In Zürich habe ich meinen ersten Job gehabt, habe gelernt über mich hinauszuwachsen, Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu übernehmen. Ich habe Freunde verloren und neue gewonnen. Ich bin dreimal umgezogen. Ich war im Krankenhaus und wurde zum ersten Mal in meinem Leben operiert. Ich habe Ben getroffen, mich verliebt und verlobt. Ich habe Momo in mein Leben geholt. Es sind mir gute und schlechte Dinge passiert, ich war manchmal traurig, aber meistens glücklich. Auf jeden Fall bin ich stärker geworden, als ich es jemals für möglich gehalten hätte und ich bin mir sicher: Egal, mit welchen Problemen ich zu kämpfen habe - ich werde sie meistern.
Viele Dinge habe ich an Zürich sehr zu schätzen gelernt: die Höflichkeit der Menschen, die sauberen Strassen und Trams, die vielen Parks und Gärten, die tollen Restaurants, die vielen Veranstaltungen - Oper für alle, Streetfoodfestival, Züri Fest, Lange Nacht der Museen, Zürich liest, Pride Parade - den See und die schönen Geschäfte.
Es war das erste Mal, dass ich wirklich alleine war. Ohne Familie, Freund oder Freundinnen. Wahrscheinlich ist das der Grund dafür, dass ich mich hier zum ersten Mal richtig unabhängig gefühlt und gelernt habe, mit mir selbst alleine zu sein. Ich habe es geliebt, meinen eigenen Tag zu planen, zu kochen worauf ich Lust hatte, faule Nachmittage am See in der Sonne zu vertrödeln, meine WG-Zimmer einzurichten, wie es mir gefiel und abends die Filme anzuschauen, auf die ich Lust hatte. Das war eine Erfahrung, die ich sehr genossen habe.
Ich habe aber auch langsam nachvollziehen können, warum viele Deutsche sich in Zürich auf die Dauer nicht wohl fühlen. Die Menschen mögen zwar höflich sein, aber das hat nicht viel zu bedeuten. Höflichkeit ist hier einfach selbstverständlich und hat nichts mit Interesse oder Herzlichkeit zu tun. Menschen näher kennenzulernen und Freundschaften zu schliessen ist schwierig und obwohl ich lange dachte, mir wäre das gelungen, muss ich mir wohl eingestehen, dass ich in den letzten vier Jahren zwar viele gute Bekannte aber kaum richtige Freunde gefunden habe. Aber hey: Dafür habe ich Ben. Und Momo. Man kann nicht alles haben.
Was man wohl auch sagen muss: Zürich trägt den Ruf als teuerste Stadt der Welt völlig zurecht. Ich werde es ganz sicher nicht vermissen, Unsummen an Miete zu bezahlen, 25 Franken für einen Cocktail auszugeben und mir jeden Restaurantbesuch dreimal zu überlegen. Da sitze ich doch lieber mit einem Glas Rosé im Garten.
Anm: Ben hat mich freundlicherweise darauf hingewiesen, dass unser erstes Date NICHT am Streetfood Festival sondern sehr viel früher stattgefunden hat. Keine Ahnung, warum mir das so eindrücklich in Erinnerung geblieben ist. Vielleicht wegen dem Essen....
Bin ich traurig, Zürich zu verlassen? Nicht besonders. Die letzten vier Jahre werde ich immer in grossartiger Erinnerung behalten und ich bin sehr dankbar für den Menschen, der ich hier geworden bin. Aber es ist Zeit für eine Veränderung. Ich freue mich unglaublich auf unser grosses Abenteuer in unserem neuen Zuhause.