Knapp 5 Tage ist es jetzt her, dass ich meinen ersten Triathlon auf der Olympischen Distanz gefinisht habe. Das „finishen“ an sich war eigentlich nie eine Frage für mich. Vielmehr interessierte mich die Endzeit. Doch zwischenzeitlich standen die Signale nicht wirklich auf Bestzeit und vielmehr auf dnf, was so viel wie „did not finish“ in der Triathlonsprache heißt. Ein Begriff den kein Triathlet gern in den Mund nimmt. Zum Glück konnte ich mir diese Schmach ersparen und letztlich doch noch mit einem Grinsen über die Ziellinie einlaufen. Aber der Reihe nach: Was war an diesem Tag passiert, wie verlief der Wettkampf? Alles jetzt hier zum Nachlesen. Viel Spaß.
Ein paar Gedanken vor dem Start
6:05 Uhr – der Wecker klingelt mich aus dem Bett. Eigentlich bin ich eh schon seit ein paar Minuten wach. Die Vorfreude ist einfach zu groß. Also raus aus den Federn und schnell eine kalte Dusche genommen. Bevor es im Autokonvoi Richtung Neuruppiner Jahnbad ging, gab es noch ein ordentliches Sportlerfrühstück mit Buttertoast, Marmelade, Honig, Nutella, Banane und grünem Tee. Die volle Ladung an kurzkettigen Kohlenhydraten, die sonst eher Tabu in meiner Ernährung sind. Etwas verspätet fuhren wir 8:15 Uhr los. Grund der Verspätung? Nur so viel: Esst am Abend davor nicht mehr Unmengen an Süßkartoffeln, Nudeln oder generell fester Nahrung. Das „carbo-loading“ sollte wohl eher die Tage davor stattfinden, als das es mit Druck am Abend vor dem Wettkampf Sinn macht! Also Finger weg davon, sonst könnte der morgendliche Aufenthalt im Bad etwas länger dauern
In Neuruppin angekommen war ich erstaunt, dass Wechselzone & Co dermaßen professionell eingerichtet waren. Ebenso gibt es einen dicken Daumen hoch für die gute Beschilderung. Bei manchen Wettkämpfen stellt die Anfahrt ja bereits eine Herausforderung der eher ungewollten Art dar! Jetzt ist es ca. halb 11. Noch 30 Minuten bis zum Start. Ich laufe mich ein wenig ein und bin ein wenig irritiert, mit welcher Gelassenheit und Ruhe manche Triathleten noch immer am Auto ein Schwätzchen halten. „Wollen die nicht mal langsam ihr Rad in die Wechselzone bringen“?
Letzte Vorbereitungen
Vielleicht bin ich als Triathlon-rookie auch einfach noch zu hibbelig vor so einem Start. Denn im Grunde wusste ich noch nicht wirklich, was da in den nächsten 2 bis 2 ½ Stunden auf mich zu kommen würde. Klar, die Wettkampfdistanzen hatte ich zuvor im Training simuliert. Aber Wettkampf ist Wettkampf – und der hat bekanntlich seine eigenen Regeln. Das sollte ich noch zu spüren bekommen!!
(Sinnes)-Blackout beim Schwimmen
Es ist 10:55 Uhr. Erstes „Bekanntmachen“ mit dem Ruppinner See. „Oh die tragen ja alle n‘ Neo?!“ Ups! Das hätte ich so nicht gedacht. Klar, war ich mir sicher, dass der ein oder andere ambitionierte Triathlet mit Neo am Start sein wird. Aber das inklusive mir gerade einmal eine Hand voll ohne Neo an den Start ging – Surprise surpise!! Insgesamt hatten sich widererwartend doch nur 67 Einzelstarter eingefunden. “Das liegt aber nicht an der Veranstaltung selbst, sondern an dem Termin”, erklärte Denise Kottwitz (Berlin), die spätere Siegerin in der Frauenwertung im Interview mit der Märkischen OnlineZeitung. Viele Triathleten versuchten ihr Glück an diesem Wochenende bei Parallelveranstaltungen im Spreewald und am Werbellinsee.
Jeder Meter ist umkämpft!
Zurück zur Wassertemperatur: Die letzte Messung lag angeblich bei 16 Grad. 10:59 Uhr und ein paar Zerquetschte. Der Kampfrichter zählt die letzten Sekunden runter. PENG! Der Startschuss fällt und 67 Athleten fighten los. Es ist ein einziges Towabu. Die ersten Meter sind hart. Tritte, Schläge, Wasserschlucken – es ist alles dabei, was zu einem Massenstart im Wasser gehört! Trotzdem kann ich zumindest auf den ersten paar Hundert Metern bis zur ersten Boje so etwas wie einen Rhythmus finden. Im Training erreichte ich Zeiten um ca. 27 Minuten für die 1,5km.
„Damit müsste ich zumindest einer unter den ersten sein, wenn ich aus dem Wasser steige“
Doch dann verlief alles anders, als ich es mir vorher ausgemalt hatte. Plötzlich war die Gruppe weg. Ich war allein auf weiter Flur und fühlte mich grauenhaft. Ich verlor komplett den Faden. Meine Füße begannen zu kribbeln und der Druck auf den Armen war weg. „Was mach ich hier?“ fragte ich mich mehrere Male. Noch vor der zweiten 750m-Runde fing ich sogar an richtig zu frösteln. Hinzu kam, dass ich mehre Male gezwungen war auf Brustschwimmen umzuswitchen. Brustschwimmen!!
Hätte mir das jemand vorher prognostiziert – Ich hätte ihn wohl ausgelacht… „Ich, Brustschwimmen??“ – Never! Ich bin gut in Form!!“ Doch wie gesagt: Der Wettkampf schreibt seine eigenen Regeln. Und so kam es auch noch zum gefürchteten Wadenkrampf. Spätestens jetzt ging nichts mehr zusammen. Ich fing an teilweise völlig konfus hin und her zu kraulen. Hektisch drehte ich mehrmals den Kopf von rechts nach links. Es muss schrecklich ausgesehen haben. Mein keep-on-running-Team konnte das ganze Grauen von außen verfolgen. „Das sah nicht rund aus, man hat gesehen, wie du ehr gegen als mit dem Wasser gekämpft hast“.
Ich weiß ehrlich gesagt nicht mehr alles 100%. Diese Gedankenschnipsel sind es, die mir gerade noch in den Sinn kommen. Die Frage ist was da los war? War es die Kälte? Eine Unterkühlung? Keine Training im See? Komplette Überforderung des Massenstarts, fehlender Wettkampfpraxis und der Kälte? In ihrem Artikel 10 Tipps für das Freiwasserschwimmen, erläutert Triathlon-Trainerin Vera Honoschenko, welche Symptome bei einer Unterkühlung typisch sind:
„Bei Unterkühlung stellen sich je nach Schweregrad Symptome wie Kältegefühl, Zittern, Schmerzen, Schwindel, Desorientierung, Müdigkeit bis hin zum Kreislaufversagen ein.“
© MZV / Matthias Haack
© MZV / Matthias Haack
Im Wettkampffilm wird es beim Ausstieg aus dem Wasser deutlich: Ich war völlig benommen und wusste nicht wirklich wie mir geschieht. Meine Arme waren steif wie ein Brett. Ich schnaufe wie ein Walross. Aber nicht weil ich konditionell außer Puste bin. Nein, ich kann es selbst nicht ganz beschreiben. Es war wie eine Art Trance. Das Einzige was noch funktionierte waren die Instinkte. Irgendwie rein in die Wechselzone. Nicht vergessen den Zeitship am Transponder anszuschlagen. Ich bin eine gefühlte Ewigkeit in der Wechselzone. Ich hatte mich vor dem Start spontan dafür entschlossen, doch die Radschuhe vor dem Aufstieg anzuziehen und diesmal nicht am Rad mit Gummies zu fixieren. Vielleicht war das instinktiv die richtige Wahl. Dennoch brauche ich ein paar Minuten, um endlich raus aus der ersten Wechselzone zu kommen. Schuhe rechts, links reingeklickt und los!
Taumelnd aufs Rad
© MZV / Matthias Haack
Noch immer angeschlagen vom ominösen Schwimmverlauf, ging es weiterhin sehr schwammig auf dem Rad voran. Ich musste mir zu Beginn eingestehen, dass ich einfach noch immer kein Gleichgewicht finden kann und deshalb sogar teilweise die Aero-Position verlassen musste. Gerade bei den Bergabpassagen war mir anfangs leicht mulmig zu Mute. Hinzu kam noch, dass ich ca. bei Kilometer 5 meine Trinkflasche verlor und ich auch leicht fröstelte. Leider war dort die gesamte Wettkampfverpflegung in Form von Gelmischungen drin. „Weltklasse, jetzt auch das noch!! Soll ich jetzt aufhören?“ Was bringt das jetzt noch?!“
Es vergingen ein paar Sekunden und irgendwas in mir sagte “Keep going! Wenn du jetzt aufhörst, hast du umsonst trainiert und außerdem willst du dein Team nicht enttäuschen!“ Nach 10-15 Minuten kam das Gleichgewicht zurück. Endlich war der Weg frei für die ausnahmslose Aero-Haltung.
Jetzt kam der Druck auf die Pedale zurück. Und mit ihm der Spaß und der Wettkampfmodus! Ich zog an einigen im Sebi-Style (Sebastian Kienle) vorbei und machte einiges an Boden gut. Das ist schon echt was geiles, auf solch einem Zeitfahrrennrad durch die Kante zu düsen. Kurz vor dem Erreichen der zweiten Wechselzone hieß es raus aus den Radschuhen und fertig machen zum Absprung. Schnell durch die Wechselzone und rein in die Laufschuhe.
Wiedererstarkt in die Laufschuhe
Aufgrund des katastrophalen Schwimmens und des anfänglichen Geplänkels auf dem Rad, hatte ich einiges an Rückstand, bevor es auf die abschließenden 10 Km ging. Genauer gesagt, ging ich als 44. auf die Laufstrecke. Die 10Km glichen eher einem Traillauf, was allerdings kein Problem für mich war. Die 10km Zeit war jetzt eh egal. Hauptsache so viel wie möglich an Boden gut machen und halbwegs ordentlich finishen. Ich fühlte mich wirklich gut und vor allem wieder erholt vom Blackout. Unterwegs gab es einen Wendepunkt, bei dem ich auch gleich mal 100 Meter zu weit gelaufen bin. Im Wettkampftunnel und dem Willen nochmal alles rauszuholen, hatte ich ganz einfach die Laufstrecke verlassen. An diesem Tag lief sozusagen alles ein bisschen anders…
Im Ziel – Das Lächeln ist zurück!
Fazit des Wettkampfs
Am Ende reichte es nur noch zu einem 32. Platz. Insgesamt überwiegt auf jeden Fall ein positives Fazit! Schon alleine, weil das Pacen auf dem Rad im zweiten Wettkampfabschnitt richtig Laune gemacht hat. Natürlich lässt sich dieses Negativerlebnis beim Schwimmen nicht einfach so aus dem Gedächtnis löschen. Ich sehe es sportlich. Es kann nur besser werden und Angst habe ich auf keinen Fall. Höchstens mehr Respekt davor, was es heißt, theoretische Trainingsresultate in wettbewerbsfähige Wettkampfleistungen umzusetzen. Inzwischen konnte ich lange über alles nachdenken – Wenn ich mir das noch einmal im Kopf durchspiele und mir die Filmaufnahmen anschaue, lässt sich eigentlich relativ deutlich sagen, dass ich definitiv unterkühlt war und im Wasser nicht mehr Herr meiner Lage war.
Das war eine wichtige Wettkampferfahrung und Lernstunde für mich hinsichtlich weiterer Triathlonevents mit Massenstarts im Wasser. Zudem sind es nun nicht mal mehr 4 Wochen bis zum Berlin Triathlon XL. Bis dahin liegt der Fokus natürlich verstärkt auf dem Wassertraining im See und längeren Koppelläufen bis 15 Kilometer bzw. intensiven Einheiten kürzerer Distanz.
In diesem Sinne: Immer schön locker bleiben. Auch in den Beinen.
Hier kommst du zum Wettkampffilm.
KEEP ON RUNNING!