Traumpfad München – Venedig – Von Alleghe nach Belluno

Von Kentakel @KenTakel

Etappen 19 bis 23

Tag 20 - Von Alleghe zur Tissi Hütte

Wie wärs heute zur Abwechslung mal mit wandern? Vorher wird mit dem Deppenzepter Selfiestick noch die morgendliche GoPro-Grußbotschaft gefilmt. Heute geht es laut Reiseführer zunächst mit der Seilbahn auf den Col dei Baldi. Aber wer uns kennt, der weiß, dass wir eher wieder zurück nach München laufen, als auch nur einen Meter mit der Seilbahn zu fahren.

Wir machen uns also wie gewohnt per pedes am See entlang Richtung Masare auf den Weg. Von dort geht es in atemberaubender Schrittgeschwindigkeit steil bergauf.

Tennis- oder doch eher Fußballplatz? Man weiß es nicht.

Nur wenige Stunden später stehen wir vor der Tissi-Hütte mit imposanter Sicht auf die Wand der Wände, die Civetta!

Vor der Fensterfront im Rifugio Tissi fühlt man sich wie ein Fisch im Aquarium. Beeindruckend.

Die drei Fische Magdalena, Simon und Johanna beim After-Hike Chill-Out.

Berlin hat vier Millionen Einwohner aber denkt ihr ich treffe auch mal einen Haupstädter? Dagegen scheint man die Alpen nicht überqueren zu können, ohne auf Ingolstädter Bekannte zu treffen. Und das ist noch nicht mal das Ende vom Lied!

Tag 21 - Rifugio Tissi zum Rifugio Passo Duran

Entspannter Start in die 20. Etappe. Circa 17 km haben wir heute vor uns.

Am Rifugio Vazzoler füllen wir unsere synthetischen und leeren unsere anatomischen Blasen.

Eine Stunde später höre ich plötzlich über mir eine Unterhaltung und denke: Warte mal, die Stimme kennst du doch.

Ich gehe um die Kurve und plötzlich stehen dort die Lehrerin Elke mit ihrem Sohn Jassi und dem Rest der Mischpoke. Die beiden sind die gesamten Sommerferien auf dem Traumpfad unterwegs und werden immer wieder Abschnittsweise von verschiedenen Familienangehörigen begleitet. Tolle Sache!

Wenig später zieht ein kurzes aber heftiges Unwetter über uns hinweg. Im Rifugio Bruto Carestiato wärmen wir uns etwas auf und ziehen dann weiter Richtung Rifugio San Sebastiano.

Ich trau mich gar nicht es zu sagen, aber ich hab tatsächlich schon wieder etwas liegen lassen. Dieses Mal meine Regenjacke (die ich zum Trocknen aufgehängt hatte) in der Carestiato-Hütte. Wie gut, dass ich mittlerweile weitreichende Kontakte habe. Sascha und Jasmin übernachten auf der Hütte und bringen mir die Jacke am nächsten morgen vorbei.

Im Rifugio San Sebastiano, kann man sich vom netten Hüttenwirt ein Klettersteigset für die Schiara ausleihen. Eine Kaution von 50 € bekommt man bei Rückgabe des Sets im Agritourismo Lenoci einige Etappen später wieder.

Tag 22 - Vom Rifugio San Sebastiano zum Rifugio Bianchet

Die heutige Tour verspricht lang zu werden, aber dass sie es unter die Top fünf meiner anstrengendsten Etappen schaffen würde, war morgens noch nicht abzusehen.

Gut gelaunt starten wir nach dem Frühstück vom Passo Duran. Simon und Fischi versuchen unserer Wanderung durch einen Live Sportkommentar noch mehr Dramatik zu verleihen.

Die letzten Tage laufen wir hauptsächlich auf dem Dolomiten-Höhenweg 1.

Das Wandern ist des Fischis Lust.

Etwas später löse ich mich von unserer Gruppe und gehe alleine voraus.

Als ich gerade Richtung Forcella de Zita Sud aufsteige, zieht ein bedrohlich wirkendes Gewitter auf. Ich stehe auf einem großen Plateau und weit und breit ist kein Unterschlupf zu sehen. In der Hoffnung auf eine Felsspalte, gehe ich so schnell wie möglich bergauf. Doch genau als ich den höchsten Punkt erreiche, fängt es heftig an zu Hageln und ich stehe komplett ausgesetzt.
Ich überlege schon mir meinen Klettersteig-Helm aufzusetzen, weil die Hagelkörner so weh tun. Aber meine Hände sind eiskalt und ich möchte keine Zeit hier oben verbringen also hechte ich im Eilschritt zwanzig Minuten durch den Kugelhagel bergab.

Als ich 1,5 Stunden später erschöpft am Rifugio Pian de Fontana ankomme, gibt es kein Schlafplatz mehr und die Wirtin möchte mir auch keinen Platz im Notlager geben!

Stattdessen muss ich weitere zwei Stunden bis zum Rifugio Bianchet laufen. Zunächst bergab, dann wieder steil aufsteigen und erneut endlos bergab (in dem Wissen, dass ich den Weg am nächsten morgen wieder aufsteigen muss). Als ich nach knapp 10 Stunden Wanderung dort ankomme, bin ich bedient.

Aber der Tag findet einen positiven Ausklang. Magdalena, die acht Tage zuvor den Traumpfad verlassen hat, um eine Höhentour in den Dolomiten zu unternehmen, ist zum Rifugio Bianchet angereist. Sie hat sich erbarmt gemeinsam mit mir den kommenden Schiara Klettersteig zu gehen.
Ich wär sonst ganz alleine gewesen, da meine Mitwanderer die Via Ferrata umgehen.

Die Bianchet Hütte rankt in Punkto Herzlichkeit und vor allem Essen auf den hinteren Plätzen.

Tag 23 - Vom Rifugio Bianchet zum Rifugio 7° Alpini

Heute ist der große Tag. Mein erster Klettersteig! Über die Schiara kursieren so viele Geschichten und gleichzeitig sind so wenig verlässliche Informationen darüber zu finden, dass ich gespannt bin, was uns erwartet.

Zunächst geht es aber mal wieder zwei Stunden bergauf. Ich hab Knie- und Fußschmerzen und bin froh, dass wir die Alpen morgen überquert haben. Aber über das Panorama kann man nicht meckern!

Nach etwas Geröll und einem Steinplateau erreichen wir den Einstieg in die Via Ferrata. Wir sind auf der Schattenseite und auf einmal weht ein eisiger Wind. Ich kann meine Hände kaum spüren als ich das Klettersteigset anlege.

Und dann geht's auch schon los! Zunächst ein kleines Stück bergauf.

Anfangs sichere ich mich noch relativ viel am Seil aber mit der Zeit wird es anstrengend die Haken immer wieder auf und zu zu machen und so hangel ich mich an den weniger dramatischen Passagen ungesichert entlang.

Nach dem wir den höchsten Teil des Steigs überwunden haben, erwartet uns strahlender Sonnenschein auf der anderen Seite. Wir wärmen unsere durchgefrorenen Körper auf und ziehen nach einer kurzen Pause weiter. Ab jetzt geht es nur noch bergab.

Nach der ganzen Wanderei auf Straßen, Pfaden und Forstwegen, bietet der Steig eine willkommene Abwechslung. Zu keiner Zeit habe ich mich irgendwie unsicher gefühlt.

Gelegentlich geht es unter einem mal steil bergab aber die Seile sind immer griffbereit und gut erreichbar.

Es fängt leicht an zu regnen als wir das wunderschöne Rifugio 7° Alpini erreichen. Die Hütte wird von einer sympathischen Familie betrieben, ist wunderbar gelegen und hat leckeres Essen.

Tag 24 - Vom Rifugio 7° Alpini nach Belluno

Heute steht uns eine machbare Aufgabe bevor: die letzten Höhenmeter der Alpen am Torrente Ardo entlang abwärts nach Belluno auslaufen. Ein sonniger Spaziergang

Jule mit lokaler Katze in der Morgensonne.

Magdalena muss schon wieder auf mich warten...

An gemütlichen Wohnhäusern und prachtvollen Gärten vorbei geht es immer weiter hinab, bis wir schließlich im Zentrum des kleinen Städtchens Belluno stehen. Hier gönnen wir uns Eis und Pizza und treffen nach und nach auf die anderen WV- Wanderer, die den Klettersteig weiträumig umgangen sind.

Das flanieren durch die Altstadt fühlt sich dann tatsächlich an wie Sommerferien. Bei der ganzen Schinderei kann man manchmal glatt vergessen, dass man Urlaub hat!

Na wenn da mal nicht zehn gute Gründe sitzen, die Alpen zu überqueren! Wir haben es tatsächlich geschafft. Das wird gemeinsam gefeiert. Cheers!

Je nach Route sind es noch vier bis fünf Tage bis nach Venedig. Wie anstrengend kann das schon sein? (Spoiler Alert: sehr anstrengend).

Für drei Mitwanderinnen ist heute Endstation . Viele Alpenüberquerer sparen sich die Flachetappen ( inkl. Zeit und Schmerz) und laufen lediglich von Bad Tölz bis Belluno.

Der Weg von Alleghe nach Belluno bildet den krönenden Abschluss der Alpenüberquerung. Die massive Civetta ist beeindruckend und mit dem Schiara Klettersteig zeigen sich die Berge ein letztes Mal von ihrer schönsten Seite. Wer es bis zur 22. Etappe geschafft hat, wird auch mit der Via Ferrata keinerlei Probleme haben.
Körperlich ist der Steig nicht sehr anstrengend. Nur bei extremer Höhenangst und natürlich schlechtem Wetter sollte man ihn umgehen.

    Wegen einer Etappe würde ich kein Klettersteigset mitschleppen. Man kann sich das eigene Set entweder zuschicken lassen oder einfach eins am Rifugio San Sebastiono (21. Etappe) ausleihen und es vier Tage später im sehr schönen Agritourismo Lenoci wieder abgeben.

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