Amsterdam hat seine Grachten, Hamburg seine Brücken und Stuttgart seine Stäffele: sie gehören zur Landeshauptstadt wie der schlanke Fernsehturm, der Trollinger oder der Mercedes-Stern.
Obwohl sie ureigene Wahrzeichen sind, bleibt ihr Charme dem flüchtigen Besucher oft verborgen. Viele der über 400 Treppenanlagen sind nämlich nicht nur wild-romantisch sondern auch ein bisschen anstrengend und wer sie entdecken will, muss sich Tempo und Puste gut einteilen, um die reizvollen Details und traumhaften Aussichten genießen zu können.
Für Eduard Rapp und andere Stuttgarter sind die mal geraden, mal schief getretenen Treppen weit mehr als ein Wahrzeichen, sie sind eine Leidenschaft. Dieser Verbundenheit ist eine der schönsten Neuerscheinungen der vergangenen Jahre zu verdanken: in “Stäffele – Stuttgarts Wahrzeichen” stellt Eduard Rapp sehenswerte Stufen und gleichzeitig ein Stück Heimat vor.
Stuttgarter Stäffele verbinden nicht nur 342 Höhenmeter auf die sich Stuttgart verteilt, sondern oft auch verschiedene Stadtteile, fast immer aber die Menschen, die sich unterwegs begegnen. Sie öffnen verträumte Wandelpfade inmitten großstädtischer Betriebsamkeit, vereinen Natur und Kultur.
An den Stäffele wohnen freundliche Menschen, Eidechsen wärmen sich in der Mittagssonne, Katzen huschen ins Gebüsch, Laub und Blüten zeigen die Jahreszeiten und kunstvolle Geländer zeugen von längst vergangener Handwerkskunst. Wer auf Entdeckungstour gehen will, kann eine geführte Stäffelestour bei Wanatu buchen oder plant mit Hilfe der Karten im Buch seine ganz eigene Stäffeles-Rundwanderung.
Eine der schönsten Staffeln ist unbestritten die Eugenstaffel – vor allem nachts, wenn der Galateabrunnen erleuchtet über Stuttgart thront, ist der An- und Ausblick der sich hier bietet jede Mühe wert. Frei nach dem Motto “Onser Fitness-Schtudio liegt em Freia”, nutzen jung und alt die Stäffele auch fürs Ausdauertraining. Weniger Sportliche kaufen sich in der Eisdiele Pinguin ein paar sahnige Kugeln und genießen sie ein paar Schritte weiter mit grandiosem Panoramablick vom Eugensplatz.
Reizvolle Blicke über den Kessel offenbaren auch die Emil-Molt-Staffel, die Novalisstaffel oder die Hasenbergsteige. Die Schick- und die Gerokstaffel gehören zu den traditionsreichsten Staffeln Stuttgarts. Ihre verwitterten Steinstufen erzählen Stadt-Geschichten aus vielen Jahrzehnten.
Nicht nur ein Stäffele, sondern eine der mächtigsten Staffelanlagen der Stadt ist die Sängerstaffeln, die von wunderschönen Gründerzeit-Fassaden gesäumt wird. Andere Staffeln wie die Ginsterstaffel und das Pfarrwegle führen vorbei an gepflegten oder leicht verwilderten Halbhöhengärten, in denen Imker Pfeifles Bienen den blumig-aromatischen Stuttgarter Stäffeleshonig sammeln. Manche Staffeln sind gar nicht lang, dafür sehr elegant, einige davon sind in der Wilhelma zu finden.
Die große Freitreppe am kleinen Schlossplatz musste zwar dem Kunstmuseum weichen, doch auch die neu gestaltete Nachfolge-Treppe ist ein beliebter Treffpunkt für Shopper, Schüler, Touristen oder Leute-Beobachter mitten in der Stadt. Auch die Treppen am Königsbau werden lieber besetzt als begangen.
Die steilen und schiefen Weinberg-Stäffele wären sicher ein eigenes Kapitel wert, mit einigen beeindruckenden Fotografien sind sie jedoch würdig vertreten.
“Stäffele” ist nicht nur ein Buch für Treppensteiger: mit außergewöhnlichen Aufnahmen und liebevollen Begleittexten ist der Bildband ein Geschenk für alle, die schöne Bücher lieben!
Eduard Rapp “Stäffele – Stuttgarts Wahrzeichen”, 192 Seiten, 200 Farbfotos, Hardcover mit Umschlag, 34 Euro 90 (ab 31.1.14: 39 Euro 90), Silberburg-Verlag
Sehr schöne Infoseite über Stuttgarter Stäffele: www.stuttgarter-staeffele.de. Infos zu den Stuttgarter Stäffelestouren gibts es hier: www.stuttgarter-staeffelestour.de und echt schwäbische Spezialitäten lassen sich im Restaurant Stuttgarter Stäffele genießen.