Trotz Testsieg: D1 muss Funklöcher stopfen!


Alle Jahre wieder starrt die Szene kurz vor Weihnachten gespannt nach Stuttgart. Der große (Mobilfunk) Netztest der Fachzeitschrift “Connect” zieht Alle in ihren Bann.

4G Antenne

Techniker der Deutschen Telekom montieren eine LTE-Antenne (Foto: Deutsche Telekom)

Statistisch gesehen, wäre die Chance auf “Platz 1″ bei derzeit vier Netzbetreibern 25%. Praktisch findet seit Jahren ein Rennen zwischen Telekom (D1) und Vodafone (D2) statt, wobei sich der Abstand die letzten Jahre spürbar vergrößert hat. 2009 und 2010 gewann Vodafone D2 diesen Test , 2010 stürzte die Telekom dabei auf Platz 3. Die Legende erzählt, dass es danach hinter schalldichten Türen in Bonn recht lebhaft hergegangen sei.

2011 holte sich die Deutsche Telekom die begehrte Trophäe zurück und marschiert seitdem jedes Jahr wieder als uneinholbarer Gesamtsieger auf das Treppchen. Auch die Online-Redaktion von Chip hat getestet, mit praxisnäheren (Test-)Rucksack-Touristen, die auch durch Fußgängerzonen und Einkaufzentren gingen und mit der Bahn quer durch Deutschland fuhren: Klarer Sieger jedes Jahr: Die Deutsche Telekom..

Dieses Jahr ergab sich unter Kennern eine gewisse Spannung, ob Vodafone, in der letzten Zeit von technischen und administrativen Problemen geplagt, den zweiten Platz der Connect halten könne.
Sie konnten – aber nur knapp. Bei der Einzelwertung “Sprachtelefonie” mussten sie den Platz zwei aber an E-Plus abgeben. Grosse Freude am E-Plus-Platz in Düsseldorf und bedrückte Gesichter am Ferdinand Braun Platz, einige strassenzüge weiter.

Die Telekom mit dem “besten Netz”: Diese Boschaft findet man überall, auf Anzeigen in Zeitschriften, auf Werbeplakaten, in Tarifbroschüren, in TV- und Radiowerbung auch denen der Telekom-Tiefstpreis-Tochter Congstar.

Das setzt Kunden , die immmer und überall telefonieren und surfen möchten in Bewegung. Sie gehen in den Laden oder direkt ins Internet, ordern eine SIM-Karte, vielleicht noch ein passendes Handy dazu und los gehts.

Kann man nun erwarten, beim Testsieger immer und überall Netz zu haben?

Leider – und das ist auch im Jahre 21 nach dem Start des GSM-Mobilfunks in Deutschland trauriger Fakt – ist das nicht immer und überall so. Es gibt in Deutschland immer noch ärgerliche Funklöcher. Nicht nur im tiefsten Wald oder der unbewohnten Einöde (wo es halt nicht so einfach ist, mit den Funksignalen hinzukommen), sondern auch auf viel befahrenen Bundesstraßen, ja sogar in Orten, wo Menschen leben und arbeiten oder in Ballungszentren draussen oder drinnen, etwa in Bürogebäuden.

Ok: Moderne Gebäude werden immer besser isoliert, um Energie zu sparen, dabei werden auch die Funkwellen ausgesperrt. Das kann man einem Netzbetreiber nur bedingt ankreiden, aber der Kunde sollte es vorher wissen. Lösungen können hier Indoor-Sende-Anlagen bringen. Vodafone und o2 bieten ihren Kunden dazu Router an, die einfach an ein vorhandenes Internet angeklemmt werden. Die Telekom offeriert solche Lösungen leider nur in ganz speziellen Fällen.

Zurück zu den Funklöchern: Fragt man im Internet beispielsweise via Twitter bei @Telekom_hilft nach konkreten Funklöchern der Telekom, kommt schnell die ehrliche Antwort: “Ja das Funkloch ist bekannt”, oft gefolgt von “Nein, ein Ausbau ist nicht geplant”.

Da könnten kritische Zeitgeister auf den Gedanken kommen, dass selbst der Testsieger gar nicht immer das beste Netz haben könnte?

Nun – es ist – wie so oft – alles relativ und im Detail kompliziert.

Es gibt Orte in Deutschland, wo bis heute nur der Testsieger versorgt. Und es gibt nach wie vor Orte in Deutschland, wo der Testsieger (noch) nicht versorgt, aber einer oder beide kleinen Konkurrenten wie E-Plus oder o2 schon längst da ist.

Forscht man genauer nach, dann kann es sein, dass die Telekom dort irgendwann einmal selbst ausbauen wollte, aber an uneinsichtigen überängstlichen Mitmenschen gescheitert ist, die jede Mobilfunksendestation als “Teufelszeug” ansehen. Da hat man in Bonn irgendwann “dann halt nicht” auf die Akten geschrieben und diese geschlossen.

Wo schon Sendeanlagen stehen, wird seitens der Telekom (und ihrer Mitbewerber) eifrigst umgebaut. Die Umrüstung auf LTE erfolgt bei der Telekom am Limit, “mehr Umrüstung in so kurzer Zeit können wir physisch gar nicht leisten” , betont der neue Telekom CEO Timotheus Höttges. Man merkt es, wenn man ein LTE-Handy hat und sein Display öfters mal begutachtet, täglich tauchen neue Stationen irgendwo im Lande auf. Das Ausbautempo ist wirklich beachtlich. Die Mitbewerber hecheln hinterher. E-Plus will LTE erst im März 2014 starten.

Dort, wo noch gar keine Sendeanlagen stehen, wären die Investitionen um einiges höher, weil noch Antennen-Standorte und Mietverträge oder Zuleitungen oder die Akzeptanz vor Ort fehlen, siehe oben.

Der Connect oder Chip-Test bildet sich aus vielen Meßfahrten, kreuz und quer durch die Republik. Daraus werden Punktesummen gebildet und in eine Reihenfolge gebracht.

Datenmäßig kann ich nach 21 Jahren GSM, UMTS und so weiter aus der täglichen Erfahrung bestätigen, liegt die Deutsche Telekom aktuell ihrer Konkurrenz oft meilenweit voraus. Es kommt nicht nur auf einen Netzpegel an, sondern auch auf die Leitungen und Server zum Internet, wo es bei der Konkurrenz einfach nur noch klemmt.

Testgewinn bringt mehr Netzlast

Falls Sie schon einmal in Berlin zur Rush-Hour in der U-Bahn unterwegs waren: Es fahren heute weitaus mehr Smartphones als Passagiere mit. Die Netze sind im Untergrund um diese Zeit gnadenlos überlastet. SMS mögen ankommen, Telefonie geht wohl auch, aber Internet? Tröpfelnde oder gar keine Daten, bei der Telekom stehen die Chancen noch relativ gut, durchzukommen. Das spricht sich herum und so wechseln immer mehr Kunden zum Testsieger, mit der logischen Konsequenz, dass auch das Telekom-Netz punktuell “glüht”, was weiteren Ausbau erfordert, wenn man nicht im Datenstau stecken bleiben soll.

Auch oberirdisch sieht es oft schlimm aus. Fahren Sie mal mit einem ICE, beispielsweise von Berlin in Richtung Frankfurt/Main oder zurück. Laptops, soweit das Auge reicht. Ohne das von der Telekom gelieferte WLAN in den ICE-Zügen wäre schlicht Schicht im Schacht. Die Mobilfunknetze sind, soweit sie in den Zügen überhaupt durchgehend empfangbar sind, völlig am Limit.

Bahnstrecken, die als versorgt gelten, wie die Hochgeschwindigkeitstrasse von Mannheim nach Stuttgart, nerven die Kunden immer wieder mit Aussetzern.

Wo Vodafone (D2) noch kein 3G oder LTE aufgebaut hat, kommen die Daten allzuoft zum Stehen. 0 kB/s habe ich bei EDGE oder GPRS schon öfters gemessen – bei ansonsten durchaus brauchbarem Signal. Wo Vodafone kein GSM-Signal liefert, kann aber ein 3G Signal anliegen. GSM-Puristen, die alle modernen Handys als “unnötig” verteufeln und auf die 1 Woche Akkuhaltezeit Ihres Nokias 1112 oder 6310i schwören, haben hier ein Problem. Mit einem 3G fähigen Handy hat man wieder ein Vodafone-Netz, benötigt aber viel Akku, wenn das Handy permanent zwischen den Netztechnlogien wechseln muss.

Wer bei o2 auf LTE setzt, wird sich öfters über einen relativ schnell entleerten Akku wundern, weil die Netzsuche kräftig am Akku knabbert. Ansonsten sollte man auch bei o2 auf mögliche 3G Versorgung achten, GPRS/EDGE kann funktionieren, kann aber auch zu langsam sein.

Am besten selber testen

Wenn man sich mit vier Handys und vier Netzen durch das Land fährt, können die Ergebbisse vor Ort anders aussehen. Geht man zu Fuß? Fährt man mit der Bahn? Oder mit dem Auto?

Wer sich im Internet ein wenig umschaut, findet lange Listen von Funklöchern – auch bei der Telekom, die auffallend oft in Baden-Württemberg liegen, teilweise auch dicht bei Ballungszentren etwa zwischen Karlruhe und Stuttgart.

Machen wir eine willkürlich ausgewählte Stichprobe und fahren mit dem Auto von Hessen nach Baden-Württemberg, abseits der Autobahnen.

Wir starten in einer Region, wo nur Telekom versorgt und dann gleich in HSPA-Qualität – beispielsweise zwischen 64743 Airlenbach (gehört zu Beerfelden in Hessen), 64743 Falken-Gesäß und 64757 Finkenbach (gehört zu Rothenberg). Nun gesellen sich E-Plus und o2 hinzu, teilweise auch Vodafone D2 (jeweils nur GPRS) und wir erreichen mit Telekom D1 den Ortseingang von 69434 Hirschhorn (Neckar). Kurz davor sinkt der D1-Pegel bis auf nahe Null ab. Outdoor kann man auf der L3119 gerade noch so Netz haben, indoor ist nichts mehr und wenn man auf die L3105 Richtung Langenthal abbiegt, ist auch outdoor von D1 nichts mehr zu empfangen.

Das wurmt dann schon, wenn Kunden von Vodafone, E-Plus oder o2 kühl lächelnd selbst im hinteren Winkel des EDEKA-Einkaufsmarktes von Hirschhorn weiter telefonieren können. Ob es damit zusammenhängt, daß “EDEKA Mobil” im Netz von Vodafone D2 realisiert ist?

Wir fahren weiter. Überqueren den den Neckar an der Staustufe bei Hirschhorn und klettern über die K4105 den Berg nach 69436 Moosbrunn hinauf. Alle Netze sind bis kurz vor dem Gipfel da, dann brechen alle verbindungen in dem Waldstück nach den Spitzkehren zusammen, obwohl wenige 100 Meter Luftlinie entfernt mitten im Wald ein Sendemast steht.

Die Reise über 69436 Schönbrunn nach 69436 Haag beschert uns bei D1 viele Abbrüche und Aussetzer, die andern Netze punkten etwas besser. Zwischen Haag und 74931 Waldwimmersbach (gehört zu Lobbach) fahren wir wieder durch ein komplett unversorgtes Tal. Danach haben wir wieder zeitweise Netz. Es geht weiter nach 74925 Epfenbach, wo eine o2 Sendestation weit sichtbar am Ortsrand steht, die im Wald aber der Geländekrümmung nicht folgen kann (ergo Funkloch) und nach 79415 Daisbach (die Ortsdurchfahrt und die weitere Landstrasse bis zur B292 sind mit allen Netzen komplett unversorgt) und biegen nach 74889 Sinsheim ab. Dass es auf der B292 immer wieder Probleme beim D1-Handover zwischen Sinsheim und Waibstadt gibt (während die Konkurrenz tapfer durchhält), nehmen wir enttäuscht zur Kenntnis.

Auch die Kreisstadt 74889 Sinsheim (bekannt durch die Autobahn A6, den Bundesligaverein Hoffenheim und das sehenswerte Technik-Museum) hat ihre Problemzonen. Bewohner der Ortsteile Sinsheim-Reihen leiden unter einem schlechten bis fehlenden D1-Pegel im Ortskern, im Ortsteil Sinsheim-Weiler geht mit D1 gar nichts, und das im Jahre 21 von GSM.

Machen wir einen kleinen Sprung und nehmen die Autobahn A650 zwischen 67098 Bad Dürkheim und 67061 Ludwigshafen am Rhein, mit 300.000 Einwohnern gewiss keine Kleinstadt. Wer telefonierenderweise am Oggersheimer Kreuz vorbei Richtung Mannheim fährt muss mit Aussetzern und Abbrüchen rechnen, entweder in Höhe der renommierten BG-Unfallklinik oder spätestens am Ende der A650 am Ortsschild Ludwigshafen. Von einem 15 km langen Funkloch zwischen 67098 Bad Dürkheim und 67468 Frankenstein entlang der B37 rede ich heute mal nicht.

Sind das die berühmten berüchtigte Einzelfälle?

Leider nicht.

Im Scharzwald bis hinunter zum Bodensee gibt es ähnliche Szenarien, die ich zum Teil aus eigener Erfahrung kenne, aus glaubwürdigen Berichten in einschlägigen Foren, werden Funklöcher aus Thüringen, Brandenburg, Sachsen oder Mecklenburg Vorpommern gemeldet. Es fehlen noch Sender, die im Jahre 21 nach dem GSM-Start längst da sein müssten. Vielleicht bringt ein weiterer Ausbau mit LTE 800 eine Lösung, vielleicht müssen wir noch auf LTE 700 warten (wenn es eines fernen Tages so kommen sollte?), bis sich dann die passenden Geräte zu “Jedermann” durchgesetzt haben, wird es noch dauern.

Die Liste der Funklöcher, die Vodafone (D2), E-Plus oder o2 Kunden beklagen, dürfte ähnlich lang, vermutlich aber noch länger sein. Zum Glück wechseln sich die Netzbetreiber ab.

Gewiss: Ein flächendeckender Mobilfunknetzausbau kostet viel Geld , deshalb wären längst kreative Lösungen gefragt.

- Dort wo wenigstens eine der derzeit vier Netzbetreiber “versorgt”, müssen technische Lösungen gefunden werden, dass die Kunden der Mitbewerber diese Stationen auch regulär mitnutzen können und dürfen und nicht nur im Notfall mit der 112.

- Sei es, dass man weitere Netzkennungen ausstrahlt oder das Thema “National Roaming” beherzt in Angriff nimmt. Wie das funktionieren kann, haben uns o2 und D1 lange Jahre mustergültig vorgeführt. Das vorzeitige mutwillige Abschalten des D1-Roaming hat o2 damals viel Sympathien und Kunden und damit erst einmal viel mehr Geld gekostet, als die regelmäßigen Zahlungen an den unterstützenden Netzbetreiber D1.

Gibt es das ultimativ beste Netz?

Ja und nein. Wenn Sie Netz haben, ist die wahrscheinlichkeit, dass Sie mit der Telekom derzeit am besten fahren, nach wie vor am höchsten. Doch Herausforderer wie E-Plus haben in der letzten Zeit ihre Hausaufgaben gemacht. Wenn E-Plus und o2 im Rahmen ihrer geplanten Fusion das Kunsstück schaffen, das Beste aus beiden Netzen zusammen zu legen (sofern die Fusion genehmigt wird), könnten sie ein ernstzunehmender Konkurrent werden. Doch wie nachhaltig ist die Geschichte angelegt? Wir wissen es nicht.

Vodafone ist – wie schon erläutert – in einer äußerst unbequemen Position: Für einen Super-Netzausbau mit fühlbaren Super-Service fehlt ihnen das Geld (genauer, die britische Zentrale gibt es nicht her), für Netz- und Service-Probleme weiter zu Premium-Preisen schmilzt die Kundenakzeptanz wie Schnee in der Sonne.

Bleibt zu hoffen, dass bei aller berechtigter Freude beim Testsieger Telekom niemand auf die Idee kommt, das Tempo des Netzaus- und Weiterbaus zu drosseln. Es hätte fatale Folgen.

Was tun?

Wenn Sie immer und überall ein Netz brauchen, sollten Sie die Mitnahme einer Zweitkarte überlegen. Das kann eine Prepaid-Karte eines Discounters sein, wo Sie nur soviel Geld aufladen sollten, dass es für Ihre Zwecke reicht und dass eine vorzeitige Abschaltung (z.B. weil Sie den Nachladetermin verpasst haben oder Systeme des Anbieters verrückt spielen) nicht weh tut.

Die Nutzung einer ausländischen Karte, die sich in alle deutschen Netze einbucht, ist eine praktische Sache, allerdings beachten Sie, dass Sie dann immer zu teuren Roaming-Tarifen Ihres ausländischen Anbieters telefonieren, falls die Karte z.B. aus der Schweiz kommt, gelten die EU-Regelungen nämlich nicht.

Meine Nachricht nach Bonn:

Glückwunsch zum Testsieg, denn er ist abolut verdient. Er sollte aber ein Ansporn sein, die verbleibenden Funklöcher möglichst bald in Angriff zu nehmen, bevor es ein anderer Anbieter tut.

Falls die Fusion von E-Plus und o2 jemals kommt, sind nur noch drei Spieler im Markt, die sich profilieren wollen und müssen. Da könnte der gewinnen, der den Mut aufbringt, auch die abgelegenen letzten Funklöcher zu schließen. Für den Kunden zählt die Netzversorgung genau da, wo er lebt und arbeitet und telefonieren oder surfen will. Geht es da nicht, spricht sich das schneller rum, als den Anbietern lieb sein kann.

Deswegen, liebe Telekom, schnell nochmal zuprosten und dann gleich weiter arbeiten und die Netzversorgung im Lande weiter ausbauen.

Schlagwörter: D1, D2, E-Plus, flächendeckend, Fusion, Netzausbau, o2, Telefonica, Telekom, Versorgung, Vodafone


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