diesen Zeiten des Niedergangs zu unterstützen. Bevor Guru Rinpoche Tibet verließ, verbarg er Praxistexte betreffend Lama Norlha an verschiedenen Orten und bat die Dakinis und Beschützer, sie zu schützen, bis sie von Tertöns gefunden und ihren Schülern übergeben wurden.
Doch auch allein schon die Einweihung und Praxis des Lama Norlha ist hilfreich, um Not und Elend abzuwenden und die Fülle des Lebens zu manifestieren.
Im Ngakpa-Zentrum Lhündrub Chödzong gibt es immer wieder die Gelegenheit, Schatzvasen selbst herzustellen und im Rahmen eines Rituals einzuweihen und zu segnen. Generell sollte man Schatzvasen einmal pro Jahr im Rahmen einer Norlha-Puja ihre Segenskraft erneuern.
Die nächste Gelegenheit dazu bietet sich im Mai im Rahmen der Veranstaltung von Tsokye Thugthig & Khandro Thugthig. >Mehr lesen