Um seine Motive geht es mir also gar nicht so sehr. Aber wie kommt ein Journalist eigentlich dazu, den Reichtum eines Menschen als Vertrauensgrundlage zu beziffern? Was ist das? Eine neue Prädestinationslehre? Ein auf Zeitgeist getrimmter Calvin? Jetzt liebt einen nicht mehr Gott, weil man reich ist, sondern die Massen auf den Straßen. Ich habe selten eine Einschätzung von so formvollendetem Schwachsinn gehört. Wäre an der These etwas, so müsste Berlusconi der edelste Politiker aller Zeiten gewesen sein. Und schade, dass es Romney nicht geschafft hat. Sein gigantischer Reichtum wäre sicherlich Grundlage eines neuen Sozialstaatsaufbruchs geworden.
Nein, Geld verdirbt nicht den Charakter. Jedenfalls nicht mehr als andere Dinge. Andere verderben sich ihren Charakter mit wesentlich geringeren Mitteln. Mit Alkohol oder Weibergeschichten. Und mancher Autor wurde zum Charakterschwein, wenn es ihm nicht richtig aus der Feder floss. Andere wurden reich und änderten sich nicht. Es ist eine Frage der inneren Einstellung. Grundsätzlich ist nicht Geld das Problem, sondern der Mensch, der Geld mit Grundsätzen verwechselt. Andersherum adelt Geld aber auch nicht. Und eine Vertrauensbasis nach dem Motto "Trau, schau, der hat Geld!" ist Unfug. Ab wieviel wird man vertrauensselig? Ist Janukowitsch etwa arm?
Und hintergründig schwingt da so eine elitäre Verachtung gegenüber armen Menschen mit. Alle die nicht viel Geld haben, sind verschlagen und durchtrieben, warten nur darauf, sich selbst zu bereichern. Immer dieses Gesinde! Immer diese Kassiererinnen, die sich Pfandbons einstecken! Der Reiche wird da zum besseren Menschen verklärt, zur korruptionsresistenten Person.
Jetzt hätte er nur noch sagen müssen, dass wir grundsätzlich von Millionären regiert werden sollten, dann hätte er seine kleine These auf den Punkt gebracht. So weit kam es nicht. Ich schaltete das Radio ab und schob Fortunate Son ein, drehte lauter und gab Gas.
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