Ich komme mit den Nachrufen bald nicht mehr hinterher, dabei habe ich nicht einmal alle erwähnt – wie etwa Pierre Brice und James Last, die Helden meiner Kindheit waren.
Aber Wolfgang Jeschke, das trifft mich nun, denn 78 Jahre ist viel zu früh. Er war “der Herr der Science Fiction” in Deutschland, und das nicht nur als Herausgeber und Lektor bei Heyne, sondern auch als Ausnahme-Autor. Ein Profi rundum mit einer Kompetenz, die alle anderen in den Schatten stellte. Kein Wunder, dass er auch beim Kindlers Literaturlexikon und anderen lexikalischen Werken mitgewirkt hat. Er kannte alle SF-Autoren rund um den Globus und viele Fantasy-Autoren, obwohl er es damit ja nicht sooo sehr hatte. Trotzdem hat er einer völlig unbekannten Autorin Mitte der 1980er einen Vertrag geschickt für ihre erste Publikation im Heyne-Programm – “Sternwolke und Eiszauber”. (Seinen Brief, den Roman zu verlegen, habe ich noch, denn er traf am 23.12. bei mir ein. Mein schönstes Weihnachtsgeschenk jemals.) Wolfgang Jeschke hat mir den Weg bereitet, und es gab viele vergnügte Zeiten am damals noch existierenden SF-Stammtisch in München, zusammen mit Friedel Wahren und jeder Menge Autoren und Übersetzern. Ich habe das Büro nur zu gern besucht, denn es sah genauso aus, wie man es sich vorstellt: zig Bücher, zig Manuskripte, zig Magazine, in denen Besprechungen oder Anzeigen zu finden waren, Kataloge, Korrespondenz, Geschenke, Erinnerungen, Fanzeugs, Post-its, Postkarten, und irgendwo dazwischen zwei Schreibtische und zwei Stühle und zwei Menschen, die sich bestens in allem auskannten. Es war hell und gemütlich, die Atmosphäre immer positiv aufgeladen, auch wenn es mal Ärger gab wegen Terminverzögerungen, gereizter Hersteller oder sonstiger Probleme, die dieser Beruf mit sich bringt. Bis in die 90er hinein hatten wir guten Kontakt und arbeiteten auch immer mal zusammen an verschiedenen Projekten. Als ich stolz auf dem Stammtisch die ersten Titel unseres Fabylon-Verlags präsentierte, rief Friedel Wahren: “Oh, was für schöne Bücher! Wolfgang, wieso machen wir nicht auch so schöne Bücher?” und er grinste in seinen Bart hinein, aber seine Augen blitzten anerkennend.
Zur Jahrtausendwende dann gingen die Wege auseinander, es gab noch sporadischen Kontakt, mal ein Telefonat, mal ein Besuch; und ich freute mich umso mehr, als ich Wolfgang 2013 auf dem MucCon in Garching wiedersah. Er war sichtlich gealtert und gebrechlich, doch wie immer bester Laune und Dinge, seine Stimme unverändert klangvoll, und wir plauderten vergnügt von den guten alten Zeiten und über unseren aktuellen Status. Und er sagte zu mir, dass er meinen beruflichen Weg selbst schon in Rente immer im Auge behalten habe und stolz darauf sei, was damals in diesem kleinen Büro in München aus einem unscheinbar wirkenden Manuskript erwachsen sei. Darauf wiederum bin ich stolz, und das kann ich jetzt immer als Erinnerung bewahren.
Wolfgang Jeschke hat sich nun auf die große Reise zu den Sternen begeben, und ich bin sicher, er wird eine Menge Leute wiedertreffen und ordentliche Schwänke zum besten geben. Einen wie ihn wird es nie wieder geben. Ad astra.